Herzlichen Glückwunsch - nachträglich!

Sehr geehrter, lieber Herr Baum,

 

gern reihe ich mich, wenn auch mit etwas Verspätung, sehen Sie es mir bitte nach, in die Vielzahl Ihrer Gratulanten ein.

 

Ganz herzlich gratuliere ich Ihnen nachträglich anläßlich Ihres Geburtstags und wünsche ich Ihnen für Ihr neues Lebensjahr alles Gute, viel Vergnügen mit Ihrem kulturellen und viel Erfolg für Ihr nach wie vor bewundernswertes politisches und juristisches Engagement sowie vor allem geistige und körperliche Gesundheit und Zufriedenheit im Kreis Ihrer Lieben!

 

Es müßte der 21. November 1984 gewesen sein, als ich eine Rede auf dem Kreisparteitag der Kölner FDP im Brauhaus Sion gehalten habe - in Ihrer Anwesenheit.

 

Es war eine Premiere. Denn es war meine erste politische Rede, die ich vor einem solchen Gremium halten durfte. Ich war sehr aufgeregt. Trotzdem mußte und wollte ich sie halten - unbedingt. Seinerzeit war ich 17 Jahre jung.

 

Anlaß und Gegenstand dieser Rede waren die sogenannte Bonner Wende, die unter anderem am 17. September 1982 leider zu Ihrem Rücktritt als Bundesminister des Innern geführt hatte, und als eine deren Folgen das Ausscheiden der FDP aus dem Kölner Stadtrat bei der Kommunalwahl am 30. September 1984.

 

Sie hatten in einer Bundestagsrede die Art des Koalitionswechsels kritisiert und Bundeskanzler Helmut Schmidt nicht Ihr Mißtrauen ausgesprochen. Das hat mich beeindruckt.

 

Den Koalitionswechsel an sich habe ich nicht bedauert, die Art und Weise gefiel mir aber ebenfalls nicht.

 

Mein Anliegen bestand darin, deutlich zu machen, daß ich es für notwendig und auch für möglich halte, daß die FDP, deren Mitglied ich am 11. Januar 1984 geworden war, in einer Koalition ihre Identität als liberale Partei behält.

 

Die FDP hat den Liberalismus fast immer nur in Teilgebieten vertreten - mal mehr im Bereich der Außen-, Finanz- und Wirtschaftspolitik - mit CDU/CSU, mal mehr im Bereich der Innen-, Rechts- und Gesellschaftspolitik - mit der SPD.

 

In der Bundesrepublik Deutschland, der Bonner Republik war, sie oft das Zünglein an der Waage. Das Image des Fähnleins im Wind, des Mehrheitsbeschaffers hat sich die FDP spätestens seit dem Jahr 1961 eingehandelt.

 

Leider ist der Text meiner Rede verloren gegangen. Ich erinnere mich aber daran, daß es mir darum ging, dafür zu werben, daß es keinen Widerspruch zwischen der erforderlichen Koalitionsdisziplin und der programmatischen Eigenständigkeit geben muß - und darf.

 

Nach meiner Überzeugung müssen die Repräsentanten der Partei immer wieder erklären, was sie wegen der jeweils bestehenden Koalition entscheiden und warum sie dies für vertretbar halten, gleichzeitig aber auch immer verdeutlichen, was sie machen würden, wenn sie eine absolute Mehrheit oder gar eine verfassungsändernde Mehrheit hätten.

 

Dieses Thema hat mich übrigens seit damals nicht mehr losgelassen und immer wieder beschäftigt. Ich habe zwar keine Rede mehr dazu gehalten, aber viel darüber geschrieben - in E-Mails und auf Facebook.

 

Sicher ist es in der Theorie sehr viel einfacher als in der Praxis. Nichtsdestotrotz war und bin ich der Meinung, daß man so manche kommunikativen Fehler während der Koalition unter Führung von Helmut Kohl und auch später unter der Führung von Angela Merkel hätte vermeiden können.

 

Daher denke ich, daß meine Rede auch heute noch aktuell wäre und gehalten werden könnte.

 

Bleiben Sie uns Liberalen und dem ganzheitlichen Liberalismus, freiheitlich und gleichzeitig sozial, mit Ihren Überzeugungen und Ihrer Leidenschaft und Schaffenskraft noch lange erhalten, damit Sie weiterhin Ihre Stimme erheben und den Finger in die Wunden legen können.

 

Auch wenn ich der FDP nicht mehr angehöre und sie auch seit einigen Jahren - im Unterschied zu Ihnen - nicht mehr für eine liberale Partei halte, sie wurde von Frei(heitlich)en Demokraten übernommen, wird sie mir nie gleichgültig sein und werde ich niemals die Hoffnung aufgeben, daß man auf Liberale wie Sie hört und sie doch wieder bzw. noch zu einer liberalen, zur Liberalen Partei Deutschlands wird.

 

Nun freue ich mich auf die Lektüre Ihres neuen Buches "Menschenrechte - Ein Appell" und des Buches "In liberaler Mission: Gerhart Baum und die deutsche Demokratie" von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die ich übrigens auch sehr schätze und gern im Jahr 2010 als Bundespräsidentin und ab dem Jahr 2013 als Bundesvorsitzende der FDP gesehen hätte.

 

Lassen Sie sich gebührend feiern - in Köln, Berlin und Dresden, von Verwandten, Freunden und Weggefährten.

 

Für mich werden Sie immer der Grandseigneur des Liberalismus sein und bleiben, ein Vorbild und eine Inspiration.

 

Mit liberalen und herzlichen Grüßen aus Elsdorf in die Kölner Südstadt

Ihr Wolfgang Gerstenhöfer

 

 

Gerhart Rudolf Baum war seinerzeit  Mitglied des Deutschen Bundestages seit Dezember 1972, Bundesminister des Innern a. D., einer der stellvertretenden Bundesvorsitzenden der FDP und Mitglied im Landesvorstand der FDP Nordrhein-Westfalen.

 

Baum hatte in einer Bundestagsrede die Art des Koalitionswechsels kritisiert und Bundeskanzler Helmut Schmidt nicht sein Mißtrauen ausgesprochen. Er hatte der Bundesregierung seit dem 15. Dezember 1972 angehört, zunächst als  Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern und dann nach dem Rücktritt von Werner Maihofer ab dem 8. Juni 1978 als Bundesminister des Innern, der damals auch noch für die Umweltpolitik zuständig war.