Die Piratenpartei Deutschland – von Anarchisten und Opportunisten geentert?

Von der FDP zu den Piraten

 

Als ich am Abend des 18. Oktober 2011 mit meinem Auto von Elsdorf-Esch nach Kerpen-Horrem zum Bergheimer Stammtisch der Piraten fahre – Bergheim ist die Kreisstadt des Rhein-Erft-Kreises in Nordrhein-Westfalen –, da habe ich die leise Hoffnung, dass sich aus der Piratenpartei Deutschland einmal die liberale Partei Deutschlands entwickeln könnte, die die FDP immer sein wollte, aber (leider) nie geworden ist.

 

Die FDP ist seit ungefähr 1983 meine politische Heimat. Alles beginnt mit meinem großen Interesse an Geschichte und dann auch an Politik seit frühester Jugend und dem konstruktiven Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Helmut Schmidt am 2. Oktober 1982.

 

Gemeinsam mit einem Mitschüler, der von Haus aus der SPD nahe steht, verfolge ich – familiär eher auf die CDU geprägt – den Wechsel von Helmut Schmidt zu Helmut Kohl. Wir führen so manche Diskussion, so manches Streitgespräch.

 

Ich beginne, mich intensiv mit den Programmen der im Deutschen Bundestag vertretenen, aber auch der anderen beim Bundeswahlleiter registrierten Parteien zu befassen.

 

Mit einigen Freunden gründe ich eine eigene Partei. Wir machen unser eigenes Programm, indem wir Forderungen aus anderen Parteiprogrammen übernehmen, mit denen wir uns identifizieren können.

 

Da wir uns schnell klar darüber sind, dass dies kein aussichtsreiches Unterfangen ist, beschließen mein bester Freund und ich im Laufe des Jahres 1983, Mitglieder der F.D.P. und deren neuen Jugendorganisation Junge Liberale zu werden.

 

Die Jungen Liberalen wurden am 1. November 1980 gegründet und lösten nach der „Wende“ 1983 die Jungdemokraten (Judos) als Nachwuchsorganisation der F.D.P. ab.

 

Mit deren Ideologie – dem Liberalismus im Humanismus und Rationalismus wurzelnd – und deren Wahlprogramm anlässlich der Bundestagswahl von 1980 bestehen die größten Übereinstimmungen.

 

Obgleich ich den Koalitionswechsel der F.D.P. durchaus nachvollziehen kann und begrüße, bedauere ich sehr, dass einige ihrer Mitglieder zur SPD wechseln und andere wieder einmal eine neue Partei gründen – die Liberalen Demokraten. Dies ist in der Geschichte des organisierten Liberalismus in Deutschland leider nicht neu.

 

Für mich sind Freiheit und damit auch der Liberalismus unteilbar. Ich lehne deshalb auch Bindestrich-Liberalismen ab. Es gibt für mich nur einen Liberalismus und nicht mehrere Liberalismen. So sind politische und wirtschaftliche Freiheit zwei Seiten derselben Medaille.

 

Am 11. Januar 1984 werde ich also Mitglied der F.D.P. in Köln. Ich bleibe es bis zum 31. Dezember 1995. Ich muss erfahren, dass an den Steigerungen „Freund, Feind, Parteifreund“ oder gar „Feind, Erzfeind, Parteifreund“ sehr viel Wahres ist, und bin nicht bereit, mich auf den „Kölschen Klüngel“ einzulassen.

 

Was ist geschehen? Mein Ortsverband will, dass ich im Wahlkreis 62 (Köln IV) bestehend aus den Stadtbezirken Kalk und Mülheim für den Deutschen Bundestag 1998 kandidieren soll. Darüber wird auch der Kreisvorstand informiert. Ohne eine Vorwarnung wird dann von diesem eine andere Kandidatin präsentiert: die Leiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Gegen diese Dame habe ich mit meinen 28 Jahren keine Chance.

 

Geärgert hat mich damals nicht, dass es einen anderen Kandidaten gab. Das hat mich sicher enttäuscht, aber nicht geärgert. Der Ärger, der zu meinem Austritt führte, bestand darin, dass man mich nicht informiert hatte und quasi ins offene Messer hat laufen lassen. Das nahm und nehme ich den beteiligten Personen – vor allem dem damaligen Vorsitzenden der F.D.P. Köln – übel.

 

Sicher spielen für meine Entscheidung auch die Tatsachen eine Rolle, dass meine berufliche Tätigkeit seit 1992 – Wechsel in den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit – einen breiteren Raum in meinem Leben einnimmt und meine Frau und ich uns im Kölner Umland niederlassen wollen.

 

Trotzdem bleibt auch danach die F.D.P. für mich politische Heimat. Eine Alternative hat es für mich nicht gegeben. Als Liberaler, der sich nicht in irgendwelche Richtungen einordnen lässt und auch nichts mit den verschiedenen Bindestrich-Liberalismen anfangen kann, ist es sehr schwierig, die „richtige“ Partei zu finden.

 

Hat mich Kommunalpolitik nie wirklich interessiert – der F.D.P.-Ortsverband, dem ich von 1984 bis 1995 angehört habe, hat sich fast ausschließlich mit Kommunalpolitik befasst – , ändert sich das, nachdem meine Frau und ich 1997 nach Elsdorf/Rheinland gezogen sind und wir zwei Töchter bekommen haben.

 

Fragen der Erziehungs- und Bildungspolitik haben mich schon immer interessiert, immerhin wollte ich mal Lehrer werden. Nun bekommen Kindergarten und Grundschule eine ganz andere Bedeutung.

 

Hinzu kommt, dass meine berufliche Tätigkeit nicht mehr die Bedeutung für mich hat wie in den Jahren zwischen 1992 und 2005. Ich suche ein neues Betätigungsfeld: Es soll wieder die Politik werden.

 

So nehme ich am 5. Juni 2007 erstmals als Zuschauer an einer Sitzung des Rats der Gemeinde Elsdorf teil. Es geht um die mögliche Übertragung des Kanalnetzes an den Erftverband mit dem Ziel, die Gemeindefinanzen zu sanieren. Das Thema interessiert mich.

 

Für mich ist klar, wenn ich mich wieder politisch engagiere, dann wieder bei und mit der FDP.

 

Nur so am Rande: Das Präsidium der F.D.P. beschloss am 18. November 1968 die Abkürzungsbuchstaben der Freien Demokratischen Partei durch so genannte „werbliche Stopper“, die Pünktchen, zu trennen. Sie sind ab dem darauffolgenden Bundestagswahlkampf im Jahr 1969 verwendet worden.

 

Nach über drei Jahrzehnten trennt sich die F.D.P. auf ihrem 52. Bundesparteitag am 6. Mai 2001 vom „Pünktchen-Logo“, weil die Punkte nicht im Internet verwendet werden können und das Internet beim Wahlkampf im Jahr 2002 ein Schlüsselmedium sein soll.

 

An einem Treffen der FDP Elsdorf nehme ich am 20. August 2007 zum ersten Mal teil. Eine kleine Truppe ganz unterschiedlicher Charaktere, die in mir den Eindruck erwecken, in Elsdorf etwas verändern zu wollen.

 

Es dauert nicht lange, bis ich mich aktiv an der Parteiarbeit beteilige und auch wieder meine Aufnahme in die FDP beantrage. Ich kümmere mich darum, dass die FDP Elsdorf einen Internetauftritt bekommt und bereits am 13. November 2007 beruft mich der Rat der Gemeinde Elsdorf auf Vorschlag der FDP-Fraktion als sachkundigen Bürger zum Mitglied des Ausschusses für Jugend, Schule, Soziales und Sport und zum stellvertretenden Mitglied des Ausschusses für Bau und Planung.

 

Die FDP ist seit September 2004 mit drei Mitgliedern im Rat vertreten. Sie werden von den anderen Mitgliedern des Ortsverbands als sachkundige Bürger in den einzelnen Ratsausschüssen unterstützt. Es besteht eine Kooperationsvereinbarung mit der CDU-Fraktion.

 

Die Arbeit in der FDP Elsdorf – dort hat man mich inzwischen zum Pressesprecher gewählt –, im Ausschuss für Jugend, Schule, Soziales und Sport und auch mit den Vertretern der CDU macht mir viel Spaß – bis kurz nach der Kommunalwahl am 30. August 2009.

 

Schwerpunkte meines Engagements sind die Kindertageseinrichtungen, die Grundschulen, die Musikschule La Musica, das Jugendzentrum, die Einrichtung eines eigenen Jugendamts in Elsdorf und die Gründung eines Jugendhilfeausschusses sowie die Zukunft des Schulzentrums in Elsdorf-Angelsdorf bestehend aus einer Haupt- und einer Realschule. Dieses Schulzentrum hat leider mit einem schlechten Image und deshalb – und natürlich mit Blick auf die demografische Entwicklung – um seine Existenz zu kämpfen.

 

Knapp verpasst die FDP Elsdorf den Einzug in den neuen Rat mit vier statt drei Mitgliedern. Fast wäre ich Ratsmitglied geworden. Die Enttäuschung ist groß. Nach dem guten Ergebnis bei der Europawahl (14,8 Prozent) sind es bei der Kommunalwahl „nur“ 9,1 Prozent. Bei der Bundestagswahl werden es – dank der Zweitstimmen – 17 Prozent sein!

 

Plötzlich stellt der alte und neue FDP-Fraktionsvorsitzende alles in Frage – den Wahlkampf, der sich vor allem gegen den amtierenden SPD-Bürgermeister gerichtet hat, und auch die Zusammenarbeit mit der CDU.

 

Gemeinsam mit dem neuen Fraktionsvorsitzenden der CDU und mit Unterstützung durch den Vorsitzenden der FDP Elsdorf arbeite ich maßgeblich an dem Koalitionsvertrag mit der CDU für die neue Wahlperiode des Rats.

