Vorschlag für eine Positionierung zum Thema Krankenversicherung bzw. Finanzierung unseres Gesundheitswesens
Krankenversicherung der Zukunft
Für mich ist der Sozialstaat ein Staat, der nicht selbst quasi bevormundend für die soziale Sicherheit seiner Bürger sorgt (Zwangssystem wie z. B. die so genannte Bürgerversicherung), sondern sicherstellen muss, dass jeder für seine soziale Sicherheit vorsorgen kann (z. B. mithilfe des bedingungslosen Grundeinkommens).
Ich setze mich deshalb zum einen dafür ein, dass jeder eine möglichst große Wahlfreiheit hat, beim wem und wofür er sich versichern möchte, und zum anderen für eine Finanzierung, die möglichst zukunftssicher, also weitgehend unabhängig von der Bevölkerungs- und auch von der persönlichen Einkommensentwicklung ist.
Es geht darum, das Krankenversicherungssystem endlich an die demografische Entwicklung unserer Gesellschaft anzupassen und für die Zukunft nachhaltig und damit generationengerecht finanzierbar zu machen und gleichzeitig die ebenfalls nicht mehr zeitgemäße Trennung von gesetzlicher und damit quasi-staatlicher Krankenversicherung (GKV) und privater Krankenversicherung (PKV) aufzuheben.
Ich stehe für eine Gesundheitsreform, die zu einer generationengerechten, möglichst zukunftssicheren und bezahlbaren Krankenversicherung führt, die größtmögliche Wahlfreiheit mit der medizinisch notwendigen Vorsorge, Untersuchung und Behandlung verbindet und zu angemessenen Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen führt.
Kern der Reform ist die Umstellung des Finanzierungssystems vom nicht mehr dem Bevölkerungsaufbau (Pilz statt Pyramide) entsprechenden Umlage- auf das versicherungsmathematische Kapitaldeckungsverfahren und gleichzeitig die Verlagerung des Sozialausgleichs in das Steuersystem und damit auf eine wesentlich breitere Basis (alle Bürger und Unternehmen), ohne den Menschen eine Einheitsversicherung oder überhaupt einen bestimmten Versicherungsschutz über eine Grundversorgung hinaus aufzuzwingen.
Die Versicherungspflicht in der Krankenversicherung wird zugunsten einer Pflicht zur Versicherung ersetzt – analog der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung. Demnach muss jeder einen gesetzlich definierten Basisversicherungsschutz bei einem Träger der Krankenversicherung abschließen. Dessen Leistungen orientieren sich an dem derzeitigen Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Alternativ besteht die Möglichkeit, Tarife zu wählen, die zusätzliche, höhere oder umfangreichere Leistungen, Beitragsrückerstattungen oder auch gar keine, geringere oder andersartige Selbstbeteiligungen/Zuzahlungen vorsehen.
Der Basisversicherungsschutz bzw. -tarif steht jedem offen. Bei den anderen Tarifen kann eine Risikoprüfung vorgesehen werden, die zu einer Annahme, einer Annahme mit einem Risikozuschlag oder einem Leistungsausschluss und auch zu einer Ablehnung des Antrags führen kann.
Das Angebot der Träger der Krankenversicherung soll so aussehen, dass es zwingend eine Basis-Krankheitskostenvollversicherung (Basistarif) gibt und darüber hinaus – aber das bestimmt letztendlich der Wettbewerb – verschiedene Krankheitskostenvollversicherungstarife z. B. auch nach wie vor für Beihilfeberechtigte.
Dieser Versicherungsschutz ist vertraglich garantiert und kann nicht – wie heute in der gesetzlichen Krankenversicherung möglich und üblich – jederzeit durch den Gesetzgeber einseitig verändert und in den meisten Fällen bei steigenden Beiträgen – durch Erhöhung der Beitragssätze und der Beitragsbemessungsgrenze – gekürzt werden.
Ob es Zusatz- oder Ergänzungstarife – wie wir sie heute in der privaten Krankenversicherung kennen – dann überhaupt noch geben wird, wird sich zeigen (Wettbewerb).
Für den Basistarif gilt ein Kontrahierungs-, also ein Annahmezwang, dennoch findet eine Risikoprüfung statt – dies gilt auch für Umwandlungen in den Basistarif. Eine Ablehnung des Antrags ist aber nicht zulässig. Notwendige Risikozuschläge sind für einen branchenweiten finanziellen Spitzenausgleich „fiktiv“ zu ermitteln.
