Rede von Herrn Christian Lindner, Bundesvorsitzender der FDP, anläßlich der Dreikönigskundgebung 2017

Von: Wolfgang Gerstenhöfer [mailto:wolfgang.gerstenhoefer@gmx.de]

Gesendet: Freitag, 13. Januar 2017 08:49
An: Lindner, Christian
Betreff: Ihre Rede anläßlich der Dreikönigskundgebung der FDP am 6.1.2017

 

Sehr geehrter Herr Lindner,

zunächst gratuliere ich Ihnen nachträglich ganz herzlich zu Ihrem Geburtstag und wünsche ich Ihnen für Ihr neues Lebensjahr alles Gute, viel privates Glück und vor allem Gesundheit und persönliche Zufriedenheit.

Auch in diesem Jahr habe ich Ihre Rede anläßlich der Dreikönigskundgebung, des Dreikönigstreffens der FDP mit Interesse gelesen und gebe ich Ihnen dazu eine Rückmeldung, auch wenn Sie wohl keinen Wert (mehr) auf meine Meinung legen.

"... Deutschland hat nur eine liberale Partei – und das sind die Freien Demokraten. ..." Interessant?

Die Botschaft hör´ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.

Dafür, daß Sie maßgeblich daran mitgewirkt haben, daß sich die Freidemokraten seit dem 6. Januar 2015 nicht mehr als Liberale, sondern nur noch als Freie Demokraten bezeichnen, sprechen Sie erstaunlich oft von liberal und vom Liberalismus.

Was wollen Sie denn nun? Wollen Sie sich vom Liberalismus distanzieren oder wollen Sie die FDP endlich zur Liberalen Partei Deutschlands machen?

Erst haben führende Repräsentanten der FDP sehr fleißig daran gearbeitet, den Begriff liberal zu diskreditieren und ihn immer mehr in die Nähe des Kampfbegriffs "neoliberal" zu bringen, und dann hat die FDP den Zusatz "Die Liberalen" offensiv aufgegeben.

Sie senden sehr widersprüchliche Signale und Botschaften. Das ist mir auch mit Blick auf den Inhalt Ihrer Ansprache an der einen oder anderen Stelle aufgefallen. Ist das Absicht? Taktik? In welchen Teichen fischen Sie? Ich halte das für gefährlich.

Ging es nicht gemeinsam mit der Agentur Heimat [sic!] mit Blick auf die Entwicklung der AfD darum, an die als überwunden geglaubte "deutschnationale" Traditionslinie der FDP anzuknüpfen? Wegen der "Deutschnationalen" heißt die FDP doch wohl auch Freie Demokratische Partei und nicht Liberaldemokratische Partei. Freie Demokraten statt Liberale ist da doch nur konsequent.

Vorab: Eine AfD light braucht niemand, in Bayern belegt wohl auch die CSU inzwischen diese Position. Was wir dringend bräuchten, ist die Liberale Partei Deutschlands.

Vielleicht wäre es doch besser gewesen, keine Werbeagentur, sondern Experten für Kommunikation ins Team zu holen. Ihre Entscheidung. Dazu später mehr ...

Ich frage Sie: Sind Sie wirklich sicher und entschlossen, daß Sie den Weg von Frau Hildegard Hamm-Brücher und der Herren Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher und Dr. Guido Westerwelle fortsetzen wollen?

Ich kann das leider nach wie vor nicht so klar und eindeutig erkennen. Falls Sie auf diesem Weg sind, dann nehmen Sie viele Umwege und sehr verschlungene Pfade. Es mag natürlich auch an mir liegen, daß ich Ihnen nicht (mehr) folgen kann, daß ich Sie nicht verstehe.

"... Wir wissen aber, die Freiheit ist unteilbar. Wer die Freiheit in der Gesellschaft will und gegen die Freiheit in der Wirtschaft ist, oder wer eine freie Wirtschaft aber keine liberale Gesellschaft will, der wird am Ende beides verlieren. ... Es ist ein Auftrag an alle Liberalen, für ihre Werte in diesem Jahr wieder zu kämpfen. ..."

Dieser Feststellung kann ich nur zustimmen. Werden die Freien Demokraten denn auch dafür kämpfen? Wer? Wie? Wo? Wann?

Marketingkonzepte und Wahlkampfkampagnen ersetzen keine Inhalte und vor allem keine durch konkrete Anträge und Initiativen in den Parlamenten, in denen man (noch) vertreten ist, untermauerte Glaubwürdigkeitsoffensive. Die Werbeagentur läßt grüßen ...