 

Der Rat der Gemeinde Elsdorf beruft mich erneut als sachkundigen Bürger zum Mitlied des Ausschusses für Jugend, Schule, Soziales und Sport sowie zum Mitglied des Rats einer Kindertageseinrichtung und zu einem der vier Schulträgervertreter in den Schulkonferenzen der gemeindlichen Schulen.

 

Nach und nach spitzt sich das Verhältnis zwischen dem FDP-Fraktionsvorsitzenden und mir zu. Auch Vermittlungsversuche durch den Ortsverbandsvorsitzenden verbessern die Zusammenarbeit nicht. Die Chemie stimmt von Anfang an zwischen ihm und mir nicht wirklich, aber irgendwie läuft die Arbeit bisher trotzdem.

 

Inzwischen fühle ich mich aber immer mehr im Stich gelassen, nicht, unzureichend oder zu spät informiert und nicht in die Fraktionsarbeit eingebunden. Ich bekomme mehr Informationen aus der CDU-Fraktion als aus der eigenen – und auch mehr Unterstützung.

 

Für den Inhalt des Koalitionsvertrags zwischen CDU und FDP interessieren sich die FDP-Ratsmitglieder ohnehin nicht. Trotzdem hatte es sich der Fraktionsvorsitzende der FDP natürlich nicht nehmen lassen, ihn der Presse vorzustellen – natürlich ohne meine Beteiligung, obgleich ich Pressesprecher der FDP Elsdorf war.

 

Als der neue Jugendhilfeausschuss gebildet wird, werde ich nur dank der CDU-Fraktion zu einem der Mitglieder gewählt. Denn meine „Parteifreunde“ sind mal wieder nicht anwesend – Beruf und Privatleben gehen bei den Herren nun einmal vor. Das bringt das berühmte Fass zum Überlaufen.

 

Daraufhin ziehe ich mich von der Elsdorfer Kommunal- und Parteipolitik zurück. Die gegensätzlichen Auffassungen zwischen dem FDP-Fraktionsvorsitzenden und mir über dessen Amtsführung und die Fraktions- und Koalitionsarbeit lassen mir keine andere Wahl.

 

Mein Interesse an Politik ist jedoch ungebrochen. So weckt der Überraschungserfolg der Piraten bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 18. September 2011, bei der die Piraten 8,9 Prozent der Stimmen bekommen, meine Aufmerksamkeit.

 

Etwas näher befasse ich mich mit den Piraten seit dem Wahlkampf anlässlich der Bundestagswahl 2009. Sie erzielen dabei zwei Prozent.

 

Seinerzeit frage ich mich mit Blick auf Themen und Forderungen der Piraten zunächst, warum sich diese Menschen nicht in der FDP engagieren, und im Hinblick auf die Bezeichnung „Piraten“, wie man eine Partei so nennen kann. Das erscheint mir ziemlich unseriös.

 

Inzwischen weiß ich natürlich, dass man sich wegen des Begriffs „Videopiraterie“ als Piraten bezeichnet hat und die erste Piratenpartei am 1. Januar 2006 in Schweden gegründet wurde.

 

Bereits zwei Tage nach der Berlin-Wahl abonniere ich die Mailingliste der Rhein-Erft-Piraten. Am 11. Oktober 2011 erfolgt eine erste Kontaktaufnahme durch mich per E-Mail. Ich erkundige mich nach einem Treffen.

 

Dabei erfahre ich, dass es im Vorfeld der nordrhein-westfälischen Landtagswahl im Mai 2010 bereits eine kleine, aber recht aktive Gruppe von Piraten in Bergheim gegeben hat.

 

Eine Crew – so nennen die Piraten ihre kleinste Organisationseinheit – wird unter dem Namen PolInt (Political Intelligence) am 25. Januar 2010 gegründet. Das jüngste Protokoll über ein Treffen dieser Crew stammt vom 5. Juli 2010. Zwei Mitglieder sind wohl letztendlich übrig geblieben.

 

 

Die Rhein-Erft-Piraten spielen Politik

 

Diese beiden übrig gebliebenen Mitglieder, ein weiblicher und ein männlicher Pirat – Piratinnen gibt es laut Bundessatzung (bisher) nicht –, finde ich vor, als ich am Abend des 18. Oktober 2011 endlich in Kerpen-Horrem ankomme. Sie machen auf mich einen sehr sympathischen Eindruck und gehen auch recht konstruktiv mit meiner „FDP-Vergangenheit“ um.

 

Das ist übrigens nicht selbstverständlich. Im Laufe der Zeit lerne ich etliche Piraten kennen, die großen Hass auf die FDP empfinden, für die liberal ein Schimpfwort ist. Haben diese Piraten jemals das eigene Parteiprogramm gelesen? Das von der FDP sicher nicht.

 

Ein paar weitere Interessierte kommen dann noch dazu. Schon eine Woche später soll ein weiteres Treffen des Bergheimer Piraten-Stammtisches in der Kreisstadt stattfinden, um die Piraten im Rhein-Erft-Kreis wieder zu beleben.

 

So gehöre ich am 25. Oktober 2011 zu den Teilnehmern am Stammtisch Bergheim, die aus diesem heraus den Rhein-Erft-Stammtisch gründen. Dieser setzt sich zum Ziel, sich nach und nach in den einzelnen Städten des Rhein-Erft-Kreises zu treffen und die Gründung von Crews als Vorläufer für Ortsverbände zu initiieren.

 

Vier Tage später erkläre ich meine Bereitschaft, als sogenannter Verwaltungspirat den Aufbau der Rhein-Erft-Piraten zu fördern. Dieser Verwaltungspirat ist in der Piratenpartei dazu notwendig, um Zugriff auf die Mitgliederdaten zu bekommen und mit deren Hilfe Kontakt zu ihnen aufnehmen zu können.

 

Im Laufe des Novembers 2011 stellt sich heraus, dass es parallel zu den Aktivitäten des Rhein-Erft-Stammtisches in Kerpen bereits Piraten gibt, die eine Crew gründen. Leider nimmt keiner von ihnen an den Treffen des Stammtisches teil.

 

Ich nehme daraufhin am 24. November 2011 erstmals per E-Mail Kontakt zu dieser Crew auf. Mein Ziel ist es, die Aktivitäten zu bündeln und ein abgestimmtes Vorgehen im Rhein-Erft-Kreis zu ermöglichen.

 

Das nächste Treffen des Rhein-Erft-Stammtisches findet am 4. Januar 2012 in Kerpen statt. Mehrere Mitglieder der Crew Kerpen nehmen daran teil.

 

Der Rhein-Erft-Stammtisch beschließt, sich eine Woche später mit dem Ziel zu treffen, eine Crew Rhein-Erft zu gründen und einen Verwaltungspiraten zu wählen, um in absehbarer Zeit einen Kreisverband gründen und endlich aktiv (kommunal-)politisch arbeiten zu können.

 

Es soll darum gehen, nach und nach in allen Städten des Rhein-Erft-Kreises Crews bzw. Ortsverbände zu etablieren, um an den Kommunalwahlen 2014 teilnehmen zu können, natürlich auch an anderen Wahlen.

 

Ich selbst beantrage daher am 5. Januar 2012 meine Mitgliedschaft in der Piratenpartei Deutschland, um – falls gewünscht – das Amt des Verwaltungspiraten übernehmen zu können. Da die Piratenpartei es ermöglicht, gleichzeitig Mitglied in mehr als einer Partei zu sein, bleibe ich Mitglied der FDP.

 

Warum mache ich das? Als überzeugter Anhänger des Liberalismus und glühender Verfechter der Idee der Freiheit ist die FDP seit fast 30 Jahren meine politische Heimat.

 

Mit der FDP (im Kölner Karneval 2012: Forgänger der Piraten) hat es seit 1948 erstmals eine liberale Partei in Deutschland gegeben. Mit der Piratenpartei Deutschland gibt es nun wieder zwei liberale Parteien in Deutschland. Das halte ich für sehr schade und unglücklich.

 

Mit meiner Doppelmitgliedschaft – ein bisschen vergleichbar mit einer doppelten Staatsangehörigkeit – möchte ich einen (kleinen) Beitrag dazu leisten, dass es in absehbarer Zeit wieder eine einzige Partei des organisierten Liberalismus in der Bundesrepublik Deutschland gibt. Auch die doppelte Staatsangehörigkeit ist ein schwieriges Thema, aber nicht unmöglich.

 

Hinzu kommen die aktuellen Entwicklungen bei der FDP vor allem seit der Bundestagswahl im September 2009 und der Regierungsbeteiligung. Es ist leider kein wirklich neues Thema, dass die FDP ihr liberales Profil z. B. auf Wirtschaftsthemen verkürzt und insbesondere die sozialen Aspekte ausklammert. Das beste Grundsatzprogramm hilft aber nicht, wenn es nicht auch gelebt wird.

 

Liberale können sich vor allem in Deutschland – davon bin ich zutiefst überzeugt, auch und gerade mit Blick auf die Geschichte – keine zwei Parteien leisten.

 

Wie heißt es seit einiger Zeit bei der FDP so schön: Ich bin und bleibe ein Freund der Freiheit.

 

Nun aber wieder zurück zum Rhein-Erft-Stammtisch der Piraten: Als man sich eine Woche später wieder in Kerpen trifft, hat es bei der Mehrheit der Teilnehmer einen Meinungsumschwung gegeben. Dieser überrascht mich sehr. Ich war nicht eingebunden.

 

Der Rhein-Erft-Stammtisch sieht von der Gründung einer Crew Rhein-Erft ab und bittet die Crew Kerpen, zeitnah eine Kreismitgliederversammlung zu organisieren. Die Einladung dazu kommt am 28. Januar 2012 per Rundmail.