Während der Vertragsdauer nach dem Basistarif darf dieser Beitragszuschlag nicht verlangt werden. Bei einer Umstellung aus dem Basistarif in einen anderen Tarif wird für etwaige Mehrleistungen eine Risikoprüfung durchgeführt sowie der bei Vertragsabschluss ermittelte Beitragszuschlag erhoben.
Diese Risikozuschläge (versicherungsmedizinische Beitragszuschläge) können von den Trägern der Krankenversicherung nicht willkürlich festgelegt und erhoben werden. Ihre Höhe muss versicherungsmedizinisch, also mit der Höhe der voraussichtlich entstehenden Kosten begründet, und versicherungsmathematisch berechnet und von einer Aufsichtsbehörde genehmigt werden.
Der Spitzenausgleich ist notwendig, um eine ungleiche Verteilung der Risiken auf die einzelnen Träger der Krankenversicherung auszugleichen. Nur ein solcher Ausgleich macht einen Annahmezwang gegenüber der jeweiligen Versichertengemeinschaft vertretbar. Hierbei wird die unterschiedliche Versicherten- und Krankheitsstruktur berücksichtigt. Träger der Krankenversicherung mit älteren und kränkeren Versicherten erhalten über den Spitzenausgleich mehr Mittel als Träger mit einer Vielzahl an jungen und gesunden Versicherten.
Die Beiträge für den Basistarif werden weitgehend identisch sein, da die Leistungen gesetzlich für alle gleich festgelegt werden. Leichte Unterschiede kann (und sollte) es wegen der einzukalkulierenden Verwaltungskosten geben. Diese sind richtig und wichtig, um einen Anreiz zu einem wirtschaftlichen und kostenbewussten Umgang mit den Geldern der Versicherten/Kunden zu gewährleisten.
Die Beiträge sowohl des Basistarifs als auch aller anderen Tarife werden nach versicherungsmathematischen Grundsätzen kalkuliert. Sie sehen die Bildung von Alterungsrückstellungen vor, die dazu dienen, die mit zunehmendem Alter steigenden Krankheitskosten auszugleichen. Beitragserhöhungen oder -senkungen müssen – allerdings höchstens einmal pro Jahr – vorgenommen werden, wenn die kalkulierten von den tatsächlichen Versicherungsleistungen abweichen.
Dabei gibt es einen gesetzlich festgelegten Ermessensspielraum für den einzelnen Träger der Krankenversicherung. Dieser ermöglicht es, auf Beitragserhöhungen ganz oder teilweise zu verzichten, wenn mittels einer guten Kapitalanlage (Alterungsrückstellung) oder einer sparsamen Verwaltung zusätzliche Mittel vorhanden sind.
Für die Kalkulation der Beiträge gilt das Äquivalenzprinzip, also die Gleichwertigkeit zwischen Leistung und Beitrag. Jeder Versicherte zahlt soviel, wie er voraussichtlich an Leistungen in Anspruch nehmen wird. Der Beitrag setzt sich aus mehreren „Einzelposten“ zusammen.
Der Risikobeitrag wird gebraucht, um das versicherte Risiko, nämlich Krankheitskosten, abzudecken. Der Vorsorgebeitrag wird in der so genannten Alterungsrückstellung für die Versichertengemeinschaft gesammelt und verzinslich angelegt. Diese Rückstellung wird aufgebaut, um die erfahrungsgemäß mit zunehmendem Alter steigenden Ausgaben für die Gesundheit abzudecken. Der Kostenbeitrag finanziert den allgemeinen Geschäftsbetrieb des Trägers der Krankenversicherung.
Ausgeglichen werden die im Zeitablauf steigenden Krankheitskosten durch die Alterungsrückstellung. Während also im Laufe der Jahre der Anteil des Risikobeitrags immer mehr steigt, nimmt der Anteil des Vorsorgebeitrags am Gesamtbeitrag immer mehr ab. Gebe es nicht noch einige Rahmenbedingungen (Preissteigerungen, neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, stärkere Inanspruchnahme von Leistungen), würde der Beitrag also über die gesamte Dauer des Vertrags gleich bleiben (Grundsatz der Beitragskonstanz). Beitragssteigerungen aufgrund steigender Verwaltungskosten sind in diesem Finanzierungssystem ausgeschlossen.
Über Transferleistungen (z. B. einem Bürgergeld, einer negativen Einkommensteuer oder einem bedingungslosen Grundeinkommen) wird sichergestellt, dass sich jeder mindestens den Basistarif leisten kann. Damit hat jeder Anspruch auf alle medizinisch notwendigen Untersuchungen und Behandlungen.
