Meine Antwort an Gyde Jensen zu ihrem Beitrag "Deutschlands Weg zu Neuwahlen - Zu heute und der Zukunft" auf Facebook am 13. November 2024
"Seit einer Woche ist die erste Ampel-Koalition im Bund Geschichte..."
Stimmt. Die Ampelkoalition und damit auch die "Lindner-FDP" sind Geschichte. Diese sozialliberale Fortschrittskoalition wäre eine große Chance für unser Land, unsere Gesellschaft und die Liberalen in der FDP gewesen - nach 16 Jahren "Unionskanzlerschaft" und sieben Jahren Rot-Grün. Hat man erst nach über drei Jahren gemerkt, mit wem man eine Koalition eingegangen ist?
Die Ampelkoalition wurde weder von Olaf Scholz und der SPD noch von der Partei "Bündnis 90/Die Grünen", sondern von den Frei(heitlich)en Demokraten in der FDP untergraben und torpediert. Sie wurde frei nach dem Motto "Besser 'falsch' regieren als gar nicht mehr regieren." begründet, aber nur von ganz wenigen Vertretern dieser FDP, von den verbliebenen Liberalen wirklich als Zukunftsprojekt, als Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit gesehen und genutzt.
Christian Lindner wollte - nach acht Jahren vermeintlicher Kärrnerarbeit für die Partei - unbedingt Bundesminister der Finanzen werden, aber er und seine Freiheitlichen waren nicht wirklich willens, an einer sozialliberalen Koalition konstruktiv und kooperativ mitzuwirken.
Wir wissen jetzt, daß es wohl eher der damalige Generalsekretär gewesen ist, der - aufgrund seiner guten Erfahrungen aus Rheinland-Pfalz - bereit für die Ampelkoalition war. Zwischenzeitlich hatte ich schon an Volker Wissing gezweifelt, aber im nachhinein bestätigt sich mein gutes Gefühl, daß ich hatte, als er die Nachfolge der freiheitlichen Linda Teuteberg angetreten hat.
Es erinnert etwas an Philipp Rösler und Christian Lindner, nur mit umgekehrten Vorzeichen. Diese "neue" FDP sah sich von Anfang an in dieser Regierung nicht als Partner, sondern als Korrektiv. Niemand kann mir glaubhaft vermitteln, daß es nicht möglich gewesen wäre, Kompromisse zu finden und zu schließen, mit denen alle Beteiligten gut hätten leben können, wenn man es gewollt hätte.
Die FDP á la Lindner, Kubicki, Dürr und Djir-Sarai hat es aber nicht (mehr) gewollt. Das haben viele Vertreter dieser FDP in den vergangenen Wochen immer wieder überdeutlich gemacht. Und wieder hat man eine Chance vertan. Statt die noch verbleibenden zehn Monate zu nutzen, hat man unser Land zur Unzeit völlig unnötig in eine Krise geführt.
Die Frei(heitlich)en Demokraten drücken sich - mit Ausnahme von Volker Wissing - vor ihrer Verantwortung für unser Gemeinwesen. Wissing, dem anscheinend die Grundwerte noch etwas bedeuten, für die die FDP mal gestanden hat, zolle ich für seine Entscheidung großen Respekt. Sein Ruhegehalt gönne ich ihm. Die "Lindner-FDP" hat sich aus dem Kreis der staatstragenden Parteien der Bundesrepublik Deutschland verabschiedet.
Unabhängig davon, ob die Wahlen nun im Januar, im Februar oder im März oder sogar noch im Dezember stattgefunden hätten oder stattfinden werden, ist damit zu rechnen, daß wir auch auf Bundesebene Verhältnisse bekommen werden, wie wir sie jetzt in Sachsen und Thüringen haben. Bedanken können wir uns dafür bei Christian Lindner und seinen Anhängern.
Diese haben eine große Chance vertan, weil Lindner schon nach der Bundestagswahl im Jahr 2013 sich dafür entschieden hat, aus der FDP eine andere Partei zu machen. Von der Partei "NEOS" als Vorbild war die Rede, deshalb die Farbe Magenta, die FPÖ ist es dann geworden. Man hätte die Chance gehabt, aus ihr eine liberale, endlich die Liberale Partei Deutschlands zu machen.