 

Dies war der Zeitpunkt, zu dem der maßgebliche Gründer der Crew Kerpen das Ruder bei den Rhein-Erft-Piraten übernommen hat. Er soll – nach der Gründung des Kreisverbands Rhein-Erft der Piraten am 17. März 2013 – auch der erste Vorsitzende dieses Kreisverbands werden.

 

Zunächst ist diese informelle „Machtübernahme“ für mich durchaus in Ordnung. Erst später merke ich, dass es tatsächlich darum geht, die Führung der Rhein-Erft-Piraten – im Zusammenspiel mit Gleichgesinnten im Landesverband Nordrhein-Westfalen, vielleicht auch im Bundesverband – zu übernehmen, ohne sich an die „Spielregeln“ unseres demokratischen Rechtsstaats zu halten. Dazu später mehr.

 

Da sich ein Konflikt mit der FDP wegen meiner Doppelmitgliedschaft auf der einen und des Verzichts durch zwei bisherige Ratsmitglieder auf ihre Mandate auf der anderen Seite anbahnt, aber auch aus persönlichen, vor allem gesundheitlichen Gründen ziehe ich meine Bereitschaft zur Kandidatur als einer der vorgesehenen Büropiraten per Rundmail zurück. Wahrscheinlich ahne ich bereits, dass ich mit dem heimlichen Vorsitzenden der Rhein-Erft-Piraten längerfristig nicht klar kommen werde. Vielleicht.

 

Zwei Dinge habe ich bei meinem Beitritt zu den Piraten übersehen: Zum einen bestimmt die Bundessatzung der FDP, dass die Mitgliedschaft mit dem Beitritt zu einer anderen, mit der FDP im Wettstreit stehenden Partei oder Wählergruppe endet. Zum anderen besagt das Kommunalwahlgesetz von Nordrhein-Westfalen, dass auf der Reserveliste diejenigen Bewerber außer Betracht bleiben, die aus der Partei oder Wählergruppe, für die sie bei der Wahl aufgestellt waren, ausgeschieden sind.

 

Bereits im Jahr 2010 hat mir der Vorsitzende der FDP Elsdorf den Mund damit wässrig gemacht, dass einer der drei Ratsmitglieder bald sein Mandat niederlegen wird. Die Gründe dafür sind meine Unzufriedenheit damit, wie der FDP-Fraktionsvorsitzende mit mir und meinem Engagement umgeht, und meine Absicht, von meinen Ämtern zurückzutreten.

 

Dabei geht es mir weniger um das Mandat als um die Chance, effektiver arbeiten zu können und als Ratsmitglied an notwendige Informationen aus erster Hand zu kommen und nicht erst über die Kollegen von der CDU.

 

Kurz vor und auch noch auf der Kreismitgliederversammlung 2012.1 am 26. Februar 2012 werde ich von mehreren Mitpiraten dazu überredet, mich doch um das Amt des Verwaltungspiraten zu bewerben. Zu diesen Mitpiraten gehört auch unser heimlicher Vorsitzender. Ich lasse mich darauf ein. Ich kann nicht anders. Es soll sich später als großer Fehler erweisen.

 

So werde ich also zum ersten Verwaltungspiraten der Rhein-Erft-Piraten gewählt. Ich vergleiche diese Funktion ein bisschen mit der eines Kreisgeschäftsführers in anderen Parteien, aus Piratensicht in den Altparteien.

 

Bald wird deutlich, dass die Verteilung der Rollen und der Aufgaben nicht klar ist. Neben Verwaltungspiraten gibt es Polit-, Presse-, Finanz-, Orga- und Technikpiraten. Zusätzlich zur Crew Kerpen hat sich inzwischen auch eine Crew Pulheim gebildet. Auch in diesen gibt es Piraten mit bestimmten Funktionen (z. B. Crewsprecher und Pressepiraten).

 

Da sich die Piratenpartei als Mitmach- bzw. Selbstmachpartei sieht, kommen auch noch „Basispiraten“, also Mitglieder ohne ein Parteiamt, dazu, die meinen, sie könnten machen, was sie wollen. Abstimmung und Koordination sind bei vielen eher unerwünscht.

 

Auch an mich werden sehr unterschiedliche Erwartungen herangetragen. Ich sehe mich in der Rolle eines Moderators und Koordinators. Das geht manchen schon zu weit, anderen nicht weit genug. Wie man es macht, ist es deshalb verkehrt.

 

Die Mittel, mit denen ich versuche, aus den Rhein-Erft-Piraten eine „richtige“ Partei zu machen, sind die regelmäßig alle zwei Wochen stattfindenden Stammtische, möglichst immer in einer anderen Stadt, die Rundmails über die Rhein-Erft-Mailingliste und an die Mitglieder, um einen möglichst gleichen und guten Informationsstand zu erreichen, und die Initiierung einer Servicegruppe Kommunikation zur besseren Koordination der externen und internen Kommunikation der Rhein-Erft-Piraten.

 

Damit komme ich aber nicht nur dem heimlichen Vorsitzenden der Rhein-Erft-Piraten in die Quere, sondern passe auch nicht in das Bild der Piraten, denen es gar nicht darum geht, konstruktive Politik zu machen.

 

Diese haben gar kein Interesse an einer politischen Partei im Sinne des Parteiengesetzes. Ihnen geht es entweder darum, auf den fahrenden Zug aufzuspringen, um möglichst schnell ein Mandat zu bekommen – viel Kohle für vermeintlich wenig Arbeit –, oder darum, einfach alles in Frage zu stellen, sich gegen jede Form von Organisation und Struktur zu wehren und inhaltliche Diskussionen bereits im Keim zu ersticken.

 

Vor allem die offiziellen Mailinglisten der Piraten, aber auch das Medium Twitter und die Möglichkeit, anonym zu bleiben, bieten ihnen ein ideales Instrumentarium, um ihre destruktiven Ziele unter anderem durch Mobbing zu erreichen. Die Piraten spielen Politik.

 

Die Übernahme der Piratenpartei durch diese Gruppierungen wird dadurch begünstigt, dass die Parteitage der Piraten bis zur Bundesebene als Mitgliederversammlungen durchgeführt werden. Es gibt also keine Delegierten, die die einzelnen Gebietsverbände vertreten, sondern jedes Mitglied kann an den Parteitagen stimmberechtigt teilnehmen.

 

Auf den ersten Blick sieht das nach gelebter Basisdemokratie aus. Dabei handelt es sich aber um ein fatales Missverständnis.

 

Die Teilnahme an Orts-, Kreis- und vielleicht auch noch an Bezirksparteitagen ist in der Regel unproblematisch, bei Landes- und vor allem bei Bundesparteitagen ist diese jedoch schon mit Zeit und Geld verbunden.

 

Es findet also – auch durch die Wahl des Versammlungsortes – eine Auslese der Mitglieder statt, die an den Parteitagen teilnehmen (können), und diese Auslese ist sicher nicht repräsentativ.

 

Es sind Menschen, die in der näheren Umgebung wohnen, die viel Zeit, wenig Verpflichtungen und die nötige finanzielle Ausstattung und/oder die Bereitschaft haben, sich in Sachen Übernachtung stark einzuschränken.

 

Da erscheint ein Delegiertensystem doch wesentlich basisdemokratischer oder besser basisorientierter. Ergänzt man dieses noch durch Teilnahme-, Antrags- und Rederecht für alle Mitglieder dann hat man Basisdemokratie ohne Auslese.

 

War ich bisher davon überzeugt, dass es gut wäre, wenn sich alle Menschen politisch interessieren und engagieren würden, so ertappe ich mich jetzt dabei, dass ich denke, es ist doch gut, dass manche Menschen sich nicht mit Politik befassen und dies anderen überlassen.

 

Ich bin für möglichst viel Demokratie, Beteiligung und Mitbestimmung. Dies erfordert aber auch die Bereitschaft und die Fähigkeit, sich mit den jeweiligen Themen und den verschiedenen Argumenten für und gegen bestimmte Alternativen intensiv auseinanderzusetzen.

 

Bis jeder über alles entscheiden kann, ist es ein langer und schwieriger Weg. Möglicherweise ist es auch ein unerreichbares Ziel. Ich weiß es nicht. Deshalb setze ich mich für eine repräsentative Demokratie mit so vielen plebiszitären Elementen wie Volksbefragungen, -initiativen, -begehren und -abstimmungen wie möglich ein – auf allen staatlichen Ebenen. Meinetwegen kann man das dann auch Liquid Democracy (= Flüssige Demokratie) nennen.

 

Von imperativen Mandaten halte ich ebenso wenig wie von Fraktionszwängen. Eine gewisse Fraktionsdisziplin ist aber in einer parlamentarischen Republik sicher notwendig und sollte auch selbstverständlich sein. Anderenfalls bräuchte man auch keine Parteien. Denn diese sollen bekanntlich Menschen mit ähnlichen Weltanschauungen zusammenführen und zur Meinungs- und Willensbildung beitragen.

 

Auch hierbei zeigt sich ein Dilemma der Piratenpartei. Denn führende Piraten sind der Ansicht, das ihr Ziel darin bestehe, sich selbst und damit auch alle anderen Parteien überflüssig zu machen. Dadurch, dass es eben gar keine Politiker im klassischen Sinne mehr gibt, sondern jeder Bürger über alles direkt und nicht über Repräsentanten entscheidet.

 

Das mag ein hehres Ziel sein, aber bis dahin ist es noch ein sehr weiter Weg. Aktuell ist es eine Utopie. Denn die Menschen müssen dazu erst in die Lage versetzt werden – nicht nur technisch, sondern vor allem intellektuell.