Träger der Krankenversicherung sind die bisherigen Krankenkassen nicht mehr als Körperschaften des öffentlichen Rechts, sondern als Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit und die bisherigen privaten Krankenversicherer entweder als Aktiengesellschaften oder ebenfalls als Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit. Für alle Träger gelten die gleichen Rechtsvorschriften und Rahmenbedingungen z. B. im Unternehmens-, Steuer-, Wettbewerbs- und Tarifrecht.
Einen funktionierenden und konstruktiven Wettbewerb halte ich für äußerst wichtig, da nur Wettbewerb, also die Möglichkeit des Kunden den Anbieter wechseln zu können, für Service, Kundenorientierung, Produktinnovationen und möglichst niedrige Verwaltungskosten sorgt.
Dies ist auch ein Grund für die Forderung, keine Unterscheidung mehr zwischen gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenversicherern vorzunehmen, sondern für alle gleiche Rahmenbedingungen zu schaffen.
Deshalb auch die Umwandlung der Krankenkassen von Körperschaften des öffentlichen Rechts zu Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit. Versicherungsvereine, weil diese Unternehmensform – ähnlich wie es heute bei den Krankenkassen der Fall ist – eine Mitwirkung der Mitglieder/Kunden quasi als Eigentümer des Versicherungsvereins vorsieht und dies auch die ursprüngliche privatwirtschaftliche Rechtsform zumindest der früheren Ersatzkassen (z. B. BEK, DAK) war.
Ein anderer, vielleicht noch wichtigerer Grund liegt darin, dass es unfair ist, Menschen aufgrund eines geringeren Einkommens eine Krankheitskostenvollversicherung über dem Niveau der Grundversorgung zu verweigern.
Deshalb trete ich auch nicht für einen steuerfinanzierten Zuschuss an die Träger der Krankenversicherung (Stichwort Gesundheitsfonds) ein, sondern nach dem Prinzip „Subjekt- statt Objektförderung“ für einen Zuschuss über den steuerlichen Grundfreibetrag bzw. das staatlich garantierte Mindesteinkommen (z. B. bedingungsloses Grundeinkommen).
Denn dann hat jeder, selbst die Möglichkeit zu entscheiden, welchen Anteil seines Einkommens er für seine Krankenversicherung aufbringen kann und will. Warum soll man jemanden, der zwar ein niedriges oder auch „nur“ das Mindesteinkommen hat, das Recht nehmen, auf anderes zugunsten einer Krankheitskostenvollversicherung über dem Niveau des Basistarifs zu verzichten? Auch das entspricht meiner Freiheits- und Selbstbestimmungsidee.
Auch auf der Leistungsseite bzw. der Seite der Erbringer medizinischer Leistungen setze ich zum einen auf Wettbewerb – mit einer starken staatlichen Rechts- und Fachaufsicht – und auf Vereinbarungen zwischen den Erbringern medizinischer Leistungen und den Trägern der Krankenversicherung.
So soll es Gebührenordnungen geben, die primär ein Ergebnis von Verhandlungen zwischen den Verbänden der jeweiligen Erbringer medizinischer Leistungen und der Träger der Krankenversicherung bzw. der Versicherten/Patienten sind, mit Öffnungsklauseln, die Vereinbarungen zwischen einem, mehreren oder auch allen Trägern der Krankenversicherung und Erbringern medizinischer Leistungen zugunsten ihrer Kunden/Versicherten vorsehen.
Die Träger der Krankenversicherung bekommen damit Möglichkeiten für eine wirtschaftliche und hochwertige Versorgung ihrer Versicherten/Kunden an die Hand gegeben. Sie können zum Beispiel mit Arzneimittelherstellern Rabattverträge abschließen, Hilfsmittel günstiger einkaufen oder mit Heilmittelerbringern verhandeln. Sie können Verträge mit besonders qualifizierten Ärzten schließen oder mit Krankenhäusern die ambulante Behandlung für schwer kranke Versicherte vereinbaren. Das sind nur einige Beispiele.
Solche Verträge sollten insofern auch im Interesse der Leistungserbringer liegen, als sie damit ihren Kundenstamm erweitern oder besser an sich binden können.
Die Aufsicht über die Träger der Krankenversicherung, ihre Tarife, die notwendige Anpassung von Beiträgen an sich verändernde Versicherungsleistungen und ihren Geschäftsbetrieb soll aufgrund der existentiellen Bedeutung der Krankenversicherung (wieder) bei einer staatlichen Aufsichtsbehörde im Zuständigkeitsbereich des Bundesministers für Gesundheit (bisher ist für die private Krankenversicherung das Bundesministerium der Finanzen zuständig) liegen und nicht nur – wie zurzeit in der privaten Krankenversicherung – bei „unabhängigen Treuhändern“.