Dazu hätte ein Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit gepaßt. Geworden ist daraus die Freiheitliche Deutsche Partei. Die braucht aber niemand. Die gibt es nämlich schon - in Gestalt der Partei "AfD". Die hat die Rolle bereits besetzt - gegründet auch von nicht wenigen Frei(heitlich)en Demokraten aus der FDP.
Werden die Freiheitlichen nach dem erneuten Ausscheiden aus dem Bundestag das sinkende Schiff verlassen? Man kann es für die FDP nur hoffen. Mal schauen, wer so alles aus der "Lindner-FDP" spätestens nach der Bundestagswahl zur Partei "AfD" wechseln wird... Für Demokratie und Vielfalt, gegen Rassismus, Haß und Hetze!
Man wird sehen, ob die FDP eine Auszeit bis zum Jahr 2029 nutzen kann, um als liberale Partei wieder einen Platz in unserem Parteiensystem zu finden. Ein Anfang wäre es schon, wenn man sich wieder an das eigene Grundsatzprogramm erinnern würde, das im Jahr 2012 beschlossen wurde, an dem übrigens auch Volker Wissing mitgewirkt hat und das - zumindest offiziell - nach wie vor gilt: Karlsruher Freiheitsthesen der FDP für eine offene Bürgergesellschaft!
"…Wie mit dem Ende dieser Koalition in den letzten Tagen umgegangen wurde, lässt mich persönlich nur den Kopf schütteln. Ernsthaft - gerade in den letzten Monaten hätte doch allen Beteiligten und Beobachtern klar sein müssen, dass die Handlungsfähigkeit der Ampel nicht nachhaltig bestand. Und dadurch unweigerliche Konsequenzen bevorstanden…"
Wie wurde denn mit dem Ende umgegangen? Klar war allen Beobachtern bekannt, daß die "neue" FDP á la Lindner und Kubicki diese Koalition so beenden wollte, daß sie sich als Opfer, als Märtyrer darstellen kann. Provokationen, "Drohungen" und Ultimaten - seit Monaten. Christian Lindner hat das Bundesministerium der Finanzen für Wahlkampfzwecke mißbraucht und seit Wochen auf dieses chaotische Ende hingearbeitet. Er hat seit den Jahren 2014 und 2015 viel von der Partei "AfD" gelernt. Es war und ist die "Lindner-FDP", die die Demokratie beschädigt, Politik-, Parteien- und Demokratieverdrossenheit weiter gefördert und das Vertrauen in eine Koalitionsregierung erschüttert hat. Sie war nicht willens oder in der Lage dazu, eine Koalition zum gemeinsamen Erfolg zu führen.
Der Versuch von Lindner, sich als Überzeugungstäter und als Opfer einer Erpressung darzustellen, das dazu gezwungen werden sollte, seinen Amtseid zu brechen, ist schon sehr peinlich und vor dem Hintergrund des Verhaltens von ihm und seinen Anhängern wenig glaubwürdig. Auch seine Erzählung, er habe es menschlich nicht mehr ertragen, Bürger vertrösten zu müssen, weil man keine Mehrheit habe, ist für einen Bundesvorsitzenden der FDP ein Armutszeugnis und nicht überzeugend.
"…Aber die grundlegend unterschiedlichen Vorstellungen der Partner über den notwendigen Politikwechsel für unser Land waren prägend für die Entwicklung...Wenn es um einen grundlegenden Richtungswechsel in der Politik unseres Landes geht, dann kann das eben nicht auf einen Kompromiss hinauslaufen…"
Diese Ehrlichkeit spricht nun für Sie. Die "Lindner-FDP" wollte also gar keinen Kompromiß. Sie wollte keine Einigung im Koalitionsausschuß. Mir war das klar. Schön, daß Sie das nun bestätigen. Christian Lindner wollte "mit dem Kopf durch die Wand" oder eben die Beendigung durch die Koalitionspartner provozieren.