 

Politiker ist zwar kein Ausbildungsberuf, trotzdem ist es aber eine Art von Beruf. So wie nicht jeder als Bäcker, als Schreiner, als Lehrer oder als Architekt geeignet ist, hat auch nicht jeder das Zeug zum Politiker – zumindest nicht von Geburt an. Auch den Beruf des Politikers muss man erlernen, notwendige Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben.

 

Einer der wichtigsten Grundsätze der Piratenpartei ist die Transparenz. Der Umgang mit dieser Forderung nach Transparenz ist ein schönes Beispiel, um deutlich zu machen, wie sensibel Politik ist und was passiert, wenn der berühmte Elefant im Porzellanladen Politik machen möchte.

 

Denn Transparenz und Vertraulichkeit schließen sich nicht aus. Transparenz bedeutet nicht, dass man in einem kleinen Kreis nicht mehr laut denken darf, dass man alles nur noch coram publico, also vor aller Öffentlichkeit, besprechen und diskutieren muss.

 

So werde auch ich das Opfer eines solchen Elefanten, der mal Politik spielen will. Wie bereits geschrieben, ist es sehr schwierig, die Rhein-Erft-Piraten dazu zu bringen, vor allem nach außen mit einer Stimme zu sprechen. Es gibt da vor allem einen Parteifreund, der sich immer wieder mit Alleingängen hervortut – frei nach der Devise „Das Gegenteil von gut gemacht ist gut gemeint.“.

 

In einer kleinen Runde wird per E-Mail quasi laut gedacht. Dabei stelle ich auch die Frage nach möglichen Ordnungsmaßnahmen zur Diskussion, wie sie in einer Partei üblich sind.

 

Einer an dieser offenen Diskussion beteiligten Piraten meint dann völlig eigenmächtig, den E-Mail-Wechsel dem Piraten, um den es bei diesen Überlegungen geht, zugänglich machen zu müssen. Das ist sein Verständnis von Transparenz.

 

Nach meinen anderen Erlebnissen in meiner Rolle als Verwaltungspirat – auch mit unserem heimlichen Vorsitzenden, der mir unter anderem erklären will, wie man Wahlkampf macht, – denke ich ebenfalls per E-Mail laut darüber nach, nach der bevorstehenden Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen mein Amt als Verwaltungspirat zur Verfügung zu stellen.

 

Diese Überlegung wird von dem Piraten, der die Möglichkeiten der Mit- und Selbstmachpartei sehr extensiv auslebt, postwendend an den nordrhein-westfälischen Landesvorstand der Piratenpartei weitergeleitet.

 

Übrigens muss man dazu wissen, dass ich im Zusammenhang mit der für alle doch sehr überraschend gekommenen Landtagswahl mich bereit erklärt hatte, eine Direktkandidatur zu übernehmen.

 

Kurz nach dem die Nachricht bekannt war, dass sich der nordrhein-westfälische Landtag selbst auflösen wird, treffen sich der Politpirat der Rhein-Erft-Piraten, sein Stellvertreter und ich, um über den bevorstehenden Wahlkampf und mögliche Kandidaturen zu sprechen.

 

Der Rhein-Erft-Kreis umfasst drei Landtagswahlkreise. Wir können also drei Direktkandidaten nominieren. Sicher nicht mit der Chance, über diesen Weg Mandate zu bekommen, aber um vor Ort vertreten zu sein und die Piraten positionieren zu können. Wir drei sind uns schnell darin einig, dass wir drei geeignete Kandidaten brauchen und sind bereit, jeweils eine Kandidatur zu übernehmen.

 

Nach mehreren Gesprächen stellt sich heraus, dass es für den Wahlkreis Rhein-Erft-Kreis III (Brühl, Erftstadt, Kerpen-Balkhausen, -Brüggen und -Türnich und Wesseling) keinen Kandidaten gibt, der in diesem Wahlkreis wohnt.

 

Auf der Aufstellungsversammlung – in den „Altparteien“ wird auch von Kreiswahlversammlung gesprochen – am 21. März 2012 bewerben sich die beiden Politpiraten um Kandidaturen in den Wahlkreisen Rhein-Erft-Kreis I und II und ich um die im Wahlkreis Rhein-Erft-Kreis III.

 

Zu meiner Überraschung kandidiert gegen mich der Pirat, der später den Landesvorstand über meine Rücktrittsgedanken informieren wird – ohne Erfolg. Rache ist süß, und Piraten sind eben auch nur Menschen.

 

Was macht der Landesvorstand mit dieser Information? Der Generalsekretär, der für die Mitgliederverwaltung zuständig ist, und ein Beisitzer im Landesvorstand entziehen mir die Zugriffsberechtigung auf die Mitgliederdateien, ohne mit mir vorab Kontakt aufzunehmen oder mich auch nur darüber zu informieren.

 

Ich erfahre es durch Zufall durch einen Mitpiraten. Nachdem ich es zunächst nur für ein Gerücht halte, muss ich feststellen, dass ich tatsächlich keine Zugriffsberechtigung mehr habe.

 

Wäre es nicht die Aufgabe eines Landesvorstands, engagierte Mitglieder, die mit dem Gedanken spielen, ihre Ämter aufzugeben, nach den Motiven zu fragen und möglichst wieder dazu zu motivieren, weiter zu machen – vor allem mitten im Landtagswahlkampf?

 

Dies könnte man erwarten. Erst recht von einer Partei, die vorgibt, anders zu sein als die anderen Parteien, und die alles anders, alles besser machen will – ohne Hinterzimmerpolitik, ohne Intrigen und Machtspiele.

 

Nur damit es keine Irritationen gibt: Ich spreche hier immer noch von der Piratenpartei Deutschland.

 

Nach mehreren Anläufen bekomme ich dann endlich eine Antwort aus dem Landesvorstand: Man habe wegen des Datenschutzes so schnell handeln müssen. Ich hätte wieder zur FDP zurückgehen und die Mitgliederdaten mitnehmen können.

 

Ist das der wahre Grund? Ich glaube es nicht. Einmal ganz abgesehen davon, dass diese Daten für die FDP und auch für andere Parteien von sehr geringem Interesse gewesen wären, hätte ich die Daten, falls ich dies wirklich gewollt hätte, längst weiterleiten können.

 

Ich bin inzwischen zu der Überzeugung gelangt, dass es meine politische Gesinnung und auch die Tatsache waren, dass ich mich nicht so einfach vereinnahmen lasse, die den Landesvorstand zu diesem Schritt bewogen haben. Man hat einfach die günstige Gelegenheit genutzt, um mich auszubooten.

 

Interessant dabei ist auch, dass der heimliche Vorsitzende der Rhein-Erft-Piraten – formal nur der Stellvertretende Politpirat – nichts in der Sache unternimmt. Auch die anderen Büropiraten – so heißen die Amtsträger bei den Piraten in Kreisen, in denen es noch keinen (offiziellen) Kreisverband gibt – bleiben untätig. Sie sind bereits auf Linie. Die Kaderpartei lässt grüßen.

 

Längst habe ich zu diesem Zeitpunkt meinen Gedanken an einen Rücktritt verworfen und in einer Rundmail bei meinen Mitpiraten im Rhein-Erft-Kreis um Entschuldigung für die Irritationen gebeten, die ich damit ausgelöst habe. Diese Rundmail hat den Landesvorstand natürlich nicht interessiert.

 

Viel später konfrontiere ich den Pirat damit, der zu diesem Zeitpunkt der Vorsitzende des Landesverbands Nordrhein-Westfalen war und sich inzwischen Landtagsabgeordneter nennen darf. Er weiß von nichts. Alles hat seine Ordnung. Er war dafür auch nicht zuständig. Das war´s.

 

Verantwortung für Menschen? Führungsfähigkeiten? Soziale Kompetenz? Fehlanzeige! Ist das das neue Politikverständnis der Piraten? Ist das menschlicher als bei den „Altparteien“?

 

Es kommt aber noch besser. Das Hin und Her rund um das Mandat im Elsdorfer Gemeinderat bleibt natürlich auch der lokalen Presse nicht verborgen. Ich versuche, dieses Interesse der Medien – mit Blick auf die Gründung einer Crew in Elsdorf – für die Piraten zu nutzen. Es geht um mögliche Doppel- oder Mehrfachmitgliedschaften in Parteien und auch um die Möglichkeit, dass aus Piraten und FDP vielleicht dann doch mal die liberale Partei Deutschlands werden könnte.

 

Im Landtagswahlkampf führt dies aber leider zu Verwirrung. Obgleich das Thema bereits erledigt scheint, greift eine sehr junge und unerfahrene Journalistin die Sache in einem Porträt von mir als Landtagskandidat noch einmal auf.

 

Da die Piratenpartei zwar die Mitgliedschaft in einer anderen Partei zulässt, das Landeswahlgesetz von Nordrhein-Westfalen aber bestimmt, dass Bewerber einer Partei nur sein kann, wer deren Mitglied ist und keiner anderen Partei angehört oder wer keiner Partei angehört, löst der Zeitungsartikel sowohl beim Kreiswahlleiter als auch unter den Rhein-Erft-Piraten Verwirrung aus.

 

Obgleich ich nie ein Hehl aus meiner Doppelmitgliedschaft gemacht und bereits Anfang März innerhalb der Piratenpartei über das „FDP-Mandat“ im Rat der Gemeinde Elsdorf informiert habe, werden mir Vorwürfe wegen der Veröffentlichungen in den Medien gemacht. Von Pressefreiheit haben manche Piraten noch nichts gehört.

 

Besonders die sehr pauschale und einseitige Kritik von zwei Mitpiraten, auf deren Meinung ich bisher großen Wert gelegt habe, wirft mich ziemlich aus der Bahn. Sie erreichen mich auch in einer Situation, in der ich auch durch andere Informationen sehr angeschlagen bin.