"Nicht nur labern. Machen." Die FDP ist zur Zeit in neun Landesparlamenten und dem Europaparlament vertreten. Wo sind die entsprechenden Anträge und Initiativen? Mir sind sie leider nicht bekannt ...

Es geht immer noch um Glaubwürdigkeit, um Vertrauen ... Die Freidemokraten, die von 1983/84 bis 2011/12 auch meine politische Heimat gewesen sind, sägen mindestens seit 1961 an ihrer Glaubwürdigkeit ("Umfallerpartei"), vielleicht sogar schon seit 1952/53 ("Naumann-Affäre") und haben sie für mich in der Koalition mit CDU und CSU zwischen 2009 und 2013 vor allem bei den Themen Steuer- und Gesundheitsreform (vorerst) endgültig verloren.

Weder der parteiinterne Leitbildprozeß noch die Umwandlung der Freidemokraten von blau-gelben Liberalen zu magentafarbenen Freien Demokraten hat daran etwas geändert ... Alter Wein in neuen Schläuchen!

"... In Deutschland wollten nach unserer Niederlage 2013 alle liberal sein. Union, SPD, Grüne. Man hat nur darauf gewartet, dass Gregor Gysi den Liberalismus noch für die Linkspartei reklamiert. ..."

Nur die FDP, die wollte nicht mehr liberal sein. Statt den Stier bei den Hörnern zu packen und aus der FDP endlich die Partei eines konsequent ganzheitlichen Liberalismus zu machen, sich ihre eigene Jugendorganisation, die Jungen Liberalen, zum Vorbild zu nehmen, hat man genau das Gegenteil davon getan.

"... Die Union ... hat ... in der Flüchtlingskrise dauerhaft Grenzen geöffnet. .... Wir wollen ein Einwanderungsgesetz, das steuert, mit wem wir auf Zeit solidarisch sind, wen wir in den Arbeitsmarkt einladen – und bei wem weder noch. ..."

"... Entscheidend ist, dass Europa wieder sein eigenes Recht achtet. Es war falsch, dass Deutschland in der auf Dauer die Dublin-Vereinbarung außer Kraft gesetzt hat, weil unvollkommene Regeln besser sind als keine. ..."

Da ist sie - die AfD light: Niemand hat dauerhaft die Grenzen geöffnet und das Dubliner Übereinkommen außer Kraft gesetzt - und ein Einwanderungsgesetz regelt die Zu-, die Einwanderung. Das ist eine sinnvolle Idee, längst überfällig.

Was hat aber ein Einwanderungsgesetz mit Flüchtlingen und mit Asylanten zu tun? Wollen Sie das Grundrecht auf Asyl noch mehr aushöhlen, das Dubliner Übereinkommen hatte bzw. hat es fast schon getan, aber eben zum Glück für die Menschlichkeit nur fast, und die Genfer Flüchtlingskonvention, das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, kündigen?

Die Neuregelung im Jahr 1993 (aufgrund des Dubliner Übereinkommens vom 15. Juni 1990) hat doch genau genommen das Asylrecht, das die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes aufgrund der schrecklichen Ereignisse zwischen 1933 und 1945 eingeführt haben, bereits aufgehoben - und das mit Zustimmung der FDP, obgleich sich deren Mitglieder damals noch als Liberale bezeichnet haben.

"... Zum Beispiel von der Angst vor dem Islam. Was war die Antwort der CSU darauf? Eine christliche Leitkultur für Deutschland im neuen Grundsatzprogramm. Und die Antwort der Bundeskanzlerin: Singt mehr christliche Weihnachtslieder! Empfehlungen zum Liedgut am Heiligen Abend – das ist an Hilflosigkeit nicht zu überbieten. ..."

Und wieder AfD light? Polemik und Populismus statt Politik und Programm? Sie, sehr geehrter Herr Lindner, wissen es doch nun wirklich besser. Oder sind Sie nun auch im "postfaktischen Zeitalter" angekommen? Haben Sie, hat die FDP das nötig?

Als so dumm habe ich die Aussage von Frau Dr. Angela Merkel seinerzeit gar nicht empfunden. Da demonstrieren Menschen gegen eine vermeintliche Islamisierung und können wahrscheinlich tatsächlich kaum ein (christliches) Weihnachtslied singen.

