Reden von Christian Lindner

http://www.christian-lindner.de/files/204/180515_Rede_Rechenschaftsbericht.pdf


http://www.christian-lindner.de/files/204/180515_Rede_Programmatik.pdf

 

Von: Wolfgang Gerstenhöfer [mailto:wolfgang.gerstenhoefer@gmx.de]
Gesendet: Donnerstag, 21. Mai 2015 09:38
An: Lindner, Christian
Betreff: Ihre Reden auf den BPT

 

Sehr geehrter Herr Lindner,

 

hiermit biete ich Ihnen wieder eine Rückmeldung zu Ihren beiden Reden an, die Sie anläßlich des 66. ordentlichen Bundesparteitags der FDP am 15. und am 16. Mai 2015 in Berlin gehalten haben:

 

Lassen Sie mich zu beiden Reden das Folgende feststellen: Ihre Reden gefallen mir grundsätzlich. Sie würden mir noch wesentlich besser gefallen, wenn es nicht den großen Glaubwürdigkeitsverlust in den Jahren von 2009 bzw. 2010 bis 2013 gegeben hätte.

 

Ein Glaubwürdigkeitsverlust, der nach meiner Überzeugung nur deshalb so drastisch (gewesen) ist, weil er sich letztendlich über viele Jahre durch die Rolle der FDP als Zünglein an der Waage aufgebaut hat ... Hier spielt auch das Image als Fähnlein im Wind ("Funktions- und Klientelpartei") eine Rolle, das man nach meinem Eindruck immer wieder eher durch bestimmte Verhaltensweisen und Aussagen gefördert hat, als ihm vehement und wirkungsvoll entgegenzutreten.

 

Warum sehe ich Ihre Reden so? Ihre Reden bleiben - und das habe ich auch in der Vergangenheit bei Ihren Reden bereits bemängelt - sehr an der Oberfläche. Dies ist dann möglich und in Ordnung, wenn ein großer Vertrauensvorschuß vorhanden ist, wenn man davon ausgehen kann, daß die Zuhörer, die möglichen Wähler schon wissen, was gemeint ist.

 

Nach meiner Überzeugung können Sie das aber nicht (mehr) bzw. noch nicht. Genau dieses Vertrauen müssen Sie für die FDP und für sich erst (wieder) gewinnen.

 

Wen sprechen Sie an - als mögliche Wähler? Das habe ich mich gefragt, als ich Ihre Reden gelesen habe. Wie haben Sie gemeinsam mit der von Ihnen ausgewählten und beauftragten Werbeagentur die Zielgruppe der FDP definiert? (Warum eigentlich eine Werbe- und keine Kommunikationsagentur?)

 

http://www.wuv.de/agenturen/heimat_moechte_die_fdp_retten

 

Sind es die mindestens 20 Prozent Liberale, die man in Deutschland vermutet, oder wer ist es? Ich weiß es leider nicht.

 

 

Politischer Rechenschaftsbericht (15.5.2015)

 

"... da wollen wir den Einzelnen wieder groß machen - und nicht den Staat."

 

Das hört sich irgendwie liberal an. Das könnte Liberale ansprechen. Was bedeutet das aber konkret? Wie soll das funktionieren? Beispiele!

 

Denn solche Aussagen sind für die FDP nicht wirklich neu. Und es bleibt der Zweifel. Schöne Worte, aber werden denen auch Taten folgen?

 

Oder sind es (wieder) nur leere Versprechungen? Oder sind es nur Versprechungen für Menschen, die ohnehin niemanden brauchen, um ihren Weg zu gehen? Freie Bahn für Aufsteiger, Draufgänger, Besserverdiener, Karrieristen und Überflieger?

 

Bitte denken Sie daran, daß die FDP von vielen Menschen - auch von Liberalen - nach wie vor als Partei der Ellenbogengesellschaft, der sozialen Kälte, der Klientelpolitik, des "Manchesterkapitalismus" (= arbeitnehmer- und gewerkschaftsfeindlich und einseitig arbeitgeber- und unternehmerfreundlich), der Pöstchenjäger und/oder der Prinzipienlosigkeit bzw. des Opportunismus empfunden wird.

 

Sie sprechen an einer Stelle Ihrer Rede von Bodenhaftung. Genau diese Bodenhaftung vermisse ich. Die wünsche ich mir.

 

"Ausgerechnet dort, wo die Menschen vor 25 Jahren für ihre Freiheit demonstriert haben, gibt es in den Parlamenten keine Stimme der Freiheit mehr."