Diese Behörde soll auch das Thema „medizinische Notwendigkeit“ im Blick haben, um einem Wettbewerb zu Lasten der medizinischen Qualität und damit der Patienten vorzubeugen.
Zu diesem Zweck werden die für die Krankenversicherung zuständigen Bereiche des heutigen Bundesversicherungsamts und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zusammen geführt.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), der heute verbindlich nur für die gesetzliche Krankenversicherung zuständig ist, besteht auf Leistungserbringerseite heute nur aus Ärzte-, Zahnärzte- und Krankenhausvertretern und entscheidet über die Erstattungsfähigkeit.
Dieser Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) wird durch ein Gremium ersetzt, in dem zum einen die verschiedenen Berufsgruppen auf der Seite der Erbringer medizinischer Leistungen (nicht nur Ärzte-, Zahnärzte- und Krankenhausvertreter) und zum anderen die Träger der Krankenversicherung, aber auch die Versicherten/Kunden sowohl als Patienten als auch als Beitragszahler vertreten sind.
Er repräsentiert damit alle Leistungserbringer, trifft allgemeinverbindliche Festlegungen über die medizinische Notwendigkeit und ist damit für die Qualität der medizinischen Versorgung verantwortlich. Erstattet wird künftig nicht nur das, was wirtschaftlich, ausreichend, notwendig und zweckmäßig ist, sondern alles, was medizinisch notwendig ist. Unterstützt wird er dabei durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen.
Die Leitlinienmedizin und eine ganzheitliche Medizin sollen ebenfalls durch dieses Gremium gefordert und gefördert werden. Wenn Patienten frühzeitig richtig behandelt werden und es eine bessere Abstimmung zwischen den an der Therapie Beteiligten gibt, kann sehr viel Geld gespart werden. Ärzte müssten pro Tag durchschnittlich 17 Studien lesen, um immer auf dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft zu sein. Das schafft niemand. Deshalb befürworte ich den Ausbau der Evidenzbasierten Medizin.
Die Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen würden aufgrund dieser Reform überflüssig. Über Sinn, Zweck und Nutzen der Ärzte- und Zahnärztekammern einerseits und der verschiedenen Berufsverbände andererseits soll gesondert diskutiert und entschieden werden."
„Begründung“
Ziel meiner Krankenversicherungsreform ist es, das Krankenversicherungssystem endlich an die demografische Entwicklung (immer weniger junge und gesunde Erwerbstätige und immer mehr ältere und kranke Rentner) unserer Gesellschaft anzupassen und für die Zukunft nachhaltig und damit generationengerecht finanzierbar zu machen (Kapitaldeckungs- statt Umlageverfahren) und gleichzeitig die ebenfalls nicht mehr zeitgemäße Trennung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung und von Pflicht- und freiwilligen Versicherten aufgrund von Einkommensunterschieden aufzuheben.
Der Solidarausgleich findet – wie es sich für eine Krankenversicherung gehört – zwischen Gesunden und Kranken statt. Der Ausgleich zwischen arm und reich muss über das Steuersystem und mögliche Transferleistungen (negative Einkommensteuer, Bürgergeld, bedingungsloses Grundeinkommen oder ...) sichergestellt werden.
Das ist auch gerechter, weil es tatsächlich alle Bürger – und auch die Unternehmen – erfasst und die Last so auf wesentlich mehr und belastbarere Schultern verteilt werden kann, ohne sie in eine Einheitskrankenversicherung zu zwingen.
Der Vorteil gegenüber der heutigen Finanzierung liegt darin, dass man einerseits von der Bevölkerungsentwicklung deutlich unabhängiger wird und jede Generation selbst für sich vorsorgt und nicht zu Lasten ihrer Kinder und Enkel lebt und andererseits über das Steuersystem trotzdem das soziale Element der Umlage auf die gesamte Gemeinschaft erhalten bleibt, ohne in Zukunft überstrapaziert zu werden.
Die Gemeinschaft der Bürger, der Staat, würde also dafür sorgen, dass sich jeder gegen das finanzielle Risiko, krank zu werden, versichern kann und auch tatsächlich versichert; er würde jedoch niemanden bevormunden und einen bestimmten, häufig sogar bei geringeren Leistungen teureren Versicherungsschutz aufzwingen.