 

Im Interesse meiner Familie und meiner Gesundheit muss ich die Notbremse ziehen. Einen Tag nach der Landtagswahl, bei der ich in „meinem“ Wahlkreis immerhin 7,7 Prozent der Erststimmen bekomme, sogar 0,2 Prozentpunkte mehr als die Piraten Zweitstimmen erhalten, trete ich als Verwaltungspirat zurück und erkläre meinen vorläufigen Rückzug aus der Politik.

 

Diese Entscheidung fällt mir nicht leicht. Denn am 24. April 2012 war es mir mithilfe von zwei Mitpiraten gelungen, eine Crew Elsdorf zu gründen. Wegen der Auseinandersetzungen mit der FDP Elsdorf – auch wegen des Ratsmandats – will ich nicht Sprecher der Crew werden. Ich übernehme das Amt des Pressepiraten. Sprecher sollen die beiden Mitpiraten werden.

 

Leider kommt es anders als geplant. Da die Crew auch „Heimathafen“ der Piraten in Bedburg und Bergheim werden soll, solange es dort noch keine Crews gibt, schlägt einer meiner beiden Mitstreiter einen Piraten aus Bedburg als einen der beiden Sprecher vor. Dieser wird auch gewählt.

 

Er ist ein typischer Vertreter der Piraten, die jede konstruktive politische Arbeit verhindern, endlose Diskussionen über Formalien und „Nebenkriegsschauplätze“ führen und vor allem keine Entscheidungen fällen können und wollen. Von Organisations- und Führungsfähigkeiten ganz zu schweigen.

 

Es gelingt ihm, den Schwerpunkt der Crew nach Bedburg zu verlagern. Seine „Mit-Sprecherin“ muss sich aus familiären Gründen zurückziehen. Später tritt sie zur neuen Partei „Alternative für Deutschland – AfD“ über.

 

Die Umbenennung in Crew Bergheim-Bedburg-Elsdorf folgt am 4. Juli 2012 und schon am 24. Februar 2013 wird sie aufgelöst. Das war´s dann mit der Crew und den Piraten in Elsdorf.

 

Nach meinem Rücktritt als Verwaltungspirat findet am 23. Juni 2012 die Kreismitgliederversammlung 2012.2 statt, auf der neue Büropiraten gewählt werden. Es werden ein Verwaltungspirat und drei Stellvertreter sowie ein Pressepirat und ebenfalls drei Stellvertreter gewählt.

 

Ist die Piratenpartei verfassungsfeindlich?

 

Meinem Nachfolger geht es bald sehr ähnlich wie mir. So versucht der heimliche Vorsitzende der Rhein-Erft-Piraten bereits unmittelbar nach der Wahl, ihn vor seinen Karren zu spannen. Das lässt er aber nicht mit sich machen.

 

Er will die Rhein-Erft-Piraten innerhalb des Landesverbands gut positionieren, will auch, dass sie gegenüber der Öffentlichkeit, aber auch gegenüber anderen Gliederungen der Piratenpartei mit einer Stimme sprechen, geschlossen auftreten.

 

Damit macht er sich vor allem die starke Fraktion der „Anarchisten“ zu seinen erklärten Gegnern. Aber auch die, denen es um gut bezahlte Posten geht, sehen in ihm einen lästigen Konkurrenten. Sie suchen immer wieder nach dem berühmten Haar in der Suppe. Und natürlich: Wo gehobelt wird, da fallen Späne. Man findet also schnell, was man sucht.

 

Hinzu kommt, dass die deutsche Sprache nicht seine Muttersprache ist. Obwohl er sehr gut Deutsch spricht, drückt er sich schriftlich ungewollt schon einmal etwas missverständlich aus. Ein gefundenes Fressen für seine Gegner.

 

Nachdem ich mir dieses Spiel vor allem über die Mailingliste eine ganze Weile angeschaut habe, suche ich am 17. August 2012 das Gespräch mit meinem Nachfolger. Wir stellen dabei fest, dass wir in vielen politischen und organisatorischen Fragen sehr ähnliche Ansichten haben und in der Einschätzung der verschiedenen Akteure sowohl im Rhein-Erft-Kreis als auch auf Landesebene.

 

Eine öffentliche Auseinandersetzung über die vermeintlichen Fehler wird natürlich vermieden. Man will keine einvernehmliche Lösung, man will den „Störenfried“ beseitigen. Piraten, die sich an „Spielregeln“ halten, die Gesetz und Recht beachten wollen, stören. Man möchte sich nach dem Pippilotta-Prinzip die Welt so machen, wie man will.

 

Nachdem ich über die Mailingliste am 10. September 2012 vorschlage, den inzwischen etwas in Vergessenheit geratenen Rhein-Erft-Stammtisch für eine Aussprache über die diversen Kritikpunkte zu nutzen, wird dies zwar unter dem schönen Namen „Flottentreffen“ aufgegriffen, aber noch bevor es zu dieser Zusammenkunft am 4. November 2012 kommt, wird – an dem gewählten Verwaltungspiraten vorbei – eine Kreismitgliederversammlung am 22. Oktober 2012 einberufen.

 

Der heimliche Vorsitzende – zurzeit einer der Stellvertreter des Verwaltungspiraten – lässt sich und einen seiner Kollegen vom Landesvorstand damit beauftragen, zu dieser Kreismitgliederversammlung 2012.3 am 17. November 2012 einzuladen. Für mich ein klarer Verstoß gegen geltendes Recht.

 

Auf der Kreismitgliederversammlung im Rhein-Erft-Kreis am 23. Juni 2012 wurde zunächst der Verwaltungspirat und dann wurden drei Stellvertreter des Verwaltungspiraten gewählt.

 

In der aktuellen Geschäftsordnung für das Kreisbüro für den Rhein-Erft-Kreis vom 23. Juni 2012 ist von Verwaltungspiraten und nicht vom Verwaltungspiraten und seinen Stellvertretern die Rede. Die Stellvertreter sind also Abwesenheitsvertreter.

 

Sie werden in der Reihenfolge ihrer Wahl zum (amtierenden) Verwaltungspiraten, wenn der gewählte Verwaltungspirat und möglicherweise auch der mit einer höheren Stimmenzahl gewählte Stellvertreter daran gehindert sind, die Aufgaben wahrzunehmen.

 

Der gewählte und amtierende Verwaltungspirat war zum Zeitpunkt des Versands der Einladung anwesend und nicht verhindert.

 

Eine Regelung, die sowohl dem Verwaltungspiraten als auch seinen Stellvertretern erlaubt, gleichzeitig zu Mitgliederversammlungen einzuladen, würde nicht dem Sinn einer Geschäftsordnung entsprechen. Sie dient dazu, möglichst für eine klare Aufgabenabgrenzung zu sorgen.

 

Der kommissarische Politische Geschäftsführer im Landesvorstand, zu dessen Aufgaben die Organisation der politischen Arbeit und die Förderung der politischen Willensbildung gehören, schreibt, dass der Landesvorstand oder einzelne seiner Mitglieder entscheidet bzw. entscheiden, welcher Verwaltungspirat als Helfer des Landesvorstands gerade beauftragt wird.

 

Er dürfe also über die Köpfe der Mitglieder der Piratenpartei im Rhein-Erft-Kreis hinweg entscheiden, wer gerade als Helfer des Landesvorstands dienen soll.

 

Dies stellt den Sinn der Geschäftsordnung für das Kreisbüro, die vom Landesvorstand auch nicht beanstandet worden ist, die Abstimmungen und Wahlen auf den Kreismitgliederversammlungen und auch die entsprechende Regelung in der Landessatzung in Frage.

 

Wie sieht das eigentlich mit der Vereinbarkeit mit dem Parteiengesetz aus? Innere Ordnung? Innerparteiliche Demokratie? Gelten bei der Piratenpartei Regeln, die einen Durchgriff von oben über die Köpfe der Mitglieder hinweg erlauben? Basisdemokratie?

 

Darf ein nächsthöherer Parteivorstand tatsächlich in dieser massiven Form in die Rechte der Mitglieder in einer Gebietskörperschaft, in diesem Fall des Rhein-Erft-Kreises eingreifen, obgleich sie einen gewählten und vom Landesvorstand offiziell betrauten Verwaltungspiraten haben?

 

Welchen Sinn hat es, in einer Geschäftsordnung zwischen einem (ordentlichen) Verwaltungspiraten und seinen Stellvertretern zu unterscheiden, wenn es im Belieben des Landesvorstands liegt, wer gerade die Aufgaben wahrnehmen soll?

 

Gehört es nicht zu den Aufgaben des Landesvorstands oder des jeweils tätigen Vorstandsmitglieds im Sinne der Aufrechterhaltung der innerparteilichen Ordnung und Demokratie, sich davon zu vergewissern, dass der jeweilige Verwaltungspirat quasi auch im Amt ist bzw. der gewählte und amtierende Verwaltungspirat über den Sachverhalt informiert ist?

 

Wenn der kommissarische Politische Geschäftsführer im Landesvorstand meint, er könne sich an dem gewählten und betrauten Verwaltungspiraten vorbei unter den Stellvertretern einen Ansprechpartner, einen Handlanger aussuchen, fühle ich mich als Mitglied und Wähler des Verwaltungspiraten übergangen.

 

Die Einladung wurde daher rechtswidrig verschickt. Der gewählte und amtierende und damit allein zuständige Verwaltungspirat wurde weder vom Landesvorstand noch von den Versendern der Einladung vorab kontaktiert.