 

Aber warum ist das denn so? Warum sehen gerade die Wähler in den "neuen Bundesländern" die FDP eben nicht als Stimme der Freiheit? Haben Sie das mit Hilfe Ihrer Kommunikationsberater mal analysiert?

 

Kann es sein, daß Sie sehr weit weg von den Menschen, von ihrem Alltag und den damit verbundenen Herausforderungen und Problemen sind?

 

Image folgt Fakten! Konkret werden ... Holen Sie die Menschen da ab, wo ihre Themen und sie sind ... Bitte keinen "Katheder-Liberalismus"!

 

Glauben Sie wirklich, daß Millionen Ihr Verständnis teilen? Die FDP muß nicht fürchten, für nichts zu stehen, sondern vor allem ihre Mitglieder müssen fürchten, wieder auf der Straße zu stehen und Positionen verteidigen zu müssen, die sie selbst nicht verstehen, nicht nachvollziehen und nicht als liberal empfinden können.

 

Weil wir gerade beim Stichwort "liberal" sind. Mir ist immer noch nicht klar, wie Sie es denn nun mit dem Liberalismus halten. Wissen Sie es? Meinen Sie Ihre Mitglieder und vor allem Ihre möglichen Wähler wissen es?

 

In der Bundessatzung der FDP (Stand: 10.5.2014) heißt es in § 1 Absatz 2: "Die FDP ist die liberale Partei in Deutschland. Verpflichtendes Ziel für alle Liberalen ist die Stärkung von Freiheit und Verantwortung des Einzelnen. Die FDP steht für Toleranz und Weltoffenheit, für eine Ordnung der sozialen Marktwirtschaft

und für den freiheitlichen Rechtsstaat."

 

Und trotzdem haben Sie am 6. Januar dieses Jahres anläßlich des FDP-Dreikönigstreffens in Stuttgart in einer öffentlichkeitswirksamen Aktion - ganz offensichtlich auf Empfehlung Ihrer Werbeagentur - den Zusatz "Die Liberalen" entfallen lassen. Das war ein ganz klares Signal.

 

Ein Signal, das mindestens so deutlich war, wie die Aufnahme des Zusatzes im Jahr 1976.

 

Damals hat man sich eindeutig zum Liberalismus bekannt, 2015 hat man sich von ihm distanziert ...

 

 

Rede (16.5.2015)

 

Sie setzen dem Begriff "German Angst", der im angelsächsischen Sprachraum eine als charakteristisch empfundene, gesellschaftliche und politische, kollektive Verhaltensweise der Deutschen bezeichnet, den Begriff "German Mut" entgegen.

 

Soll das nun die neue Weltanschauung der Freien Demokraten werden? Ist die FDP ab jetzt nicht mehr liberal, sondern "german-mutig"?

 

Ich halte es mit Herrn Dr. Burkhard Hirsch. Das war und ist einer von den Liberalen in der FDP, unter den Freien Demokraten. (Bei Interesse ab 18:34 "Berlin direkter": http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/2406358/Berlin-direkt-vom-17.-Mai-2015#/beitrag/video/2406358/Berlin-direkt-vom-17.-Mai-2015)

 

Sie behaupten, daß Skepsis die Abrißbirne der Möglichkeiten sei. Denken Sie das tatsächlich?

 

Liberale müssen skeptisch sein und bleiben. Skepsis hat doch nichts mit fortschrittsfeindlich zu tun. Hätte es Humanismus, Rationalismus, Aufklärung und damit Liberalismus ohne Skepsis gegeben? Skepsis ist positiv ...

 

Handelsabkommen sind grundsätzlich sinnvoll, wenn es darum geht, den Austausch von Waren und Dienstleistungen zu erleichtern, zu liberalisieren. Ist aber nicht mit Blick auf den NSA-Skandal und die BND-Affäre ein "gesundes" Quentchen Skepsis gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika angebracht?

 

Gehörte es nicht gerade zu den Aufgaben der Freien Demokraten, falls sie sich noch als Liberale sehen, darauf zu achten, daß sogenannte Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA den freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaat nicht gefährden (Stichwort Investitionsschutz), aber auch Gesundheits-, Umwelt- und Verbraucherschutz nicht aufgeweicht bzw. unterlaufen werden?

 

Nach meiner Überzeugung ist Freihandel gut, aber auch nicht zu jedem Preis, nicht zu Lasten von Freiheit und Selbstbestimmung.

 

Der Gegenpart zu Globalisierungsgegnern, Kulturpessimisten und angeblichen Verbraucherschützern sind für mich keine "Hurra-Kapitalisten" und auch keine Zweckoptimisten, sondern Liberale.