Ein vergangenheitsorientiertes System wie die gesetzliche Krankenversicherung mit ihrem Umlageverfahren wird nicht dadurch gut oder besser bzw. generationengerecht und zukunftssicherer, wenn man es zwangsweise auf noch mehr Menschen ausdehnt. Einmal ganz abgesehen davon, dass man hier auch an verfassungsrechtliche Grenzen stößt – sowohl mit Blick auf die Ausdehnung auf immer mehr Menschen als auch auf die Höhe des Beitrags für gleiche Leistungen.
Sowohl die privaten Krankenversicherer als auch die Privatversicherten stehen unter dem Schutz des Grundgesetzes. Berührt sind hier mindestens die Grundrechte auf Eigentum, auf Berufsfreiheit und auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit, möglicherweise auch das Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit.
Auch und gerade die private Krankenversicherung braucht als Versicherung immer wieder neue Kunden, denn ohne eine ständige Ergänzung der Versichertengemeinschaft um junge und gesunde Menschen wird sie unbezahlbar. Dank der Vorsorge durch die Alterungsrückstellung ist das Problem zwar nicht so dramatisch wie beim Umlageverfahren der gesetzlichen Krankenversicherung, aber selbstverständlich bedarf jede Versicherung – und nur das macht sie zu einer Versicherung – des Risikoausgleichs.
Das Versicherungsprinzip lebt davon, dass immer wieder neue Versicherte in die Versichertengemeinschaft kommen, ohne bereits Leistungen zu beanspruchen. Anderenfalls zahlt jeder Versicherte irgendwann alle seine Leistungen selbst. Dann braucht man keine Versicherung mehr. (Versicherungsbegriff nach Farny: Versicherung ist die Deckung, eines im Einzelnen ungewissen, insgesamt schätzbaren Geldbedarfs, auf der Grundlage eines Risikoausgleichs im Kollektiv und in der Zeit.)
Da die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung schon lange überwiegend nicht mehr einkommensabhängig sind (nur noch das Krankengeld), ist es auch nicht mehr gerechtfertigt, dass die Beiträge einkommensabhängig erhoben werden. Begonnen hat die gesetzliche Krankenversicherung als reine Krankengeld-, als reine Verdienstausfallversicherung, da war ein einkommensabhängiger Beitrag durchaus logisch und konsequent. Das ist aber schon sehr lange her.
Eine Krankenversicherung mit dem Kapitaldeckungsverfahren in Kombination mit dem Sozialausgleich über das Steuersystem (und nur dort spielt das Einkommen, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eine Rolle), die eine Unterteilung in Kassen- und Privatpatienten nicht mehr kennt, kann die bestehende Situation nur verbessern.
Denn mit Blick auf die aktuelle Finanz- und Schuldenkrise mag es zwar sein, dass es keine Nettoverzinsung von neun und mehr Prozent mehr gibt, aber dass gar keine Zinsen irgendwo auf der Welt mehr zu erwirtschaften sind, ist äußerst unwahrscheinlich. Das ist – bei aller berechtigten Kritik – ein Vorteil der Globalisierung.
Gleiche Rahmenbedingungen für die Träger der Krankenversicherung sorgen für einen Leistungswettbewerb, der sich positiv auf den Service, die Kundenorientierung, die beitragsrelevanten Verwaltungskosten und die alternativen Tarife (Leistungen und Beiträge) auswirken wird.
Ebenso sorgen der Wettbewerb unter den Trägern der Krankenversicherung zum einen und unter den Erbringern medizinischer Leistungen um Kunden bzw. Patienten zum anderen in Verbindung mit der Möglichkeit, z. B. Preise auszuhandeln, für marktgerechte Honorare und Gebühren. Die zuständige Aufsichtsbehörde achtet in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Verbänden auf das Einhalten von Mindeststandards, damit dieser Wettbewerb zugunsten der Kunden als Beitragszahler nicht zu ihren Lasten als Patienten geht.
Ich halte Vielfalt, Wettbewerb und Teilhabe aufgrund gleicher Spielregeln für alle Beteiligten für ganz wichtige Mittel, um ein System, auch das System Gesundheit nicht erstarren zu lassen, um Qualität bei Medizin und Service zu fördern, Kosten, Preise und Beiträge im Blick zu behalten und die Interessen der Versicherten als Patienten und Beitrags- bzw. Steuerzahler und der im Gesundheitswesen Beschäftigten zu wahren. Monopole und Kartelle, egal ob staatlich oder privat „organisiert“, sehe ich skeptisch.
