FDP-Dreikönigstreffen (E-Mail vom 11.1.2014)

Lieber Herr Lindner,
 
inzwischen habe ich den Text Ihrer Rede erhalten und konnte ihn mit großem Interesse lesen.
 
Ein herzliches Dankeschön an Ihre Mitarbeiter, die mir die Rede am vergangenen Donnerstag unaufgefordert per E-Mail zugeschickt haben. Ein toller Service. Danke.
 
Der Inhalt Ihrer Rede und auch der Stil haben mir gut gefallen. Ich gewinne den Eindruck, daß wir grundsätzlich eine sehr ähnliche Auffassung vom Liberalismus und auch von der inhaltlichen Entwicklung der FDP haben. Das freut mich sehr.
 
Bereits den Einstieg in Ihre Rede mit dem Hinweis auf das aktuelle Buch von Christopher Clark empfand ich als sehr mutig und offensiv. Es wird Zeit, daß 100 Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs die alleinige Schuld Deutschlands an seinem Ausbruch begründet in Frage gestellt wird. Ein Deutscher hätte ein solches Buch sicher nach wie vor nicht schreiben können und dürfen.
 
Auch Ihre Betrachtungen rund um die Europäische Union waren meines Erachtens wohlwollend kritisch. Sie zeugen von Realismus und auch der nötigen Skepsis, ohne populistisch zu werden. Diese Positionierung gilt es im bevorstehenden Wahlkampf sehr deutlich zu machen und auch durch konkrete Anfragen und Anträge im Europäischen Parlament transparent zu belegen. Image folgt Fakten.
 
Daß Sie in Ihrer Rede auf die Rolle von Herrn Genscher rund um die Freilassung von Michail Chodorkowski hingewiesen und ihm dafür Respekt gezollt haben, hat mir ebenfalls sehr gut gefallen. Ein liberaler Staatsmann, der im gleichen Atemzug mit Gustav Stresemann genannt werden kann.
 
Besonders hervorheben möchte ich Ihre Aussagen rund um das Thema Zuwanderung. Das eine tun, ohne das andere zu lassen. Genau das haben Sie nach meiner Überzeugung sehr gut auf den Punkt gebracht. Mißstände klar und deutlich ansprechen, ohne in Verallgemeinerungen und Pauschalierungen zu verfallen. Die Menschen dort abholen, wo sie stehen. Ihre Sorgen und Bedenken ernst nehmen, ohne ihnen nach dem Mund zu reden. Auch diese Position gilt es weiter auszubauen.
 
Ihre Ausführungen zu den Bürgerrechten und zur Privatheit kann ich nur unterstreichen. Bei diesem Thema wäre es sicher auch hilfreich, wenn nun die noch vorhandenen FDP-Landtagsfraktionen über Anträge in Richtung Bundesrat Druck machen und damit etwas für die Glaubwürdigkeit der FDP tun würden.
 
Aus meiner Seele haben Sie mit dem gesprochen, was Sie zum Thema Marktwirtschaft und Haftung gesagt haben. Herzlichen Dank für diese deutlichen Worte. Hier kann und will ich Sie nur auffordern und ermutigen, dies immer wieder und bei jeder sich bietenden Gelegenheit klar zu machen, daß die richtig verstandene und konsequent verwirklichte Marktwirtschaft sozial ist.
 
Sie sollten meiner Meinung nach in einem nächsten Schritt die Idee des Bürgergelds, die Idee einer negativen Einkommensteuer - vielleicht im Zusammenhang mit den Themen Alters- und Kinderarmut in Deutschland - wieder auf die politische Tagesordnung bringen. Denn es darf nun nicht der Eindruck entstehen, daß die FDP die derzeitigen Verhältnisse in unserer Wirtschaft für 100 Prozent marktwirtschaftlich und damit auch sozial hält. Dies wäre kontraproduktiv.
 
Auch mit Ihrem Hinweis auf die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der FDP und den Beispielen, daß die FDP eben auch einer Meinung mit einer Gewerkschaft sein und eine gegenteilige Meinung als ein Wirtschaftsverband vertreten kann, bin ich sehr einverstanden. Daß Sie nun gerade die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie gewählt haben, hat mich persönlich nun nicht sehr gefreut.
 
Ich stehe - und zwar nicht nur weil meine Familie und ich von den Nebenwirkungen des Tagebaus Hambach betroffen sind - sowohl aus ökonomischen als auch aus ökologischen Gründen dem Braunkohletagebau sehr skeptisch und ablehnend gegenüber. Aus meiner Sicht hat dies auch nichts mit Marktwirtschaft ("Eigentum verpflichtet.") zu tun. Keine andere Branche dürfte es sich erlauben, derart zu Lasten der Steuerzahler und der Bürger zu wirtschaften.
 
Für Ihr Versprechen am Ende Ihrer Rede kann und will ich Ihnen und Ihren Mitstreitern nur viel Glück und Erfolg wünschen. Herr Dr. Rösler hat sich seinerzeit mit seiner Aussage, daß die FDP ab heute liefern werde, so aus dem Fenster gelehnt, daß er letztendlich gestürzt ist. Dies hoffe und wünsche ich mir für Sie auf keinen Fall!
 
Gehen Sie diesen Weg konsequent und entschlossen weiter. Denn wir brauchen in Deutschland eine liberale Partei - eine!
 
Mit freundlich-liberalen Grüßen und den besten Wünschen für das Wochenende
Ihr Wolfgang Gerstenhöfer
 
 
Das habe ich noch vergessen:
 
An Ihrer Stelle hätte ich den Text der Rede auch zeitnah über den Presseservice der Liberalen verteilen lassen.
 
Meine Empfehlung für die Zukunft:
 
Solche Reden - auch von Ihrer Generalsekretärin - sollten, möglichst unmittelbar nachdem sie gehalten wurden, ins Internet eingestellt und über den Presseservice der Liberalen quasi als Pressemitteilung verschickt werden.
 
Vielleicht "verirren" Sie sich im Rahmen des Kommunalwahlkampfs mal in den Rhein-Erft-Kreis und vielleicht sogar mal nach Elsdorf. Ich würde mich freuen - die FDP Elsdorf wahrscheinlich auch.
 
Nichts für ungut, beste Grüße und danke für Ihre prompte Reaktion!
Ihr W.G.
 
----- Original Message -----
Sent: Saturday, January 11, 2014 10:53 AM
Subject: Re: Ihre Rede anläßlich des Dreikönigstreffens
 
Haben Sie herzlichen Dank! Das freut mich sehr. Schönes Wochenende und beste Grüße, Ihr Christian Lindner

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Christian Lindner MdL 
 
Bundesvorsitzender der FDP