"Ist die FDP zurück? Ist sie wieder wer? Spielt sie wieder mit?" (2.11.2015)

http://www.welt.de/print/wams/politik/article148287382/Man-ist-wieder-wer.html


Die FDP sei zurück. Das behauptet Thorsten Jungholt in einem Artikel für die Welt am Sonntag vom 1. November 2015. Und der Demoskop Richard Hilmer, langjähriger Geschäftsführer von Infratest dimap, meint, daß die FDP wieder ein "politischer Mitspieler" sei.


Liberale Köpfe aus Industrie, Mittelstand und Bürgerrechtsbewegung sammelten sich in der Partei. Im Durchschnitt der sieben großen Institute rangierten die Freien Demokraten derzeit bundesweit bei 5,1 Prozent.


Das Wählerpotential einer Liberalen Partei Deutschland(s) soll angeblich zwischen 20 und 30 Prozent liegen. Davon ist die FDP, von der seit dem 6. Januar 2015 gar nicht klar ist, ob sie sich denn überhaupt noch als Partei der Liberalen sieht, nach wie vor weit entfernt.


Sie hatte sich nach fast 40 Jahren von dem Zusatz "Die Liberalen" verabschiedet; behauptet aber in ihrer aktuellen Bundessatzung vom 10. Mai 2014, daß sie die liberale Partei in Deutschland sei.


Daher habe ich den Eindruck, daß die Zitterpartie der FDP zurück ist; aber die Liberale Partei Deutschland(s), die wir so dringend brauchen und auch von vielen Wählern schmerzlich vermißt wird, auch von Menschen, die gar nicht liberal sind und diese Partei auch nicht wählen würden, immer noch fehlt.


Können die Herren Jürgen Hambrecht, früher Vorstands-, heute Aufsichtsratsvorsitzender der BASF und Mitglied in den Aufsichtsräten von Unternehmen wie Daimler, Lufthansa, Trumpf, Fuchs Petrolub oder Aldi Süd, Hans Peter Stihl, Seniorchef des Motorsägen-Weltmarktführers Stihl, Michael Rogowski, der ehemalige Präsident des Bundes der Deutschen Industrie, und Hans Georg Näder, Chef der Otto-Bock-Firmengruppe, dieses Wählerpotential ansprechen?


Stehen Sie wirklich für die liberale und damit soziale Marktwirtschaft im Sinne des Ordo- bzw. des Neoliberalismus, im Sinne der Freiburger Schule der Nationalökonomie, wie sie der liberale Bundeswirtschaftsminister Prof. Dr. Ludwig Erhard ab 1949 in der Bundesrepublik Deutschland einführen wollte?


Oder stehen Sie nicht eher für die Form des Kapitalismus, die wir inzwischen "Soziale Marktwirtschaft" nennen, fälschlich auch von Gegnern der Marktwirtschaft gern mit Neoliberalismus betitel und auch schon mal Raubtier-, Heuschrecken-, Turbo-, Kasino- oder Manchester-Kapitalismus genannt wird?


Vielleicht irre ich mich. Es kommt aber letztendlich immer darauf an, welche Botschaften, welche Signale man sendet. Die genannten Herren mögen liberal sein - und das nicht nur im Bereich der Wirtschaftspolitik, aber sie stützen eher das Bild der FDP als Klientelpartei der Wirtschaft, der Unternehmer, der Arbeitgeber und zwar auf Kosten und zu Lasten der Arbeitnehmer und auch des Mittelstands.


Das erinnert an die "Mövenpick-Partei". Auch ich war und bin der Ansicht, daß die FDP diese Bezeichnung völlig zu Unrecht erhalten hat. Das ist aber gleichgültig. Denn nicht das Selbstbild zählt, sondern das Fremdbild, die Wahrnehmung von außen.


Ob zwei frühere Bundesvorsitzende der Piratenpartei, Sebastian Nerz (2011/12) und Bernd Schlömer (2012/13), die Liberalen Gerhart Rudolf Baum, Burkhard Hirsch und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die ich übrigens gern als Nachfolgerin von Guido Westerwelle gesehen hätte, gegen den Wirtschaftsflügel der Partei unterstützen und diese vielleicht beerben können, bleibt eine offen Frage.


Gerade die Verbindung von Marktwirtschaft und Bürgerrechten mache die FDP aus. Falls das so ist und man mit Marktwirtschaft tatsächlich eine funktionierende Wettbewerbswirtschaft meint, in deren Mittelpunkt der Kunde und ein nachhaltiges Wirtschaften und nicht Konzerne, "Unternehmen ohne Unternehmer" und bloße Gewinnmaximierung stehen, dann darf es nicht bei der bisherigen Positionierung der "neuen" FDP bleiben. Denn das Image folgt den Fakten.