Ich wünsche mir deshalb in unserem Gesundheitswesen mehr Markt und weniger Staat. Dabei bedeutet Markt nicht das freie Spiel der Kräfte, nicht Willkür, die Macht des Stärkeren und Ellbogengesellschaft. Die soziale Marktwirtschaft ist aus sich heraus dank und mit Hilfe eines starken Staates, der die „Spielregeln“ für alle Marktteilnehmer festlegt und für die nötige Transparenz und einen konstruktiven Wettbewerb und für die Einhaltung der Regeln sorgt, sozial und auch ökologisch und ermöglicht „Wohlstand für alle“ bei größtmöglicher Freiheit.
Ich will die Kosten im Gesundheitswesen in Grenzen halten durch Vereinbarungen zwischen den Beteiligten, Erbringer medizinischer Leistungen einerseits und Kostenträger und Patienten andererseits, einen Ausbau der so genannten Leitlinienmedizin (Evidenzbasierte Medizin/EbM) und eine ganzheitliche Medizin, die auf Zusammenarbeit setzt und den Menschen nicht nach Zuständigkeiten der Gesundheitsberufe, Fachrichtungen, ambulant und stationär, in Körperteile, Organe und Psyche aufteilt.
Hinzu kommen Kostentransparenz für die Versicherten/Patienten durch Rechnungen und Kostenerstattung statt Sachleistung, individuell wählbare, in der Höhe begrenzte und damit überschaubare Selbstbeteiligungen, mit denen die private Krankenversicherung seit Jahrzehnten sehr gute Erfahrungen macht, die auch versicherungsmathematisch kalkulierbar sind, und Beitragsrückerstattungen, ebenfalls ein in der privaten Krankenversicherung seit langer Zeit erfolgreiches Instrument.
Ärzte und auch alle anderen Angehörigen von Gesundheitsberufen müssen angemessen bezahlt werden und vor allem müssen sie wissen, was sie an einer erbrachten Dienstleistung verdienen. Es kann nicht sein, dass sie zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht wissen, ob und ggf. was ihre Arbeit wert ist. Und Rationierung ist schon gar nicht ihre Aufgabe.
Deshalb sollen für alle Patienten die gleichen Gebührenordnungen gelten – mit Öffnungsklauseln für Vereinbarungen (siehe oben) – und soll es ein Gremium geben, in dem auf der einen Seite die Erbringer medizinischer Leistungen (nicht nur Ärzte) und auf der anderen Seite die Kostenträger und Patienten vertreten sind und das über die medizinische Notwendigkeit von Untersuchungen, Behandlungen, Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln grundsätzlich entscheidet.
Ergänzend noch ein paar Hintergrundinformationen
Die Bürgerversicherung (ein Euphemismus) würde an einem Krankenversicherungssystem festhalten, dessen Finanzierung auf dem Umlageverfahren beruht. Dieses Umlageverfahren der 1880er Jahre (Reichskanzler Otto von Bismarck), das für den damals sehr kleinen Kreis der Versicherten und angesichts des damaligen Bevölkerungsaufbaus durchaus seine Berechtigung hatte, ist schon lange nicht mehr geeignet, die Folgen der aktuellen demografischen Entwicklung zu bewältigen.
Fakt ist, dass das Umlageverfahren die demografischen Realitäten des 19. Jahrhunderts spiegelt – einer Zeit starken Bevölkerungswachstums, geringer Lebenserwartung und einfacher medizinischer Versorgung. Viele junge Beitragszahler, die gar keine oder nur geringe Leistungen in Anspruch nahmen, trugen die Kosten, die überwiegend von einer relativ kleinen Gruppe älterer Versicherter verursacht wurden.
Heute im 21. Jahrhundert sehen die Rahmenbedingungen in Deutschland ganz anders aus. Die Leistungsausgaben für immer mehr ältere Menschen müssen von immer weniger jungen Beitragszahlern bezahlt werden – und das für immer längere Zeitspannen, weil die Menschen immer älter werden. Aus der Bevölkerungspyramide wird aufgrund des Geburtenrückgangs und der steigenden Lebenserwartung mehr und mehr ein Bevölkerungspilz. Hinzu kommt, dass der medizinische Fortschritt seinen Preis hat.
Mit der beschönigend Bürgerversicherung genannten Einheitsversicherung würde dieses Modell, das quasi von der Hand in den Mund lebt, auf alle Menschen ausgedehnt und damit jeder Anreiz, Leistungen und Service zu verbessern und Kosten zu sparen, im Keim erstickt werden. Dies bedeutet: Rationierung für alle!