 

Bei vielen Mitgliedern der Piratenpartei Deutschland habe ich mich immer darüber gewundert, wie man einerseits bei der inneren Sicherheit berechtigterweise so skeptisch gegenüber Staat und Politik sein kann und andererseits wie staatsgläubig bei der sozialen Sicherheit.

 

Bei der FDP erstaunt mich oft, wie man auf der einen Seite erfreulicherweise die Grundsätze der liberalen und damit sozialen Marktwirtschaft im Sinne des Ordoliberalismus verteidigt, aber in der konkreten Wirtschafts(ordnungs)politik auf der anderen Seite so gutgläubig und manchmal auch leider korporatistisch sein kann.

 

Sie kritisieren - aus meiner Sicht völlig zu Recht - den zunehmenden Etatismus und die zunehmende Bevormundung der Bürger. Nudging ist da wohl ein recht neues Schlagwort, auch "libertärer Paternalismus" genannt

 

Gleichzeitig empfehlen Sie der Bundesrepublik Deutschland als wichtigste und erste Reform eine Reform der Mentalität. Wird das nun eine "freie demokratische" Umerziehung?

 

Sorry, aber habe ich das richtig gelesen?

 

Da kommt mir ein Zitat des Dramatikers Bertolt Brecht in etwas abgewandelter Form in den Sinn, dessen Texte ansonsten gar nicht zu meiner bevorzugten Lektüre gehören:

 

"Das Volk hat das Vertrauen der FDP verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die FDP löste das Volk auf und wählte ein anderes?"

 

Dabei kann das Wort Volk auch durch das Wort Liberale ersetzt werden.

 

Bisher war ich der Überzeugung, daß gerade das Menschenbild des Liberalismus sich dadurch auszeichnet, daß man den Menschen mit allen seinen Stärken und Schwächen so nimmt, wie er nun einmal ist, und nicht von einem Idealbild ausgeht, wie das andere Ideologien gern machen, dem die Menschen sich anpassen sollen.

 

Ist das die "neue FDP"? Sie erstaunen mich immer wieder, leider nicht immer wieder positiv.

 

Haben Sie Ihre Rede selbst geschrieben oder haben Sie sich eines Werbetexters bedient? Ich kann und will nicht glauben, daß Sie das waren. Haben Sie Ihre Rede vorab gelesen?

 

Bitte sehen Sie mir diese Fragen nach, aber ich bin wirklich sehr überrascht, entsetzt und irritiert. Lag das in Ihrer Absicht?

 

Nach der mißglückten Steuerreform nun eine Mentalitätsreform?

 

Ihre Ausführungen rund um das Thema Bildungspolitik gefallen mir da schon deutlich besser.

 

Schön, daß Sie Forderungen der F.D.P. wieder ans Licht holen, die man unter anderem bereits in ihrem Wahlprogramm anläßlich der Wahl zum Deutschen Bundestag am 5. Oktober 1980 finden konnte. (Nur am Rande: Nachdem mich die Idee des Liberalismus überzeugt hatte, war es dieses Programm das mich 1983/84 zur F.D.P. gebracht hat. Die Lektüre lohnt sich immer noch ...)

 

http://www.freiheit.org/files/288/1980_Bundestagswahlprogramm.pdf

 

Programme hatte die FDP schon viele, und viele davon waren sehr liberal, waren sehr gut. Sie sind aber geduldig. Die Inhalte müssen von den Repräsentanten gelebt und in die Parlamente getragen werden - und zwar auch ohne sichere Mehrheiten dafür zu haben ...

 

Ich bin also schon sehr gespannt, was die Mandatsträger der FDP in den kommenden Wochen tun werden, um die Beschlußlage in die Praxis umzusetzen. Als Vorsitzender der FDP-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen sind Sie da auch ganz persönlich gefragt und gefordert.

 

In diesem Zusammenhang bin ich über Ihre Aussage gestolpert, daß die Angriffe auf das Gymnasium nicht nachlassen. Heute werde über Fragen der inneren Organisation die innere Vergesamtschulung des Gymnasiums schleichend vollzogen.

 

Ja. Das sehe ich auch so.

 

Schlimm ist nur, daß es zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen die FDP gemeinsam mit der CDU war, die durch die Schulzeitverkürzung ("G8 statt G9") im Jahr 2005 SPD und Bündnis90/Die Grünen eine Steilvorlage geliefert hat, um das Gymnasium weiter zu diskreditieren.

 

Bis heute ist man meines Wissens nicht bereit, sich selbst und den Wählern gegenüber einzugestehen, daß die entsprechende Änderung des Schulgesetzes überstürzt bzw. voreilig und die Umsetzung unter Federführung von Frau Barbara Sommer (CDU) mangelhaft war und auf dem Rücken von Schülern, Lehrern und Eltern ausgetragen wurde und nach wie vor wird. Runde Tische hin oder her ...

