Liberale Gesundheitsreform (13.6.2010)

Liebe Parteifreundinnen, liebe Parteifreunde,
 
die Einführung einer kleinen Gesundheitsprämie mit sozial gestaffelten Beitragssätzen ("Gesundheits-Kombi") halte ich nicht für den richtigen Weg, um unser liberales Modell der demographieresistenten und damit generationengerechten und nachhaltigen Finanzierung der (gesetzlichen) Krankenversicherung in die Tat umzusetzen.
 
Wie die Berichterstattung in vielen Medien bereits gezeigt hat, ist dieser Vorschlag des Bundesministeriums für Gesundheit kommunikativ sehr schwierig zu vermitteln. Die (kleine) Gesundheitsprämie wird in einer breiten Öffentlichkeit lediglich als umbenannter neuer Zusatzbeitrag und damit als zusätzliche Belastung und - da in Form eines absoluten Betrags erhoben - als unsozial wahrgenommen; die bis zu sechs nach dem Einkommen gestaffelten Beitragssatzstufen gehen dabei fast völlig unter.
 
Hinzu kommt, daß der von den Arbeitgebern zu zahlende Beitragssatz angehoben werden soll. Diese zusätzliche Belastung der Wirtschaft mit etwa drei Milliarden Euro jährlich erhöhen die Lohnnebenkosten und beeinträchtigen damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands weiter.
 
Die nicht nur vom Arbeitseinkommen abhängigen Beitragssatzstufen führen zu einem nicht unerheblichen administrativen Aufwand und erhöhen die Komplexität des ohnehin schon sehr komplexen Systems der gesetzlichen Krankenversicherung - aus meiner Sicht ohne Not.
 
Das kann meines Erachtens keine Lösung sein. So unbefriedigend es ist, aber wenn wir unser Modell zur Zeit nicht durchsetzen können, dann sollten wir dies deutlich machen und den aktuellen Zustand zunächst belassen. Alles andere ist doch nur eine "Verschlimmbesserung".
 
Bitte sehen Sie mir, lieber Herr Dr. Rösler, diese Einschätzung nach. Sie wissen, daß ich sehr viel von Ihnen halte, und ich weiß, daß Sie in unserer Bundesregierung keine leichte Aufgabe übernommen haben - ganz im Gegenteil. Gerade deshalb sollten Sie sich nicht aufreiben lassen, indem Sie versuchen, es allen recht zu machen. Das wird nicht funktionieren.
 
Ich meine, daß ein Sozialausgleich über das Steuersystem der einzig richtige Weg ist. Wenn Menschen mit höherem Einkommen durch die Gesundheitsprämie (Kopfpauschale) künftig weniger zahlen, dann muß es doch möglich sein, ihnen über das Steuersystem einen höheren Anteil abzuverlangen. Selbstverständlich müssen dann die privat Versicherten in das Ausgleichsmodell einbezogen werden.
 
Auch die beitragsfreie Mitversicherung von Ehepartnern ohne eigenes Einkommen muß angegangen werden. Dies kann nicht so bleiben. Sie, liebe Frau Flach, haben dies in Ihrem Beitrag in der neuen Ausgabe der Vierteljahresschrift "liberal" deutlich gemacht ("Krankenschwester finanziert die Ehefrau des Chefarztes.").
 
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg für unsere liberale Gesundheitsreform. Für Fragen und nähere Einzelheiten stehe ich Ihnen natürlich gern zur Verfügung.
 
Mit freundlich-liberalen Grüßen
Ihr Wolfgang Gerstenhöfer

 

Auszug aus dem Deutschlandprogramm 2009

"In der Krankenversicherung muss der Weg wegführen von der Lohnbezogenheit der Beiträge und vom Umlageverfahren hin zu einem leistungsgerechten Prämiensystem, das über Kapitaldeckung eine sichere Grundlage für eine generationengerechte Verteilung der Lasten schafft und gleichzeitig dafür sorgt, dass jeder Bürger so weit wie möglich selbst bestimmen kann, was er wie absichern will. Die FDP spricht sich aus für eine Pflicht zur Versicherung der Risiken, die den Einzelnen im Krankheitsfall überfordern würden, bei einem Versicherer der eigenen Wahl. Jeder Bürger muss die Möglichkeit haben, im Umfang der Existenz bedrohenden Risiken unabhängig vom Gesundheitszustand ohne die Erhebung von Risikozuschlägen versichert zu werden. Wer ein höheres Sicherheitsbedürfnis hat, kann sich selbstverständlich für einen umfangreicheren Versicherungsschutz entscheiden. Dabei sind auch unterschiedliche Tarifgestaltungen möglich.

 

Jede Generation soll vom Grundsatz her die von ihr verursachten Gesundheitskosten über die gesamte Lebenszeit selbst tragen. Das ist nur möglich, wenn in der Zeit, in der wenig Gesundheitsleistungen in Anspruch genommen werden, Rücklagen aufgebaut werden für die Zeit, in der mehr medizinische Versorgung benötigt wird.

 

Der soziale Ausgleich zwischen Einkommensstarken und Einkommensschwachen soll nicht mehr innerhalb der Krankenversicherung stattfinden, wo er zum Teil zu Ungereimtheiten oder sogar Ungerechtigkeiten führt und jegliches individuelles Kostenbewusstsein außer Kraft setzt. Er gehört vielmehr in das Steuer- und Transfersystem, wo jeder nach seiner Leistungsfähigkeit herangezogen wird. Die Kosten für die Krankenversicherung der Kinder sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und daher aus Steuermitteln zu finanzieren."

 

Auszug aus dem Koalitionsvertrag vom 26.10.2009

 

"Langfristig wird das bestehende Ausgleichssystem überführt in eine Ordnung mit mehr Beitragsautonomie, regionalen Differenzierungsmöglichkeiten und einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeiträgen, die sozial ausgeglichen werden. Weil wir eine weitgehende Entkoppelung der Gesundheitskosten von den Lohnzusatzkosten wollen, bleibt der Arbeitgeberanteil fest. Zu Beginn der Legislaturperiode wird eine Regierungskommission eingesetzt, die die notwendigen Schritte dazu festlegt."