Ein Modell, bei dem es einen Beitrag gibt, der sich nach den versicherten Leistungen und dem Gesundheitsrisiko der versicherten Person richtet, und bei dem jeder aufgrund des Kapital- bzw. Anwartschaftsdeckungsverfahrens selbst Vorsorge für das höhere Krankheitsrisiko im Alter trifft, kann nicht nur besser mit den Folgen der demografischen Entwicklung fertig werden, sondern ist auch das gerechtere System. Man zahlt einen risikogerechten Beitrag, der – soweit notwendig – an steigende Versicherungsleistungen angepasst wird und damit den medizinischen Fortschritt mit abdeckt.
Der Beitrag ist letztendlich der Preis für die Versicherungsleistungen, für die Erstattung der Behandlungskosten. Warum soll sich dieser Preis nach dem Einkommen richten? Dann müsste man konsequenterweise auch die Preise für andere Waren und Dienstleistungen einkommensabhängig gestalten. Denn wenn man dieser Logik folgt, dann muss es auch ungerecht sein, dass der Bankdirektor und die Kassiererin für Brot, Wurst und Käse den gleichen Preis bezahlen.
Außerdem kann der Bankdirektor bei einem einkommensabhängigen Beitrag seine Frau und seine Kinder beitragsfrei zu Lasten der Beitrag zahlenden Kassiererin versichern. Auch das halte ich nicht für gerecht.
Der Solidar- bzw. Risikoausgleich findet – wie es sich für eine Krankenversicherung gehört – zwischen Gesunden und Kranken statt. Der Ausgleich zwischen arm und reich gehört nicht in die Krankenversicherung, sondern muss über das Steuersystem und mögliche Transferleistungen (negative Einkommensteuer, Bürgergeld, bedingungsloses Grundeinkommen oder ...) sichergestellt werden.
Denn das Steuersystem dient dazu, für den notwendigen sozialen Ausgleich zu sorgen. Das wäre auch gerechter, weil es tatsächlich alle Bürger (und Unternehmen) erfasst und die Last so auf wesentlich mehr und belastbarere Schultern verteilt werden kann. Außerdem braucht man dafür keine zusätzliche Bürokratie.
Noch ein kleiner Exkurs zum Thema einkommensabhängige Beiträge: Die Beiträge waren bzw. sind in der GKV deshalb einkommensabhängig, weil sie ursprünglich keine Krankheitskosten-, sondern eine reine Krankengeldversicherung war. Die Leistung bestand also nicht in der Übernahme von Kosten, sondern im Ausgleich des Verdienstausfalls. Es war also damals nur folgerichtig, dass sich entsprechend den Leistungen auch der Beitrag nach dem Einkommen richtet (höheres Einkommen = höhere Leistungen und höhere Beiträge). Schon lange steht aber nicht mehr das Krankengeld, sondern stehen die Krankheitskosten im Vordergrund der Ausgaben der GKV.
Ein Sozialstaat ist ein Staat, der nicht selbst für die soziale Sicherheit seiner Bürger sorgen, sondern sicherstellen muss, dass jeder für seine soziale Sicherheit vorsorgen kann – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Als die GKV im Jahr 1883 mit dem Ziel gegründet wurde, dem Sozialismus die Anhänger abspenstig zu machen, war sie eine Krankenversicherung der Arbeitnehmer und zwar der Arbeiter, die tatsächlich schutzbedürftig waren. Ohne diese Zwangsversicherung wäre der damals versicherte Personenkreis weder bereit noch in der Lage gewesen, sich gegen das Krankheitsrisiko abzusichern. Darüber hinaus wurde der in der damaligen Zeit – zumindest in den ländlichen Regionen – noch bestehende Generationenvertrag, der sich in Großfamilien ausdrückte, in Form des Umlageverfahrens institutionalisiert.
Galten 1911 gerade 18 Prozent der Bevölkerung als schutzbedürftig im Sinne der GKV, so sind es heute bereits über 90 Prozent. Und dies bei im Vergleich zum Jahr 1911 erheblich gestiegenen Einkommensverhältnissen. Auch der Generationenvertrag entspricht schon lange nicht mehr der Lebenswirklichkeit. Die demografische Entwicklung der nächsten Jahre wird dazu führen, dass eine auf dem Umlageverfahren basierende Krankenversicherung entweder unbezahlbar oder leistungsunfähig wird.
Interessanterweise haben die bisher verantwortlichen Politiker dies für die Rentenversicherung mit der Riester-Rente erkannt und haben zumindest einen kleinen, wenn auch sehr kleinen Schritt in die richtige Richtung, nämlich in Richtung Kapital- bzw. Anwartschaftsdeckungsverfahren gemacht.