Es ging um die AfD und um Pegida, die Ängste schüren und Vorurteile pflegen und vorgeben, Werte zu verteidigen, die sie selbst mit Füßen treten. Bei aller sicher auch berechtigten Kritik an unserer derzeitigen Bundeskanzlerin und Bundesregierung, die auch nicht meine (erste) Wahl ist, sollte man bei den Fakten bleiben. Meine Meinung.

"... Aber die fragen sich: Wann geht es mal um meine Sorgen? ..."

Das ist eine sehr gute Frage. Wo ist Ihre Antwort? Ich habe sie nicht gefunden.

Oder sollen das Ihre Antworten sein? Für mich sind das Allgemeinplätze, Binsenweisheiten:

"... Die wollen einen Staat, der sie in Alltagsfragen in Ruhe lässt, aber bei den großen Aufgaben nicht im Stich. Und diesen Staat – den wollen wir ihnen zurückgeben. ..."

"... Sich um diese Mitte zu kümmern, das muss daher wieder Staatsräson werden! ..."

Dann kommt allerdings ein Versprechen, das zu erfüllen, sehr spannend werden wird:

"... Wir sagen nicht: Das Wir entscheidet. Wir sagen den Menschen in der Mitte der Gesellschaft: Jetzt geht es mal um Dich. Um dein Recht, im hier und jetzt glücklich zu werden. ..."

Sie postulieren ein individuelles Recht, im hier und jetzt glücklich zu werden. Ein staatlich garantiertes Recht auf Glück für jeden Menschen.

Meinen Sie das ernst? Wissen Sie, was Sie da gesagt, da versprochen haben?

Die Liberalen, die die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika vom 4. Juli 1776 verfaßt haben, zählten zu den unveräußerlichen Rechten aller Menschen das Streben nach Glück.

Ein Recht auf Glück ist neu! Irrtum, Mißverständnis oder eine freidemokratische Revolution?

Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, aber diese Forderung hat mich dann doch sehr überrascht. Ich kann sie auch nicht glauben. Ich nehme sie Ihnen nicht ab.

"... Die Menschen haben den Eindruck, dass beim Rechtsstaat die Prioritäten nicht mehr stimmen. ..."

Stimmt. Das sehe ich auch so. Was macht die FDP, was machen ihre Fraktionen?

Ich bin sicher kein Freund der Partei Bündnis 90/Die Grünen und erst recht kein Feind der Polizei, die in einem liberalen Rechtsstaat eine wichtige Aufgabe hat, aber auch mit Blick auf unsere Vergangenheit halte ich eine gewisse Skepsis durchaus für angebracht.

Polizeiaktionen sind keine Tabuthemen und dürfen in einem freiheitlichen und demokratischen Verfassungs- und Rechtsstaat nicht einer Diskussion entzogen sein.

Ich möchte keinen Polizei- und Überwachungsstaat und übrigens auch keinen "Nachtwächterstaat", sondern eine qualitativ und quantitativ gut ausgestattete Polizei, die sehr verantwortungsvoll und selbstkritisch damit umgeht, für die Bürger, die sie mit ihren Steuergeldern bezahlen, Hoheitsaufgaben auszuüben.

Deshalb halte ich die Verwendung der Abkürzung "Nafris", die nicht etwa für Nordafrikaner, sondern für nordafrikanische Intensivtäter steht, durch die Polizei in Köln an Silvester auch für bedenklich, weil er in dem Gesamtzusammenhang nach Generalverdacht, nach Pauschalierung klingt, klingen könnte. (Es hat schon seinen Grund, warum es einen "Polizeifunk" gibt, der nicht mitgehört werden darf ...)

Verallgemeinerungen und Pauschalurteile sind nie gut. Das gilt allerdings für alle Beteiligten. Grundsätzlich gilt für mich: "Wem der Schuh paßt, der zieht ihn sich an."

"... Die von uns mitgetragene Bundesregierung hat im August 2013 die Ergebnisse einer Regierungskommission vorgelegt. Darin enthalten waren die Stärkung der Zentralstellenfunktion des Bundesamtes für den Verfassungsschutz und die Zusammenlegung der Verfassungsschutzämter in vier schlagkräftigen länderübergreifenden Strukturen Nord, Süd, Ost und West. ..."

Warum wurde das denn nicht umgesetzt, in Angriff genommen? Die Bundestagswahl war doch erst am 22. September.