 

Wie ernst kann man vor diesem Hintergrund die Bildungspolitik der Freien Demokraten nehmen und wie sicher kann man sein, daß sie nicht auch zu Lasten der Betroffenen gehen wird?

 

Dank der Volksinitiative "G9 jetzt in NRW" bekommt die FDP Nordrhein-Westfalen am 17. Juni 2015 eine neue Chance, sich zu positionieren und zu zeigen, wie wichtig ihr das Gymnasium und der Lernerfolg der Schüler sind.

 

Sehr angenehm ist die klare Forderung nach einer Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Von solchen Botschaften hätte ich mir mehr gewünscht. Möglicherweise wäre noch ein Hinweis darauf angebracht gewesen, warum die FDP das Thema nicht schon vor 2013 in der Koalition mit der CDU priorisiert hat.

 

Sehr gespannt bin ich darauf, wie das am Ende Ihrer Rede geforderte Mehr an Selbstbestimmung in den sechs genannten Bereichen aussehen und vor allem wie es erreicht werden soll.

 

Mit Interesse werde ich verfolgen, ob und gegebenenfalls welche Anträge und Anfragen die noch vorhandenen Fraktionen der Freien Demokraten stellen werden, um das aktuelle Programm zu verwirklichen.

 

Leider habe ich bisher noch keine Möglichkeit gefunden, über solche Aktivitäten auf dem laufenden gehalten zu werden. Das gilt übrigens auch für Pressemitteilungen der Fraktionen (und der Landesverbände).

 

Gibt es einen zentralen Verteiler, auf den man sich setzen, oder eine Mailingliste, die man abonnieren kann? (Kann es übrigens sein, daß es den "Presseservice der Liberalen" nicht mehr gibt?)

 

Lassen Sie mich abschließend sagen: Für mich ist und bleibt der Begriff Liberalismus als Ideologie der Freiheit positiv besetzt und dafür werbe ich und engagiere ich mich - zum Beispiel im Verein "Liberale Zukunft Deutschland" und auch durch diese E-Mail.

 

http://liberale-zukunft.de/

 

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Wolfgang Gerstenhöfer

liberal - sozial (human) und trotzdem freiheitlich (libertär) -

und das seit über 30 Jahren ...

 

http://gerstenhoefer.jimdo.com/

 

 

Das ist doch mal eine liberale Aussage und Position:

"Zum erneuten Streik der Lokführergewerkschaft GDL sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der FPD, Wolfgang Kubicki, zu FOCUS Online: „Der erneute Streik der Bahn ist ärgerlich und für viele Bahnkunden auch unverständlich. Aber das ist die Folge der grundgesetzlich garantierten Koalitionsfreiheit. Ein Streik, der nicht weh tut, taugt nichts. Es ist an der Bahn, hierauf angemessen zu reagieren. Entweder mit einem vernünftigen Angebot oder aber mit einer Anrufung der Gerichte. Gewerkschaftsbashing jedenfalls ist keine Lösung.“"

Sehen Sie das auch so oder bleiben Sie bei Ihrer bisherigen Haltung?

http://www.focus.de/finanzen/news/bahn-streik-im-live-ticker-rekord-streik-gdl-legt-personenverkehr-bereits-ab-mittwoch-lahm_id_4690474.html

 

 

Und für diese vermeintliche Selbstverständlichkeit (Abschluß eines eigenständigen Tarifvertrags für alle Mitglieder) waren nun neun (9!) Streikaktionen nötig ...

 

Die Stimme der liberalen Vernunft statt der Gewerkschaftsschelte wäre hier wesentlich früher und vor allem lauter und klarer nötig gewesen!

 

Ich kann nur hoffen, daß aus dem privatrechtlich organisierten Staatsunternehmen Deutsche Bahn AG nun endlich ein echtes Privatunternehmen wird, dessen Anteile nicht zu 100 Prozent im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland sind.

 

"Das Recht auf Streik ist ein Grundrecht!

 

Zum erneuten Streik der GdL äussert sich Najib Karim wie folgt:

" Der Streik trifft mich wie alle anderen, aber ich habe Verständnis für die Nutzung des Streikrechts durch die Gewerkschaft. Es wäre inakzeptabel, wenn die Deutsche Bahn auf Zeit spielen sollte, bis das verfassungswidrige Tarifeinheitsgesetz durch den Bundestag durchgepeitscht wurde."

 

http://neueliberale.org/…/das-recht-auf-streik-ist-ein-grun…"