Wäre es dieser FDP wirklich um einen Politikwechsel gegangen, wie seinerzeit Guido mit "seiner" FDP im Jahr 2009 für einen Politikwechsel angetreten ist, dann hätte man die Koalition ordentlich beendet. Einem amtierenden Bundeskanzler Neuwahlen vorzuschlagen, ist eher bizarr und zählt nicht dazu.
Die Programme der freiwillig gewählten Koalitionspartner dürften wohl hinreichend bekannt gewesen sein. Warum haben die Frei(heitlich)en Demokraten das Bündnis nicht spätestens zur Halbzeit, meinetwegen auch nach der Sommerpause beendet? Sich gerade in der jetzigen Situation "vom Acker zu machen", spricht für sich selbst und nicht für diese FDP.
Es ist doch nicht so, daß die Koalition daran zerbrochen ist, daß sich Lindner am Abend des 6. November 2024 nicht darauf einlassen wollte, Ausnahmen vom Kreditaufnahmeverbot zu akzeptieren. Die Frei(heitlich)en Demokraten hadern doch quasi von Beginn an mit dieser Ampelkoalition, haben versucht, kaum war die Tinte unter dem Koalitionsvertrag trocken, sich immer wieder von ihr zu distanzieren.
Mit Blick auf die Menschen, die man vor allem seit dem Jahr 2015 für die FDP geworben hat, ist das keine Überraschung. Es waren eben keine Liberalen, es waren und sind Freiheitliche. Daß die mit einer sozialliberalen Koalition, wie sie Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher geführt haben, nicht einverstanden sind, war zu erwarten.
Christian Lindner wollte aber unbedingt regieren. Irgendwie muß man doch seinen Namen in den Geschichtsbüchern verewigen: "Lindner-Depot". Ob er es geschafft hat? Das wird die Zukunft zeigen.
"…Die Reaktionen der Wirtschaft und vieler unabhängiger Experten nach Bekanntwerden von Christian Lindners 18-seitigem Konzept für eine Richtungsentscheidung waren eindeutig…"
Es geht doch gar nicht um den Inhalt. Inhalte sind wichtig und sollten grundsätzlich auch vor Form gehen. Trotzdem: Die Art und Weise geht innerhalb einer Koalition gar nicht.
Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher und Klaus Kinkel wußten noch, wie eine Koalition funktioniert. Schade, daß dieses Wissen und Können anscheinend in der FDP verlorengegangen ist.
Lindner hat ein wirtschaftspolitisches Positionspapier von Mitarbeitern des Bundesministeriums der Finanzen erstellen lassen, für sich genommen schon allerhand, das mag für die FDP als Partei gut gewesen sein, es mag auch sinnvolle, möglicherweise sogar liberale Punkte enthalten haben, war aber mit Blick auf den Zustand dieser Regierung ein weiterer Affront.
Die Koalitionspartner coram publico mit Forderungen und Vorschlägen zu konfrontieren, die diese provozieren und in Zugzwang bringen, ist keine Art und Weise, wie man in einer Regierungskoalition miteinander umgeht, es sei denn, man möchte ihre Beendigung erreichen, am besten "ohne sich die Hände schmutzig zu machen".
"Lindners 18-seitiges Konzept" war ein Scheidungsantrag, ein Fehdehandschuh - immer mit Blick auf die Vorgeschichte. Lindner wollte Genscher und Lambsdorff in einer Person spielen, ohne auch nur ansatzweise deren Fußstapfen ausfüllen und vor allem ohne eine Alternative bieten zu können
"…Besonders irritierend waren die Versuche einer Erklärung des Kanzlers, die er auch noch Tage nach seinem Kontrollverlust im Koalitionsausschuss abgab. Insbesondere die Voraussetzungen für eine „außergewöhnliche Notlage“ als Grundlage für einen vermeintlich legitimen Bruch der Schuldenbremse wurden intensiv diskutiert. Die großen verfassungsrechtlichen Bedenken konnte der Kanzler jedoch in keiner Weise ausräumen. Auch der Vorwurf, die FDP wolle die Unterstützung der Ukraine ausbremsen, ist absurd. Durch Umschichtungen im Verteidigungsetat hätten für SPD-Minister Pistorius weitere 500 Millionen Euro mobilisiert werden können. Die TAURUS-Frage lehnt der Kanzler weiterhin ab.