 

Und wenn die Einladung rechtswidrig bzw. geschäftsordnungswidrig verschickt wurde, dann wurden auch die dazu verwendeten Daten – in diesem Fall die E-Mail-Adressen – nicht bestimmungsgemäß und damit missbräuchlich genutzt. Dies stellt einen Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz dar. Ist den Piraten der Datenschutz nicht heilig?

 

Hätte nicht der Generalsekretär im Landesvorstand den an diesem Datenmissbrauch beteiligten Personen unverzüglich den Zugriff auf die Mitgliederdaten entziehen müssen?

 

In meinem Fall werden vom Generalsekretär und einem Beisitzer im Landesvorstand einem gewählten und amtierenden Verwaltungspiraten die Zugriffsrechte entzogen, ohne mir Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und ohne mich auch nur über die Maßnahme zu informieren, nur weil ich in einem internen E-Mail-Verkehr aufgrund einer massiven Verärgerung über einen Vertrauensbruch durch einen Mitpiraten einen Rücktritt als Verwaltungspirat zu einem späteren Zeitpunkt angekündigt habe.

 

Von einem Datenmissbrauch – wie hier im vorliegenden Fall – war seinerzeit überhaupt kein Hauch von einer Spur.

 

Es besteht der Verdacht, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Verwaltungspiraten, die ihr Amt selbstständig ausüben und sich nicht nur als Handlanger des Landesvorstands oder einzelner seiner Mitglieder sehen und es sogar wagen, auf die Gründung eines Kreisverbands mit noch mehr Autonomie gegenüber dem Landesvorstand im Sinne des Parteiengesetzes hinzuarbeiten, werden entmachtet.

 

Im vorliegenden Fall besteht und bestand zu keiner Zeit Anlass, in die Arbeit des für den Rhein-Erft-Kreis gewählten und betrauten Verwaltungspiraten einzugreifen. Dazu fehlt dem Landesvorstand jede Handhabe und Ermächtigung.

 

Der Landesvorstand hat sich in diesem konkreten Fall undemokratisch und rechtswidrig verhalten, in die Rechte der Rhein-Erft-Piraten eingegriffen und gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen.

 

Die Krönung ist, dass sowohl das nordrhein-westfälische Landesschiedsgericht als auch das Bundesschiedsgericht dem Landesvorstand recht geben. Was soll man dazu noch sagen?

 

Frei nach der Devise „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt.“ wird kurzerhand damit argumentiert, dass die so genannten virtuellen Kreise (Kreise ohne Kreisverband) gar keine Gliederung im Sinne des Parteiengesetzes seien und dieses damit insoweit keine Gültigkeit für die Piratenpartei habe.

 

Selbstverständlich sind „virtuelle Kreisverbände“ Gliederungen im Sinne des Parteiengesetzes, denn diese „Kreise ohne Kreisverband“ verfügen gemäß der Landessatzung über ein Parteiorgan, nämlich eine Mitgliederversammlung, das zusätzlich auch noch Parteiämter per Wahl vergeben darf, deren Inhaber vom Landesvorstand mit den notwendigen Befugnissen ausgestattet werden sollen.

 

Die Rechtsmeinung, es handele sich bei den „virtuellen Kreisverbänden“ um keine Parteigliederungen gemäß Parteiengesetz, wäre auch nicht mit der folgenden Bestimmung dieses Gesetzes zu vereinbaren:

 

㤠7 Gliederung

(1) ... Die gebietliche Gliederung muss so weit ausgebaut sein, dass den einzelnen Mitgliedern eine angemessene Mitwirkung an der Willensbildung der Partei möglich ist. ...“

 

Dementsprechend hat das Landesschiedsgericht NRW am 12. November 2012 die folgende Entscheidung getroffen:

 

„§ 5 Absatz 5 der Landessatzung [NRW] bestimmt, dass in Kreisen ohne Kreisverband eine Mitgliederversammlung Vertreter für bestimmte Aufgaben bestimmen kann, wie beispielsweise die Verwaltung der Mitgliederdaten, die Aufsicht über den Posteingang oder die Vertretung gegenüber der Presse. Diese Vertreter sollen vom Landesvorstand in seiner nächsten Sitzung auf Antrag in der Regel offiziell mit den bestimmten Aufgaben betraut werden. Entgegen der Auffassung des Landesvorstands [NRW] ist der durch die Mitgliederversammlung bestimmte Verwaltungspirat jedoch kein „regionaler Helfer“ kraft Auftrags durch und für den Landesvorstand, sondern der Verwaltungspirat und sein Aufgabengebiet wurde durch die Mitgliederversammlung bestimmt, indem er von ihr gewählt wurde. Damit ist die Mitgliederversammlung das alleinige Organ, das einen Verwaltungspiraten wieder absetzen könnte.“

 

Die Regelung in § 5 Absatz 5 der Landessatzung würde auch keinen Sinn ergeben, wenn der Landesvorstand angeblich gemäß § 6b Absatz 6 der Landessatzung abweichend nach eigenem Ermessen Beauftragungen für bestimmte Aufgaben aussprechen dürfte.

 

In § 6b Absatz 6 der Landessatzung NRW heißt es:

 

„Der Landesvorstand beschließt über alle organisatorischen und politischen Fragen im Sinne der Beschlüsse des Landesparteitages.“

 

Da ist von Beauftragungen keine Rede und schon gar nicht in Bezug auf § 5 Absatz 5 der Landessatzung.

 

Damit nicht genug. Natürlich kommt es am 17. November 2012 zu der Kreismitgliederversammlung 2012.3. Auf der Tagesordnung findet sich neben formalen Punkten der viel- oder auch nichtssagende Punkt „Anträge zur Geschäftsordnung des Kreisbüros“.

 

Der Gerüchteküche zur Folge soll auf dieser Versammlung der von der Kreismitgliederversammlung am 23. Juni 2012 rechtmäßig gewählte Verwaltungspiraten abgesetzt werden.

 

Davon ist aber auf der Tagesordnung nichts zu lesen. Auch die Anträge zur Geschäftsordnung des Kreisbüros werden nicht – wie in der Landessatzung gefordert – vorab den Mitgliedern zugeschickt.

 

Im Verlauf der Kreismitgliederversammlung ergibt sich sehr schnell, dass der Hauptzweck dieser Versammlung darin bestehen soll, den amtierenden Verwaltungspiraten abzuwählen und einen oder mehrere neue Verwaltungspiraten zu wählen.

 

Es ging also bereits zum Zeitpunkt der Einberufung und Einladung der Kreismitgliederversammlung am 22. Oktober um die Abwahl des Verwaltungspiraten.

 

Dies passt auch zur Aussage eines Landesvorstandsmitglieds, die dieses am 9. November während der Verhandlung des Landesschiedsgerichts macht. Er sagt, dass Mitglieder aus dem Rhein-Erft-Kreis wegen eines wichtigen Grunds die Einberufung einer Kreismitgliederversammlung beantragt hätten.

 

Da aus der Einladung kein besonderer Grund hervorgeht, die Tagesordnung enthält nur Formalia, spricht auch dies dafür, dass der wahre Grund die beabsichtigte Abwahl ist und bewusst verschwiegen werden sollte.

 

Diese geplante Abwahl wird in dem in der Einladung genannten Tagesordnungspunkt „Anträge zur Geschäftsordnung des Kreisbüros“ versteckt. Dies wird allerdings erst im Verlauf der Versammlung deutlich.

 

Dort nämlich wird ein Antrag präsentiert, der die Abwahl und die Neuwahl der Büropiraten möglich machen soll. Nach seiner Verabschiedung wird die Ab- und die Neuwahl eingeleitet.

 

Dieses Vorgehen hat die Mitglieder der Piratenpartei im Rhein-Erft-Kreis über den wahren Sinn der Kreismitgliederversammlung in grober Weise getäuscht. Wo bleibt da die von den Piraten so gern geforderte Transparenz? Warum diese Geheimniskrämerei?

 

Es ist davon auszugehen, dass deutlich mehr von den 175 Rhein-Erft-Piraten teilgenommen hätten, wäre ihnen bekannt gewesen, dass Wahlen vorgesehen sind, und hätte zudem die Versammlung nicht unter dem Vorbehalt stattgefunden, dass sie ohnehin nicht ordnungsgemäß eingeladen wurde und damit gar nicht beschlussfähig ist. Das Verfahren vor dem Landesschiedsgericht ist nach wie vor offen, da noch nicht zu allen Klagen Urteile und deren Begründungen vorliegen.

 

Zwar wurde auf die Anträge im Vorfeld der Versammlung per E-Mail über die Mailingliste der Rhein-Erft-Piraten am 12. November 2012 hingewiesen. Allerdings besteht keine Verpflichtung der Mitglieder, die Mailingliste zu abonnieren bzw. regelmäßig zu lesen. Ganz im Gegenteil ist seit einiger Zeit im Rhein-Erft-Kreis bekannt, dass sich Mitglieder ganz bewusst von der Mailingliste abgemeldet haben.

 

Die Abwahl des Inhabers eines Parteiamts und die Neuwahl solcher Inhaber ist eine so wichtige Angelegenheit der Willensbildung der Mitglieder einer Partei, das diese nicht ohne ausdrückliche Vorankündigung mit der Möglichkeit, sich auf eine solche Wahl bzw. eine solche Entscheidung vorzubereiten, durchgeführt werden darf.

 

So sah auch die Landessatzung noch zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Geschäftsordnung des Kreisbüros am 23. Juni 2012 folgende Regelung vor:

 

„Jedes Mitglied des Landesverbands hat das Recht ein Misstrauensvotum zu fordern. Der Antrag dazu muss mindestens 30 Tage vor dem Landesparteitag beim Landesvorstand eingegangen sein. ...“

 

Die inzwischen vorgenommene ersatzlose Streichung dieser Frist ist rechtswidrig. So heißt es im Bürgerlichen Gesetzbuch:

 

„Zur Gültigkeit des Beschlusses ist erforderlich, dass der Gegenstand bei der Berufung bezeichnet wird.“

 

Dies wird auch durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. November 1986 (Aktenzeichen: II ZR 304/85) bestätigt.