"... Dann sollten die Grünen ihren Widerstand aufgeben, die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, damit die Abschiebung schneller gelingt. ..."

Sind die "Maghreb-Staaten" wirklich sicher? Warum sollte die Abschiebung von nicht anerkannten Asylbewerbern deshalb schneller gelingen?

Meines Wissens kann man Asylbewerber, deren Asylantrag abgelehnt wird, auch in Staaten abschieben, die nicht als "sichere Herkunftsländer" gelten. Das Asylrecht ist ein individuelles und kein kollektives Grundrecht.

Daher haben umgekehrt auch Menschen ein Recht auf Asyl, wenn sie aus einem "sicheren Herkunftsland" kommen. Ich habe übrigens auch gewisse Zweifel daran, ob die sogenannten Maghreb-Staaten alle für alle Menschen so sicher sind.

Hält die FDP denn Afghanistan auch für ein "sicheres Herkunftsland"? Ich hoffe sehr, daß die Freien Demokraten nicht vergessen, daß und warum sich auch die liberalen Väter unseres Grundgesetzes für ein Grundrecht auf Asyl eingesetzt haben.

"... Es geht um sichere Arbeitsplätze und eine dynamische Wirtschaft. ..."

"... - einen flexiblen Arbeitsmarkt, der durch ein modernes, mobiles Arbeitsumfeld motiviert; ..."

"... Denn bei uns wollen wir kein Freilichtmuseum haben, sondern Aufstiegschancen für alle, im Leben voranzukommen. ..."

"... Neulich war ich mit Alexander Dobrindt beim Wirtschaftsrat der CDU zu einer Diskussion – die wollten auch mal wieder einen Marktwirtschaftler treffen. ..."

"... Der Sozialstaat der Zukunft muss Veränderung ermöglichen – statt das Bestehende zu konservieren versuchen. ..."

Sind prekäre Beschäftigungsverhältnisse für Sie sicher? Was bedeutet für Sie ein flexibler Arbeitsmarkt? Seit wann steht der CDU-Wirtschaftsrat für eine Marktwirtschaft? Steht er nicht eher für den Kapitalismus/Korporatismus, zu dem sich die "Soziale Marktwirtschaft" inzwischen entwickelt hat, für Wachstum und Gewinnmaximierung um jeden Preis als für die liberale und damit soziale Marktwirtschaft im Sinne des Ordoliberalismus, im Sinne der Freiburger Schule der Nationalökonomie?

Wie sehen denn die Vorschläge der FDP dazu aus, wie man prekäre Beschäftigungsverhältnisse vermeidet, Streß wirkungsvoll abbaut und damit die Zunahme von psychosomatisch bedingten Arbeits-, Berufs- und Erwerbsunfähigkeiten verhindert?

Gewinne um jeden Preis, zu Lasten der Gesundheit und auf Kosten der Allgemeinheit, der Versichertengemeinschaften, des Staates und damit der Steuerzahler sind nicht im Sinne der (liberalen) Marktwirtschaft, die diese Bezeichnung verdient und die Herr Prof. Dr. Ludwig Erhard ab 1949 gemeinsam mit der damaligen FDP in der Bundesrepublik Deutschland einführen wollte.

Im Mittelpunkt der Marktwirtschaft stehen nämlich die Kunden und nicht die Unternehmen/Arbeitgeber. Diese freiheitliche Wirtschaftsordnung dient dem Wohl aller Bürger als Verbraucher, Unternehmer, Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Steuerzahler.

Die (liberale) Marktwirtschaft ist keine Veranstaltung zur bloßen Gewinnmaximierung. Sie ist sicherlich auch keine kollektive Hängematte. Sie ist die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung der Freiheit. Davon entfernt sich die "Soziale Marktwirtschaft" leider immer mehr - und das spätestens seit 1966/67 und noch mehr seit 1998/99 ...

Was sagte der liberale Bundeswirtschaftsminister Prof. Dr. Ludwig Erhard? "Marktwirtschaft ist eine Veranstaltung für die Verbraucher, nicht für die Wirtschaft."

Nun mal Butter bei die Fische: Wie wollen die Freien Demokraten denn "Aufstiegschancen für alle, im Leben voranzukommen" schaffen und wie sollen die konkret aussehen?

"... Sorgen wir dafür, dass insbesondere jungen Menschen mit dem richtigen Rüstzeug in diese Zukunft starten können. Unser Bildungswesen genügt dem noch nicht. ..."

