Rede von Christian Lindner auf dem Landesparteitag der FDP NRW

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Sent: Wednesday, April 16, 2014 11:25 AM
Subject: Ihre Rede auf dem Landesparteitag der FDP NRW
 
Lieber Herr Lindner,
 
leider habe ich mich erst gestern und heute mit dem Inhalt Ihrer Rede befassen können, die Sie auf dem Landesparteitag der FDP NRW am 5. April gehalten haben.
 
 
Als ich die folgende Passage gelesen hatte, da war ich sehr erstaunt. Irgendwie kam mir dieser Text bekannt vor.
 

"Die Bundestagswahl hat eine Zäsur bedeutet. Nicht nur für unsere eigene Arbeit, sondern auch für die Entwicklung unseres Landes insgesamt. Über ein Jahrzehnt hat es in Deutschland eine couragierte Reformpolitik gegeben. Kluge Tarifabschlüsse von Gewerkschaften und Arbeitgebern haben unsere Wettbewerbsfähigkeit verbessert. Es gab die Flexibilisierungen der Agenda 2010. Es gab eine kluge stabilitätsorientierte Politik von 2009 bis 2013. Hier in Nordrhein-Westfalen hat es Bildungsreformen gegeben. Deutschland steht heute gut da. Aber was passiert jetzt? Letzte Woche haben wir alle unsere Uhren eine Stunde vorgestellt. In der Politik aber wird in diesen Wochen die Uhr gut ein Jahrzehnt zurückgestellt. Und zwar im Bund  wie im Land. Agenda 2010 war damals. Jetzt kommt der Mindestlohn und die Freiheiten am Arbeitsmarkt werden eingeschränkt. ... Es ließen sich viele weitere Beispiele dafür finden, dass es gegenwärtig so etwas gibt wie eine Verliebtheit in den Status quo. Manche glauben, Deutschlands Stärke sei selbstverständlich. Als gäbe es irgendwo im Grundgesetz einen Passus, in dem steht, Deutschland ist wettbewerbsfähig und erfolgreich. Als könne man mit 80 Prozent Mehrheit im Deutschen Bundestag auch beschließen, wie die Weltkonjunktur läuft. Die Bundesregierung hat vergessen, dass wir vor 15 Jahren einmal der „kranke Mann“ Europas waren und uns mit harter Arbeit herausgewirtschaftet haben. Wenn Deutschland seine gegenwärtige Stärke für selbstverständlich hält, dann sind wir bereits dabei, sie wieder zu verspielen. Und dazu darf es nicht kommen."

 
Und dann fiel es mir ein. Da hat die alte FDP aus Ihnen gesprochen. Das ist keine neue FDP. Entschuldigung, aber das hätte auch Ihr Vorgänger, Herr Dr. Philipp Rösler sagen können.
 
War das ein Zugeständnis an die "alten" Freidemokraten, die nicht so richtig liberal sein wollen?
 
Das ist die FDP für die Menschen, die auf der Sonnenseite des Lebens stehen, für die, die - wie eine Katze - immer wieder auf ihren Beinen landen.
 
Das ist keine liberale, also soziale und trotzdem freiheitliche FDP, die auch für die Menschen da ist, die nicht so viel Glück im Leben hatten oder haben.
 
Gehören für Sie "Hartz-IV-Empfänger" tatsächlich so gar nicht zur möglichen Zielgruppe Ihrer FDP? Das kann ich nicht glauben.
 
Der weitere Inhalt Ihrer Rede hat mir gut bis sehr gut gefallen - mal von dem starren und sehr konservativen Beharren auf der Braunkohleverstromung und der sehr ambitionierten Hoffnung auf eine Optimierung von G8 im Alltag abgesehen. (Oder wirbt die FDP nun für Gesamtschulen?)
 
Aber auch im weiteren Verlauf habe ich von der neuen FDP sehr wenig gefunden.
 
In dem folgenden Passus steckt etwas von der neuen FDP, für mich zu wenig, noch zu abstrakt.
 

"Diese innere Liberalität unserer Gesellschaft zu verteidigen, das ist der Auftrag der Freien Demokraten. Den starken Rahmen zu sichern, innerhalb dessen wir uns dann aber alle frei entfalten können müssen. ... Wir sind die Partei, die allen Menschen die Hindernisse aus dem Weg räumen will, die der Verwirklichung ihrer konkreten Lebensziele entgegenstehen."

 
Haben Sie möglicherweise am 7. April im Bayerischen Fernsehen den Bericht "Nie wieder arbeiten? Das Grundeinkommen für jeden" gesehen?
 
 
In der Weiterentwicklung der liberalen Idee der negativen Einkommensteuer halte ich dieses Projekt "Bedingungsloses Grundeinkommen" für sehr interessant.
 
Vor allem die Ansichten von Herrn Daniel Hänli aus der Schweiz - dort wird das Thema wohl Gegenstand einer Volksabstimmung werden - und Herrn Götz Werner fand ich sehr nachdenkenswert.
 
 
 
Da man - so mein Eindruck - schon lange nichts mehr vom Bürgergeld der FDP gehört hat, ergeben sich hier vielleicht neue Aspekte.
 
Die Idee, ein neues Mitglied in den Landesvorstand einbinden zu lassen, ist nicht schlecht. Ich kenne zwar Frau Marie-Christine Ostermann (noch) nicht, aber ich habe - mit Blick auf ihren Werdegang - meine Zweifel, ob sie wirklich viel für eine Neuausrichtung und für die Glaubwürdigkeit der FDP bei einem größeren Wählerkreis beitragen kann.
 
Diese FDP schafft vielleicht mal wieder fünf Prozent, als "Funktionspartei" irgendwann auch mal ein paar mehr Prozentpunkte, aber sie wird sicher nicht das Potential von 20 oder gar 30 Prozent ausschöpfen.
 
Berufen Sie als Bundesvorsitzender einen ehrenamtlichen Beirat - mit circa sieben Mitgliedern -, der Sie berät und sich aus Menschen zusammensetzt, die ganz verschiedene Alters- und Berufsgruppen, Schichten und Lebensmodelle vertreten. Ich unterstütze Sie dabei gern.
 
Oder muß ich nun meine Hoffnung auf eine liberale Partei doch (wieder) ausschießlich auf die Piratenpartei setzen? Das wäre schade. Wird meine Idee von einer Vereinigung aller Liberalen zu einer Partei doch nur ein schöner Traum bleiben?
 
Ich bleibe dran. So schnell gebe ich nicht auf.
 
Beste Grüße und schöne Ostertage
Ihr Wolfgang Gerstenhöfer
liberal - sozial und trotzdem freiheitlich