 

Dort heißt es: „Ist der Gegenstand der Beschlussfassung nicht oder so ungenau bestimmt, dass den Mitgliedern eine sachgerechte Vorbereitung der Versammlung und eine Entscheidung, ob sie an der Versammlung teilnehmen wollen, nicht möglich ist, so sind die auf der Versammlung gefassten Beschlüsse gemäß § 32 Abs. 1 Satz 2 BGB nichtig.“

 

Darüber hinaus hätten auch die Anträge zur Änderung der Geschäftsordnung des Kreisbüros vorab allen Mitgliedern im Rhein-Erft-Kreis bekannt gemacht werden müssen.

 

Die Geschäftsordnung, die satzungsähnlichen Charakter hat, wenn sie auch nicht die Bezeichnung Satzung trägt, enthält keine Regeln für Einladungs- und Antragsfristen.

 

Deshalb gilt gemäß der Präambel der Geschäftsordnung des Kreisbüros, in der auf die Landessatzung Bezug genommen wird, in Verbindung mit der Landessatzung, dass für solche Änderungsanträge eine Antragsfrist von 42 Tagen gilt und sie mit der Einladung zur Kreismitgliederversammlung zu veröffentlichen sind.

 

Die Bestimmungen für den Landesparteitag sind deshalb auf die Kreismitgliederversammlung anzuwenden, weil das Parteiengesetz bestimmt, dass die Satzung Bestimmungen über die Voraussetzung, Form und Frist der Einberufung der Mitglieder- und Vertreterversammlungen enthalten muss.

 

Da die Geschäftsordnung des Kreisbüros diese Bestimmungen für die Kreismitgliederversammlung nicht bzw. nur sehr unvollständig enthält und die Landessatzung, auf die (deshalb) ausdrücklich Bezug genommen wird, nur Bestimmungen für den Landesparteitag enthält, sind diese sinngemäß auf die Kreismitgliederversammlung in Kreisen ohne Kreisverband und deshalb auch ohne offizielle Satzung anzuwenden. Anderenfalls würde die Landessatzung gegen das Parteiengesetz verstoßen.

 

Zurück zur Kreismitgliederversammlung am 17. November 2012: Natürlich wird auch dieser Rahmen – ebenso wie das „Flottentreffen“ – nicht genutzt, um die Differenzen mit dem Verwaltungspiraten anzusprechen oder gar zu klären.

 

Erst als er die Versammlung bereits wegen der Verstöße gegen das Satzungsrecht und damit auch gegen das Parteiengesetz verlassen hat, wird die eine oder andere Stimme laut. Nun kann der Kritisierte auch nicht mehr darauf reagieren. Das hat für mich nichts mit Transparenz und nichts mit demokratischer Kommunikation zu tun.

 

Ein Lichtblick ist für mich die Gründung des Frankfurter Kollegiums in der Piratenpartei am 15. Dezember 2012. Bereits drei Tage zuvor habe ich meine Mitgliedschaft beantragt, da ich leider an der Gründungsversammlung in Frankfurt nicht teilnehmen kann. Das Frankfurter Kollegium sieht sich als Zusammenschluss der liberalen Kräfte unter den Piraten.

 

Leider ist dieser Lichtblick nur von sehr kurzer Dauer. Mein Antrag auf eine Mitgliedschaft wird nie abschließend bearbeitet und bereits nach einigen Monaten ist vom Frankfurter Kollegium nichts mehr zu sehen, zu hören oder zu lesen ...

 

Liberale inzwischen unerwünscht

 

Deshalb ist es für mich auch keine allzu große Überraschung, als mich am 25. April 2013 eine E-Mail des nordrhein-westfälischen Landesschiedsgerichts erreicht, aus der hervorgeht, dass der Landesvorstand mich aus der Piratenpartei ausschließen will.

 

Interessant ist dabei, dass als Mitglied des Landesvorstands noch der kommissarische Politische Geschäftsführer genannt wird, obgleich dieser am 5. April 2013 wegen seines unpiratigen Verhaltens freiwillig seinen Austritt aus der Piratenpartei erklärt hat.

 

Er hatte ein Gutachten unter Verschluss gehalten, dass Hinweise darauf enthält, dass die Versammlung, auf der die Kandidaten für die bevorstehende Bundestagswahl gewählt werden sollen, nicht ordnungsgemäß einberufen wurde und damit ihre Beschlüsse unwirksam sein könnten. Er selbst war für diese Einladungen verantwortlich. Das Gutachten wurde erst einige Zeit nach der Aufstellungsversammlung (Landeswahlversammlung) bekannt.

 

Dazu gab es sogar eine Pressemitteilung des Landesverbands unter der Überschrift: „Piraten stehen zu ihren Grundsätzen“.

 

Im Nachhinein erstaunt es mich nicht, dass dieser Mensch spätestens im Juni 2013 wieder als Parteimitglied und Beauftragter des Landesvorstands in Erscheinung tritt. Die Seilschaften und Cliquen funktionieren eben auch bei den Piraten. Frei nach Bundeskanzler Konrad Adenauer: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.“

 

Parteiausschlussverfahren scheinen zu diesem Zeitpunkt in der Piratenpartei – zumindest im Landesverband Nordrhein-Westfalen – ein übliches Mittel der innerparteilichen Auseinandersetzung zu werden. Kritische Mitglieder sollen zum Schweigen gebracht werden.

 

Das Satzungsrecht der Piratenpartei sieht vor, dass der Vorstand dem Mitglied vor dem Beschluss einer Ordnungsmaßnahme eine Anhörung gewähren muss. Der Beschluss ist dem Mitglied in Schriftform unter Angabe von Gründen zu überstellen.

 

Dies ist in meinem Fall nicht geschehen. Ich erfahre durch die E-Mail des Landesschiedsgerichts erstmals davon, dass der Landesvorstand gegen mich die Ordnungsmaßnahme „Ausschluss aus der Piratenpartei Deutschland“ beschlossen bzw. ein Parteiausschlussverfahren gegen mich eingeleitet hat. Ich wurde vom Landesvorstand nicht vorab informiert und schon gar nicht angehört.

 

Der Landesvorstand sieht in der Tatsache, dass ich eine andere Rechtsmeinung als dieser vertrete, dazu auch in der innerparteilichen Öffentlichkeit stehe und die in der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland vorgesehenen Rechtswege nutze oder nutzen möchte, einen schweren Schaden für die Piratenpartei, den ich ihr damit zugefügt habe.

 

Die angebliche Bereitschaft meinerseits, auch eine öffentliche Schädigung der Partei billigend in Kauf zu nehmen, die der Landesvorstand mir unterstellt, ist kein Grund für einen Parteiausschluss – weder nach dem Satzungsrecht der Piratenpartei noch nach dem Parteiengesetz.

 

Hier weitere Zitate aus dem Antrag des Landesvorstands – übrigens ohne Datum –, die eindeutig belegen, dass ich der Partei auch seiner Meinung nach keinen Schaden zugefügt habe:

 

„Vor allem durch wiederholte Vorwürfe bezüglich angeblich rechtswidrigen Verhaltens seitens der Kreismitglieder und des Landesvorstandes, den Verstoß gegen freiheitlich-demokratische Grundsätze, der Absicht ordentliche Gerichtsbarkeiten einzuschalten, sieht der Landesvorstand NRW die Bereitschaft seitens Wolfgang Gerstenhöfers als gegeben an, auch eine öffentliche Schädigung der Partei billigend in Kauf zu nehmen.“

 

„Im Rahmen dieses destruktiven Verhaltens ist zudem auch auf die damalige Entziehung der Rechte als Verwaltungspirat von Wolfgang Gerstenhöfer im April 2012 hinzuweisen, da trotz dieser damaligen Maßnahme keine Besserung in seinem Verhalten zu erkennen ist und er wiederholt Vorwürfe bezüglich Datenmissbrauch und Verstöße gegen den Rechtsstaat aufzeigt.“

 

„Der Landesvorstand sieht es als gegeben an, dass Wolfgang Gerstenhöfer, trotz oftmals anderslautender Beteuerungen oder anders erscheinender Äußerungen keinerlei Interesse an einer friedlichen und konstruktiven Arbeit in der Piratenpartei oder mit den Mitgliedern des Rhein-Erft-Kreises hat sowie nicht Willens ist möglichen Schaden von der Partei abzuwenden.“

 

„Dies sind nur exemplarisch aufgezeigte Belege für das Verhalten von Wolfgang Gerstenhöfer, welche nach Auffassung des Landesvorstandes NRW deutlich die Mutwilligkeit zu einer Schädigung der Parteiinteressen aufzeigen sowie sein tendenziell subversives Verhalten aufzeigen.“

 

Das genaue Gegenteil ist der Fall.

 

Ich sehe in dem Verhalten des Landesvorstands und auch der benannten Zeugen – ein Beleg dafür ist auch die Begründung des Antrags auf meinen Parteiausschluss – eine große Gefahr für das Ansehen und das Image der Piratenpartei.

 

Die rechtliche Fragwürdigkeit wird noch dadurch erhöht, dass eine Bestimmung, die dem Schutz eines von einer Ordnungsmaßnahme betroffenen Mitglieds dienen soll, dazu missbraucht wird, um das Schiedsgericht zu einem Geheimtribunal zu machen. Das hat schon etwas von Inquisition.

 

Die anerkannten Prozessmaximen einer rechtsstaatlichen Gerichtsverhandlung sind Mündlichkeit, Unmittelbarkeit und Öffentlichkeit.