Auch ich bin davon überzeugt, daß die Liberale Partei Deutschland(s) sich dadurch auszeichnet, daß sie für die größtmögliche Freiheit aller Menschen - unabhängig von sozialer Herkunft, Einkommen und Vermögen - steht und zwar auf allen Politikfeldern und in allen Lebensbereichen.


Es gibt für mich keine "guten" und "schlechten" Freiheiten. Freiheit und damit auch der Liberalismus sind unteilbar. Politische und wirtschaftliche Freiheiten sind zwei Seiten derselben Medaille. Der freiheitliche und demokratische Verfassungs- und Rechtsstaat und die liberale und damit soziale Marktwirtschaft gehören zusammen.


Dies ergibt sich meiner Meinung nach aus den liberalen Grundwerten Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit und dem liberalen Grundsatz des Kategorischen Imperativs bzw. der Goldenen Regel.


In der Abwägung zwischen den drei Grundwerten steht für Liberale die größtmögliche Freiheit jedes Einzelnen, der Vorrang der Person vor der Institution („Subjekt- statt Objektförderung“) an erster Stelle.


Gleichheit im Sinne von Rechts- und Chancengleichheit und Brüderlichkeit im Sinne von Solidarität und Subsidiarität sind für den Liberalismus Mittel, um Freiheit jedes einzelnen Menschen auf allen Feldern menschlichen Handelns zu verwirklichen.


Denn was nutzen alle liberalen Freiheiten, Menschen- und Bürgerrechte, wenn man Angst um seine wirtschaftliche Existenz, vor materieller Not haben muß? Daher lehnen Liberale nach meinem Verständnis zwar das "Volksheim" und den Wohlfahrtsstaat ebenso wie den Nachtwächterstaat entschieden ab, engagieren sich aber für einen liberalen Sozialstaat.


Dieser freiheitliche und gleichzeitig soziale Staat sorgt zwar nicht selbst quasi bevormundend für die soziale Sicherheit seiner Bürger (z. B. durch Zwangssysteme wie die sogenannte Bürgerversicherung), läßt seine Bürger aber auch nicht im Regen stehen und stellt daher sicher, daß jeder für seine soziale Sicherheit vorsorgen kann - z. B. mit Hilfe des Konzepts der negativen Einkommensteuer, des liberalen Bürgergelds.


Das hat weder etwas mit einer Umverteilung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse noch mit der Idee der sozialen Gerechtigkeit im Sinne von Ergebnisgleichheit und Gleichmacherei zu tun, auch nichts mit Besitzstandswahrung oder Versorgungsmentalität.


Es gibt noch viel zu tun - packen wir´s an! Wir brauchen kein Projekt "Rettet die FDP", sondern ein Projekt "Liberale Partei Deutschland(s)" im Interesse unserer Grundrechte und einer freiheitlichen Wirtschafts- und Sozialordnung, für Individualismus, Unabhängigkeit und Hilfe zur Selbsthilfe und gegen Kollektivismus, Etatismus und Paternalismus.


Für mich war, ist und bleibt der Liberalismus als die Weltanschauung der Freiheit positiv besetzt. Liberal bedeutet freiheitlich, libertär und gleichzeitig sozial und human. Dafür müssen Liberale werben und sich engagieren - auch die Liberalen in der FDP.


"Der Liberalismus ist zurück." ist der Titel eines Artikels, den ich gern lesen möchte. Wir benötigen einen im Wortsinne radikalen und ganzheitlichen Liberalismus - keine Bindestrich-Liberalismen - und auch eine Partei, die sich offensiv und konsequent zu ihm bekennt, und endlich allen liberalen Strömungen eine politische Heimat gibt.


Die Freie Demokratische Partei, die dies bei ihrer Gründung im Jahr 1948 sein und werden wollte, hat immer noch die Chance, diese Partei zu werden - gerade mit Blick auf die Entwicklung der Piratenpartei Deutschland, aber auch auf die der Partei "Alternative für Deutschland".


Daher mein Appell an Christian Lindner und seine Führungsmannschaft: Machen Sie aus den Freien Demokraten (wieder) Liberale und aus der FDP endlich die Liberale Partei Deutschland(s). Geben Sie den Liberalen ein Zuhause und dem Liberalismus eine Zukunft - für Deutschland und seine Bürger.


Wir Liberalen können das schaffen; wir müssen nur wollen!