Ein verantwortungsvoller Umgang mit unserer Demokratie bedeutet auch, dass wir auf den gemeinsamen Umgang und die politische Kultur in unserem Land achten. Die Art und Weise, wie der Bundeskanzler seinen Ärger über Christian Lindner am Abend des Bruchs zum Ausdruck gebracht hat und politisch instrumentalisiert, ist für mich nicht nachvollziehbar und auch nicht zu rechtfertigen. Denn ein Bundeskanzler - der Regierungschef eines Landes ist - sollte nicht auf diese Weise über seine früheren Regierungspartner sprechen? Da waren die politischen Kommentare und Stimmen eindeutig.
Nach einer Trennung fallen auch unfreundliche Worte, das ist mir bewusst. Die Erwartung der Menschen ist jedoch, dass wir uns nicht Beleidigungen und Animositäten hingeben, sondern uns den Problemen des Landes widmen. Wir müssen uns bewusst sein, dass wir mit jedem Kontrollverlust bei Sprache und Umgang den Ton aufrauen. Davon profitiert allerdings nicht die demokratische Kultur, sondern die Ränder. Deshalb gilt für mich Michelle Obamas Kredo:
When they go low, we go high…"
Kontrollverlust? Bruch der "Schuldenbremse"? Beleidigungen? Gemeinsamer Umgang? Politische Kultur? "Wenn sie niedrig sind, gehen wir hoch"?
Zunächst einmal stelle ich fest, daß Sie - im Gegensatz zu den anderen Verlautbarungen, die ich bisher aus dem Hause Lindner gelesen habe, - nicht von Verfassungswidrigkeit schreiben, sondern von "großen verfassungsrechtlichen Bedenken". Das ist ein deutlicher qualitativer Unterschied. Bisher hieß es immer, Olaf Scholz habe allein die Aussetzung der "Schuldenbremse" gefordert und die Freien Demokraten vor die Wahl: Koalitions- oder Verfassungsbruch gestellt.
Das Narrativ, Olaf Scholz habe von Christian Lindner verlangt, seinen Amtseid zu brechen, ihn zu erpressen versucht und die Koalition durch die Ankündigung der Entlassung von Lindner aufgekündigt, wird nicht verfangen, es sei denn man gehört zu Lindners Jüngern.
Das ist die genaue Umkehr der Tatsachen:
Die Frei(heitlich)en Demokraten in der FDP opponieren seit Monaten gegen die eigene Regierung, kokettieren seit Wochen mit dem Bruch der Koalition, arbeiten darauf hin. Immer wieder Streit coram publico, man findet nach fast vier Wochen eine Einigung, um sie dann wenige Tage später wieder in Frage zu stellen, Provokationen mit diversen Papieren, Ultimaten...
Lindner wollte die Sitzung des Koalitionsausschusses am 6. November 2024 nutzen, um seine Entlassung zu provozieren und damit einen Grund zu haben, die "FDP-Minister" aus der Regierung abzuziehen, die Koalition zu beenden und gleichzeitig behaupten zu können, nicht er, nicht die FDP habe die Koalition platzen lassen, sondern Olaf Scholz habe sie aufgekündigt.
Insofern muß man ihm dann doch fast wieder Respekt dafür zollen, daß ihm das gelungen ist - und das bei einem Mann wie Olaf Scholz, der sich nicht schnell aus der Ruhe bringen, nicht leicht provozieren läßt.
Deshalb hat mir auch seine Rede danach sehr imponiert. Gerade Olaf Scholz wurde immer wieder dafür kritisiert, keine Emotionen zu zeigen, alles an sich abgleiten zu lassen und viel zu sachlich und formal zu sein ("Scholzomat").