Bis zu den Gesundheitspolitikern hat sich diese Erkenntnis noch nicht herumgesprochen, obgleich die Krankenversicherung von der demografischen Entwicklung viel stärker betroffen ist und noch sein wird als die Rentenversicherung. Dort wirkt sich „nur“ die längere Lebenserwartung aus, bei der Krankenversicherung kommen aber noch zusätzliche Erkrankungen und längere Behandlungsdauern dazu.
Eine Reform unseres Krankenversicherungssystems muss bei den Wurzeln des heutigen Systems beginnen.
Vorbild für die Krankenkassen waren die bereits viele Jahre vor Einführung der GKV bestehenden Hilfskassen. Sie boten Versicherungsschutz im Krankheitsfall für die Bevölkerungskreise, deren Vermögen nicht ausreichte, um die Kosten einer Krankheitsbehandlung selbst zu tragen, aber über ein Einkommen verfügten, das ihnen die Beitragszahlung an eine Hilfskasse ermöglichte. Aus diesen Hilfskassen wurden nach 1883 die so genannten Ersatzkassen. Eine klare Trennung in Träger der GKV und Unternehmen der PKV gab es allerdings noch nicht. Diese Trennung wurde über mehrere Stationen hinweg erst 1937 (!) vollzogen.
So wurden die Hilfskassen 1911 dem Reichsgesetz über die privaten Versicherungsunternehmen unterstellt und zu Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit. Gleichzeitig durften nur noch bestimmte Hilfskassen anstelle der in der Reichsversicherungsordnung genannten Krankenkassen gewählt werden. Sowohl diese als auch die Hilfskassen, denen man die Ersatzkassenfunktion aberkannt hatte, waren aber rechtlich PKV-Unternehmen.
Erst 1935 (!) bestimmte die 12. Aufbauverordnung, dass bei den Ersatzkassen nur noch gesetzlich Versicherungspflichtige oder -berechtigte (bis 1941 gab es neben der Versicherungspflicht- auch noch eine Versicherungsberechtigungsgrenze; wer zu viel verdiente, musste sich privat versichern) versichert sein durften, und führte dazu, dass verschiedene Ersatzkassen Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit für die Versicherten gründeten, die sie selbst nicht mehr versichern durften. Aus diesen so genannten Nachfolgevereinen sind einige noch heute existierende PKV-Unternehmen hervorgegangen.
Der Trennungsprozess fand 1937 (!) seinen Abschluss mit der 15. Aufbauverordnung. Diese erst machte aus den Ersatzkassen, die bis dahin Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit waren, also eine privatwirtschaftliche Unternehmensform hatten, Körperschaften des öffentlichen Rechts. Gleichzeitig wurden die Verwaltungsgemeinschaften zwischen den Ersatzkassen und den Nachfolgevereinen aufgelöst.
Eine Reform der Krankenversicherung darf meines Erachtens nicht den Fehler machen, das bestehende System fortzuschreiben, sondern sollte an den Anfängen dieses Systems anknüpfen. Weder die Pflicht- oder Zwangsversicherung noch die „Unternehmensform“ Körperschaft des öffentlichen Rechts passen in die heutige Zeit, passen in eine soziale Marktwirtschaft.
Die Fakten, die bekannt sind, zu ignorieren, ist nach meiner Meinung ein Verbrechen gegen unsere Kinder und Kindeskinder. Ein Verbrechen, dessen sich die Menschen, die in den 1950er und 1960er Jahren politische Gestaltungsmöglichkeiten hatten oder gehabt hätten, bereits schuldig gemacht haben.
Hier ein Beispiel, das sich zwar auf die gesetzliche Rentenversicherung bezieht, aber natürlich auf die Krankenversicherung übertragbar ist, die übrigens nicht „nur“ von der längeren Lebenserwartung, sondern dadurch bedingt darüber hinaus durch zusätzliche Erkrankungen und längere Behandlungsdauern gefordert wird.
„Als überzeugter Verfechter der Marktwirtschaft trug Erhard harte Auseinandersetzungen mit dem Sozialpolitiker Adenauer aus, die 1957 im Streit um die Rentenreform (von Adenauer letztlich durchgesetzt) gipfelten. Das seitdem bestehende Umlageverfahren (sogenannter Generationenvertrag) lehnte Erhard als nicht zukunftsfähig ab. Adenauer setzte sich jedoch mit dem bekannten Ausspruch „Kinder kriegen die Leute sowieso“ über diese Bedenken hinweg.“