 

Gerade die Maxime der Öffentlichkeit soll eine Kontrolle der gerichtlichen Tätigkeit durch die Öffentlichkeit gewährleisten und Geheimverfahren und willkürliche Verfahrensweisen verhindern.

 

Die Schiedsgerichtsordnung der Piratenpartei sieht zum Schutz der Persönlichkeitsrechte vor, dass zum Beispiel im Falle eines Parteiausschlussverfahrens das betroffene Mitglied – im vorliegenden Fall also ausschließlich ich – ein nichtöffentliches Verfahren verlangen darf. Dies habe ich ausdrücklich nicht getan – ganz im Gegenteil.

 

Trotzdem werden die Verfahrensbeteiligten vom nordrhein-westfälischen Landesschiedsgericht unter Berufung auf diese Bestimmung zur Vertraulichkeit bzw. zur Geheimhaltung verpflichtet.

 

Auch und gerade führende Mitglieder der Piratenpartei, die für Bürgerrechte, Transparenz, Offenheit und direkte Demokratie stehen möchte, müssen sich an Gesetz und Recht und die zur Zeit geltenden „Spielregeln“ halten und dürfen sich nicht ihre eigenen Regeln machen.

 

Für mich besteht hier der dringende Verdacht, dass Mitglieder, deren (liberale) Gesinnung für nicht genehm gehalten wird, innerparteilich mundtot gemacht und zum Schweigen gebracht werden sollen. Das ist der direkte Weg zu einer Kaderpartei. Soll das der Weg der Piratenpartei Deutschland sein?

 

Einem ehemaligen Bundesvorsitzenden der Piratenpartei wird die folgende Aussage zugeordnet: „Er sieht die Piratenpartei als sozialliberale Grundrechtspartei, die sich unter anderem für politische Transparenz einsetzen will.“

 

Vor diesem Hintergrund bin ich Mitglied der Piratenpartei geworden und dafür habe ich mich engagiert – bei Bedarf auch mit Hilfe der Schieds- und der ordentlichen Gerichtsbarkeit, wie das in einem freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaat üblich und vorgesehen ist. Denn dafür sind die Gerichte geschaffen worden. Das sehen die Piraten, die das Parteiausschlussverfahren gegen mich initiiert haben, offensichtlich anders.

 

Sie beanspruchen für sich, darüber urteilen zu dürfen, welches Verhalten konstruktiv, destruktiv oder sogar subversiv ist. Die als Mitglieder des Landesvorstands genannten Personen eignen sich sogar die Kompetenz an, Mitglieder besser machen, also in ihrem Sinne erziehen zu dürfen.

 

Dazu passt auch, dass die Piratenpartei Mitglieder und Interessenten über ihre offiziellen Mailinglisten dazu auffordert, Menschen, die eine andere Meinung vertreten, darin zu behindern, von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch zu machen, oder durch Lärm daran zu hindern, ihre Meinung öffentlich zu äußern.

 

Rosa Luxemburg, die sicher nicht unter dem Verdacht steht, eine Liberale gewesen zu sein, wird der folgende Satz zugeschrieben: „Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden.“

 

Stehen die Piraten damit noch auf dem Boden unseres Grundgesetzes? Oder bekämpfen sie dadurch bereits unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung? Mit Blick auf die Entscheidungen der Schiedsgerichtsbarkeit bis auf Bundesebene kann man wohl nicht mehr von Einzelfällen sprechen.

 

Außerdem habe ich von Anfang an zwei führende Mitglieder des Bundesvorstands der Piraten und – soweit es die Verfahren vor den Schiedsgerichten betraf – auch das Bundesschiedsgericht immer auf dem Laufenden gehalten. Die Bundesvorstandsmitglieder haben nie reagiert. Das Bundesschiedsgericht hat meine E-Mail-Adresse gesperrt.

 

Dabei sind insbesondere die Mitglieder des Bundesvorstands laut der Bundessatzung der Piraten in der Pflicht:

 

„Die Landesverbände sind verpflichtet, alles zu tun, um die Einheit der Piratenpartei Deutschland zu sichern, sowie alles zu unterlassen, was sich gegen die Grundsätze, die Ordnung oder das Ansehen der Piratenpartei Deutschland richtet. Sie haben auch ihre Organe zu einer gleichen Verhaltensweise anzuhalten.

Verletzen Landesverbände, ihnen nachgeordnete Gebietsverbände oder Organe diese Pflichten, ist der Bundesvorstand berechtigt und verpflichtet, die Landesverbände zur Einhaltung dieser Pflichten aufzufordern.“

 

 

Projekt „Piratenpartei“ gescheitert: Klarmachen zum Kentern

 

Handeln durch Unterlassen: Der Bundesvorstand billigt ganz offensichtlich die Verstöße vor allem durch Inhaber von Parteiämtern gegen Grundsätze unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, insbesondere des demokratischen Rechtsstaats und gegen die eigenen Parteigrundsätze wie Transparenz und ein Mehr an Mitbestimmung bzw. Basisdemokratie.

 

Im Wahlkampf vor der nordrhein-westfälischen Landtagswahl 2012 gab es ein Plakat mit dem folgenden Text:

 

„Wir halten uns ans Grundgesetz, da sind wir konservativ.“

 

Das hatte mir sehr gut gefallen und entspricht auch meiner Haltung. Inzwischen weiß ich es aus eigener Erfahrung besser: Dieser Spruch gilt bestenfalls für Themen der inneren Sicherheit.

 

In allen anderen Bereichen halten es die Piraten wohl doch eher mit dem Kollektivismus à la Sozialismus und Kommunismus und nehmen es dann auch mit den Bestimmungen unserer Verfassung nicht ganz so ernst.

 

Freiheit wird mit (persönlicher) Verantwortungslosigkeit verwechselt. Die Verantwortung wird dann gern an irgendwelche Mehrheiten in irgendwelchen Gremien abgeschoben – möglichst anonym und nicht haftbar zu machen.

 

So rufen auch die Piraten auf dem Gebiet der Gesundheitspolitik – ein anderes Steckenpferd von mir – nach einer Zwangs-Einheits-Staats-Krankenkasse, auch gern beschönigend als Bürgerversicherung bezeichnet.

 

Als Mitglied der Arbeitsgruppe Gesundheit habe ich seit dem 15. Januar 2012 für eine Krankenversicherungsreform geworben, die freiheitlich und nachhaltig (generationengerecht) und gleichzeitig sozial und solidarisch ist.

 

Dabei sollen die Stärken aus den Bereichen der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung – und das schließt einen Wettbewerb einerseits und eine materielle Staatsaufsicht andererseits ganz bewusst mit ein – so miteinander kombiniert werden, dass die jeweiligen Stärken beibehalten und die Schwächen möglichst ausgeglichen werden können.

 

Gleichzeitig muss diese Reform auch mit dem Grundgesetz vereinbar sein und damit die Rechte aller Beteiligten wahren. Auch wenn „nur“ etwa 10 Prozent der Bevölkerung eine private Krankheitskostenvollversicherung haben, haben auch diese Menschen und auch ihre Versicherer Rechte, die man nicht einfach missachten kann und darf.

 

Diesen Zielen dient mein Konzept, das ich schon am 17. Januar 2012 als Grundlage für eine „piratige Krankenversicherungsreform“ angeboten habe.

 

Seinerzeit war ich noch davon überzeugt, dass die Piraten unter Freiheit die Freiheit im Sinne des Liberalismus verstehen, also eine Kombination aus Freiheit, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung. Das ist leider nicht so.

 

Dazu passt dann auch die Aussage des Bundesvorsitzenden: „Er hoffe darauf, bei einem Einzug in den Bundestag [nach dem 22. September 2013] eine rot-grüne Minderheitsregierung tolerieren zu können.“

 

Brauchen wir in Deutschland wirklich noch eine Partei der Bevormundung, der Gängelung sowie der Besserwisser und Zwangsbeglücker? Sicher nicht.

 

Wir brauchen endlich eine Partei, die sich für den Liberalismus mit allen seinen Aspekten, für Freiheit und Verantwortung in allen Bereichen einsetzt – auch für die soziale Freiheit, für wirtschaftliche Unabhängigkeit.

 

So ist das Bedingungslose Grundeinkommen, mit dem die Piraten Furore gemacht haben, keine Erfindung der Piraten, sondern in Form der negativen Einkommensteuer oder des Bürgergelds eine Idee der Liberalen, die leider nie konsequent verfolgt wurde.

 

Das Projekt „Piratenpartei Deutschland“ ist gescheitert. Schade. Es hatte so hoffnungsvoll begonnen.

 

Nun geht es darum, die positiven Ansätze, die es selbstverständlich gegeben hat, und die Ideale der Piraten, die sie selbst leider verraten haben, in die anderen Parteien der Bundesrepublik Deutschland zu tragen und dort zu erhalten und auszubauen.

 

In dieser Hinsicht danke ich den Menschen, die am 10. September 2006 die Piratenpartei Deutschland in Berlin gegründet haben. Auf der einen Seite müssen sie mit Schrecken begleiten, was ihre Nachfolger – Anarchisten und Opportunisten – aus ihrer Partei und ihren Ideen gemacht haben.

 

Auf der anderen Seite können sie aber stolz darauf sein, dass sie die anderen Parteien in Richtung Transparenz und ein Mehr an Bürgerbeteiligung, aber auch in Richtung Bürgerrechte, Datenschutz und Privatsphäre sensibilisiert haben. Dies gilt es fortzusetzen.

 

Und vielleicht finden sich ja doch noch Liberale, denen es gelingt, die Partei des Liberalismus in und für Deutschland zu gründen ...