Da stimme ich Ihnen voll und ganz zu.

Dazu fällt mir dieser Spruch ein: "Wir sind die Schüler von heute, die in den Schulen von gestern mit Lehrern von vorgestern und Methoden aus dem Mittelalter auf die Probleme von morgen vorbereitet werden."

Die FDP ist zur Zeit in neun Landesparlamenten vertreten? Die Bundesländer sind zuständig. Was machen die Fraktionen der FDP in dieser Richtung, was haben sie bereits getan?

"... Junge Menschen sollten lernen wie die Welt ist – nicht wie sie einmal war. ..."

Beides. Sie sollen lernen, wie die Welt war und wie die Welt ist.

Sowohl bei der politischen Bildung als auch beim Geschichtsunterricht besteht dringender Handlungsbedarf! Ich bin leider davon überzeugt, daß viele aktuelle Entwicklungen darin begründet sind, daß Politik und Geschichte in den allgemeinbildenden Schulen viel zu kurz kommen, aber auch in den meisten Fällen nicht interessant genug präsentiert werden.

Wir brauchen in den Schulen viel mehr politische Bildung ("Staatsbürgerkunde") und auch viel mehr gelebte Demokratie, "politischere" Schulen.

"... Man kann niemandem erklären, dass Wolfgang Schäuble zwar Schulen in Botswana und Burundi sanieren darf, aber nicht in Bremen und Böblingen. Der Bildungsföderalismus ist nicht mehr Teil der Lösung, er ist zur institutionellen Bremse geworden, die wir lösen müssen. ..."

Das ist nicht neu. Das ist eine ganz alte Forderung der F.D.P./FDP. Sie stand zum Beispiel auch schon im Wahlprogramm anläßlich der Bundestagswahl 1980, das mich zu den damaligen Liberalen geführt hat.

Wir brauchen Wettbewerb aufgrund einheitlicher Rahmenbedingungen zwischen den einzelnen (privatisierten) Schulen und nicht zwischen den Kultusbürokratien, die noch im 19. Jahrhundert stecken.

Dann würde vielleicht auch endlich weniger über Schulformen diskutiert, sondern mehr über Methoden, Inhalte und Ziele, um Lehr- und Lernmittel und deren Finanzierung, die Ausstattung und Gestaltung der Schulen und die Anzahl, die Qualifikation und die Motivation der Lehrer nachgedacht.

Es darf nicht sein, daß der Bildungserfolg davon abhängt, ob man den "richtigen" Lehrer erwischt hat und/oder die "richtigen" Eltern hat. Die Bildungsarbeit wird immer mehr aus den Schulen in die immer spärlichere Freizeit der Schüler und die Elternhäuser ausgelagert ...

Glück für die, die Eltern haben, die die Lehrer ersetzen oder sich professionelle Hilfe leisten können ... Und dann wundern sich alle, wenn die soziale Herkunft zu Bildungsunterschieden führt ...

Das ist ein Betätigungsfeld für Liberale! Werden sich die Freien Demokraten daran beteiligen?

"... Es ist keine soziale Politik, immer nur die Lücken im Wohlfahrtsstaat zu suchen. Es gibt auch eine Verantwortung für diejenigen, die das bezahlen müssen. Und der fühlen wir uns genauso verpflichtet. ..."

"... Am heutigen Tag ist unser steuerpolitisches Motto: Weniger darüber sprechen, mehr erreichen. ..."

Genau so ist es oder sollte es sein. Verantwortung für die, die den Sozialstaat finanzieren, und für die, die auf ihn angewiesen sind. Es sind zwei Seiten einer Medaille.

Wann kommt endlich der Entwurf eines Gesetzes für eine (liberale) Steuer- und Sozialreform?

Wir brauchen endlich einen liberalen Sozialstaat, der sich nicht nur sozial nennt, sondern tatsächlich sozial ist, ohne die Menschen zu bevormunden und zu gängeln:

Dieser freiheitliche und gleichzeitig soziale Staat sorgt nicht selbst quasi bevormundend für die soziale Sicherheit seiner Bürger (z. B. durch Zwangssysteme wie die sogenannte Bürgerversicherung), läßt seine Bürger aber auch nicht im Regen stehen und stellt daher sicher, daß jeder für seine soziale Sicherheit vorsorgen kann - z. B. mit Hilfe des Konzepts der negativen Einkommensteuer, des Bürgergelds bzw. des (bedingungslosen) Grundeinkommens.