Jetzt zeigte er endlich Emotionen, seine Frustration, Enttäuschung und Verärgerung, und es war auch wieder nicht richtig und wird kritisiert. Helmut Schmidt und Helmut Kohl hätten wahrscheinlich nicht so eine deutliche Rede gehalten, hätten dafür aber dieser FDP, Lindner und Konsorten längst die Stühle vor den Kabinettssaal stellen lassen.
Scholz wäre übrigens ein schlechter Bundeskanzler und sehr unprofessionell, wenn er sich nicht auf diesen Fall vorbereitet hätte. Die Kritik, die "Wutrede" sei vorbereitet gewesen, weil von einem Teleprompter abgelesen, die ganze Aktion von Scholz inszeniert worden, geht völlig ins Leere.
Es waren die Frei(heitlich)en Demokraten, die mit dem Ende der Koalition geliebäugelt haben; es waren nicht Olaf Scholz, die SPD und die Partei "Bündnis 90/Die Grünen". Nun zu versuchen, die Tatsachen zu verdrehen und den Schwarzen Peter mal wieder anderen zuzuschieben, ist ziemlich armselig und beschämend.
Das ist der FDP unwürdig. Und wenn sich einer mit dem Orchestrieren von Ausstiegsszenarien auskennt, dann ist das wohl Christian Lindner. Ich kann mich noch gut an den 19. November 2017 erinnern...
Lindners Verhalten erinnerte mich schon länger sehr an sein Verhalten während der Sondierungsgespräche im Jahr 2017. Da hatte er auch gehofft, daß die Gespräche von einer der anderen Parteien beendet werden. Erst als es nicht mehr anders ging, hat er die Notbremse gezogen - nach fast vier Wochen.
Auch dieses Mal schien Lindner darauf gehofft und hingearbeitet zu haben, daß andere und nicht er die Koalition für gescheitert erklären, um nicht den Schwarzen Peter zu haben. So ganz ist es ihm nicht gelungen, deshalb mußte er seine Entlassung erzwingen.
Lassen Sie mich an dieser Stelle noch etwas zur "Schuldenbremse" schreiben:
Die sogenannte Schuldenbremse der Großen Koalition ist ein gutes Beispiel dafür, daß gut gemeint oft das Gegenteil von gut gemacht ist. Die Bundesrepublik Deutschland ist sehr lange Zeit auch ohne diese Regelung im Grundgesetz ausgekommen.
Die "Schuldenbremse" als Selbstzweck und als "goldenes Kalb" der FDP á la Lindner, Kubicki, Djir-Sarai und Dürr...
Ich frage mich, wie die FDP existieren und vor allem erfolgreich regieren konnte, bevor man diese sogenannte Schuldenbremse zum 1. August 2009 im Grundgesetz verankert hat.
Die "Schuldenbremse" ist ein Armutszeugnis für unsere Bundestagsabgeordneten. Sie paßt aber in diese Zeit, in der Verantwortung gern abgewälzt wird. Die ehemaligen "FDP-Bundesfinanzminister" Rolf Dahlgrün und Heinz Starke brauchten sie nicht. Das Grundgesetz war auch ohne "Schuldenbremse" eine gute Verfassung.
Man muß nicht alles regeln, schon gar nicht in einer Verfassung. Da wären andere Themen wichtiger. Das Grundgesetz umfaßt inzwischen rund 23.000 Wörter - die Ursprungsfassung von 1949 kam - inklusive Anhang - mit circa 12.500 aus.
Als Liberaler bin zwar auch ich der Meinung, daß Schulden - vor allem im Hinblick auf die Stabilität des Geldwerts - grundsätzlich vermieden werden sollten. Keine Schulden zu machen, ist aber kein Selbstzweck und auch kein Allheilmittel.
Es kann und wird doch niemand bestreiten, daß wir in einer Zeit leben, die man durchaus als krisenhaft bezeichnen kann. Wir brauchen Investitionen in die Zukunft und zwar ohne die Wirtschaft gegen die Wand zu fahren und innere, äußere und soziale Sicherheit gegeneinander auszuspielen.