Ich habe leider selbst erlebt, daß Menschen, die arbeitslos waren bzw. wurden und keine finanziellen Rücklagen (mehr) hatten, existentielle Probleme bekommen haben, weil sie nicht einfach arbeitssuchend bleiben wollten, sondern wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen bzw. sich selbständig machen wollten. Der "Sozialstaat" mit Hartz statt Herz hat sie im Regen stehen lassen ...

"... Marode Banken sollten auf Kosten von Eigentümern und Gläubigern abgewickelt werden. In Italien gibt es wieder eine staatliche Bankenrettung – das ist die Perversion von Marktwirtschaft. An den Finanzmärkten muss endlich wie überall gelten: Wer handelt, haftet. Sonst wird die moralische Integrität der Märkte untergraben. ..."

Ja, aber war die FDP seit dem Jahr 2010 nicht aktiv an der staatlichen Bankenrettung beteiligt und hat sie nicht deswegen ihr Wahlversprechen gebrochen: "Ich werde für die FDP keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem nicht ein niedrigeres, einfacheres und gerechteres Steuersystem festgeschrieben ist."

Gab´s da nicht mal im Mai 2011 einen Antrag von Herrn Frank Schäffler und im Dezember 2011 einen FDP-Mitgliederentscheid zum Thema Euro-Rettungsschirm?

Sinneswandel? Kein Wort dazu. Glaubwürdigkeit?!

"... Wir waren die letzten über drei Jahre im Bund auf die Zuschauerränge verwiesen. Wir haben die Zeit zur Erneuerung genutzt ..."

"... Wir haben uns erneuert, wir stehen für den starken Rechtsstaat. Aber wir wenden uns gegen Intoleranz, Bürokratismus und Bevormundung. Wir stehen für die soziale Marktwirtschaft, weil sie das beste Modell ist, um Menschen auch individuellen Aufstieg zu ermöglichen. Wir wollen ein mutiges Deutschland, das auch in schwierigen Zeiten die Aufgaben anfasst. ..."

Nach dem plakativen Du doch sehr viel Wir. Ist das Ihr "Wir schaffen das."?

Die FDP könnte wieder erfolgreich sein und werden, wenn sie sich ausschließlich auf ihre liberalen Wurzeln besinnen und sich an die Spitze der Bewegung setzen würde, eine liberale, die Liberale Partei Deutschlands zu gründen, eine Partei, die alle Liberalen (20 bis 30 Prozent der Wahlberechtigten) vereint und ihnen eine politische Heimat gibt, eine Partei, die den Liberalismus mit allen seinen Aspekten und Komponenten - also ganzheitlich - und in allen Lebensbereichen und auf allen Politikfeldern konsequent vertritt und umsetzt, eine Partei, die freiheitlich und gleichzeitig sozial ist, die überzeugend und gleich stark für die Menschen- und Bürgerrechte, für die Grundrechte und die liberale und damit soziale Marktwirtschaft eintritt.

So hat die FDP nach meinem Eindruck (wieder) nur eine Zielgruppe von fünf bis maximal zehn Prozent der Wahlberechtigten im Blick und nicht die zwischen 20 und 30 Prozent Liberale, die es angeblich geben soll.

Mit den Freien Demokraten auf der einen und den diversen Klein- und Kleinstparteien wie "Liberale Demokraten - die Sozialliberalen", "Neue Liberale - Die Sozialliberalen" oder "Piratenpartei Deutschland" auf der anderen Seite kommen wir leider nicht weiter.

Es ist schlimm, daß das Feld der Politik den Feinden der Freiheit überlassen bleibt und diese politisches Kapital aus Vorurteilen, Sorgen und Ängsten schlagen können.

Ohne einen organisierten Liberalismus, dem es auch gelingt, politisch mit einer Stimme zu sprechen, werden die Liberalen keinen Einfluß gewinnen und ohne Einfluß und Macht wird es auch keine Reformen und Änderungen in liberalem Sinne geben.

Ich gebe die Hoffnung nicht auf und bleibe - im Rahmen meiner begrenzten Möglichkeiten - am liberalen Ball ...

Mit freundlichen Grüßen und den besten Wünschen für das bevorstehende Wochenende
Ihr Wolfgang Gerstenhöfer
liberal - freiheitlich und gleichzeitig sozial