Ich sehe daher das Thema "Schuldenbremse" eher so wie Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) - und die "Wirtschaftsweisen", wie der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Deutschland ist mit einem Vermögen von über 16 Billionen Euro das viertreichste Land der Welt und verhält sich inzwischen wie ein Staat, der kurz vor der Insolvenz steht.
Was soll denn die bessere Alternative zu dieser Koalition sein? Sie war eine große Chance nach 16 Jahren "Unionskanzlerschaft" und sieben Jahren Rot-Grün, wirklich etwas positiv zu bewegen und zu verändern - in unserer Gesellschaft, aber auch in unserer Wirtschaft. Lindner und die Frei(heitlich)en Demokraten in der FDP haben es verhindert. Damit hat er seinen Amtseid gebrochen.
Und mit Blick auf die Ukraine-Unterstützung teile ich Ihre Kritik an Olaf Scholz zu 100 Prozent. Auch deshalb habe ich bei der Europawahl übrigens meine Stimme Marie-Agnes Strack-Zimmermann gegeben - trotz Lindner und Konsorten.
"…Stand heute werden wir am 23. Februar 2025 den 21. Deutschen Bundestag wählen. Vorausgegangen ist dieser Entscheidung ein unwürdiges Hin und Her, das der Kanzler leicht hätte vermeiden können. Christian Lindner hat für die letzten Stunden der Ampel ein würdiges Ende für alle Beteiligten vorgeschlagen – doch das wollte der Kanzler nicht. Bizarr wurde es dann, als Scholz das verfassungsmäßige Vorrecht, die Vertrauensfrage zu stellen – das letzte und wirkungsvollste Instrument der Macht des Kanzlers – aus der Hand gab und es stattdessen in die Verantwortung von SPD-Fraktionschef Mützenich und Oppositionsführer Merz legte. Diese Entwicklung halte ich für fatal, aber sie passt leider ins Bild.
Die Frage, ob wir als Land überhaupt in der Lage seien, kurzfristig Neuwahlen durchzuführen, kann ich nur als peinlich empfinden. Gesetzliche Fristen und Voraussetzungen sind berechtigt und zu beachten, aber solche Debatten (aufgrund vermeintlicher Papier-Probleme) machen uns national, wie international, lächerlich. Diese Auffassung wurde, so glaube ich, an vielen Abendbrottischen der Republik geteilt. Doch sie zeigt auch den Zustand, den wir zum Wohl unseres Landes überwinden müssen. Es braucht endlich einen Mentalitätswechsel ohne die ständige Kategorie „Bedenken“!
Wie geht es jetzt weiter? Nach aktuellem Stand wird der Bundeskanzler am 18. Dezember die Vertrauensfrage nach Artikel 68 des Grundgesetzes stellen. Bislang haben vier SPD-Kanzler und ein CDU-Kanzler auf dieses Instrument zurückgreifen. Der Kanzler kann die Vertrauensfrage dabei allein oder in Verbindung mit einer konkreten Sachfrage stellen. Bundespräsident Steinmeier muss dann einen Termin für die Neuwahl festlegen, der nach Artikel 39 des Grundgesetzes innerhalb von 60 Tagen stattfinden muss. Zuvor hat er drei Wochen für die Auflösung des Parlaments.
Spätestens am 27. Dezember beginnt dann die heiße Phase des Wahlkampfes. Zuvor müssen die Parteien jedoch noch die notwendigen formalen Schritte erfüllen – etwa die Landeslisten aufstellen, Unterschriften für die Zulassung zur Wahl sammeln und die SPD muss noch offiziell ihren Kanzlerkandidaten küren. Wer auch immer das dann sein wird…"
Würdiges Ende? Das letzte und wirkungsvollste Instrument der Macht des Kanzlers? Die "Lindner-FDP" hat nun leider nicht für ein Programm zugunsten der Wirtschaft, wie sie es angeblich wollte, sondern für ein Konjunkturprogramm für die Rechts- und Linkspopulisten gesorgt.
Wie ernst es Lindner und seinen Anhängern mit ihrer so wichtigen "Wirtschaftswende" ist, für die sie die Ampelkoalition zu einem der denkbar ungünstigsten Zeitpunkte aufgelöst haben, wird sich daran zeigen, wie die Frei(heitlich)en Demokraten im Bundestag mit der von der Bundesregierung bereits beschlossenen "Wachstumsinitiative" umgehen werden.
Voraussichtlich wird am 23. Februar 2025 ein neuer Bundestag gewählt - in den Winterferien des Saarlands und von Sachsen, vier Tage vor Beginn des Straßenkarnevals.
Auf der einen Seite freut es mich natürlich, daß die Vertreter dieser FDP, die inzwischen für Egoismus, Populismus und Kapitalismus steht, möglichst schnell ihre Bundestagsmandate loswerden wollen. Auf der anderen Seite ist eine Bundestagswahl - gerade in der jetzigen Zeit - zu wichtig, um sie "übers Knie zu brechen".
Es ist niemandem damit gedient, wenn es nach der Wahl primär um mögliche Unregelmäßigkeiten und Anfechtungen geht und sogar eine Wiederholungswahl nötig werden sollte.
Ich frage mich, wie sich die FDP durch diese Frei(heitlich)en Demokraten so entwickeln konnte - verantwortungslos und selbstbezogen. Was würden Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher, Martin Bangemann, Otto Graf Lambsdorff, Klaus Kinkel, Wolfgang Gerhardt und Guido Westerwelle zu dieser FDP und ihrem Verhalten sagen?
Leider können wir sie nicht mehr fragen. Vielleicht ist es aber gut, daß sie das nicht mehr erleben müssen. Ich muß immer wieder an Gerhart Baum denken. Haben Sie ihn nicht vor einiger Zeit getroffen und mit ihm gesprochen?
Die Frei(heitlich)en Demokraten und die Union hätten wahrscheinlich am liebsten spätestens am 29. Dezember 2024 gewählt.
Anscheinend hat dann zumindest die Union gemerkt, daß die Vorbereitung einer Wahl vor allem innerhalb der Parteien einige Zeit in Anspruch nimmt und auch die kleinen Parteien und mögliche Einzelbewerber eine realistische Chance haben müssen, Unterstützungsunterschriften zu sammeln, um an der Wahl teilnehmen zu können.
Da die Wahlen die einzige Möglichkeit für den Souverän sind, seinen Willen zu bekunden, sind sie doch nicht so unwichtig, daß man sie mal so auf die Schnelle durchführen kann.
Wollen Sie tatsächlich behaupten, daß sich die Bundeswahlleiterin, die Präsidentin des Statistischen Bundesamtes hat instrumentalisieren lassen?
Der Hauptgeschäftsführer des Verbands Die Papierindustrie, Alexander von Reibnitz, erklärte, es gebe keinen Papiermangel und bei rechtzeitiger Bestellung könne die Industrie das benötigte Papier für eine vorgezogene Bundestagswahl liefern. Bei rechtzeitiger Bestellung…
Kennen Sie unser Grundgesetz? Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.
Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland wird von einer Mehrheit im Deutschen Bundestag gewählt und bleibt im Amt, bis der Bundestag einen neuen Bundeskanzler wählt und dieser vom Bundespräsidenten ernannt wurde.
Es ist schon sehr vermessen, wenn Vertreter der Partei, die die Regierungskoalition zur Unzeit haben platzen lassen und Deutschland in einen Schwebezustand versetzt haben, nachdem sie über Wochen und Monate gegen die eigene Regierung opponiert und mit dem Bruch der Koalition kokettiert und "gedroht" haben, nun dem amtierenden Kanzler Ratschläge erteilen und Vorwürfe machen.
Es geht um eine Neuwahl des Deutschen Bundestages. Ist es dann nicht sinnvoll, wenn sich auch der Bundestag dazu eine Meinung bildet und einen Terminvorschlag macht?
Waren es nicht gerade die Frei(heitlich)en Demokraten, die während der Corona-Pandemie darüber geklagt haben, daß der Bundestag von der damaligen Bundesregierung zu wenig beteiligt worden wäre, obgleich er selbstverständlich jederzeit hätte aktiv werden können?
Übrigens kann man auch in unserer Verfassung lesen, daß der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen einundzwanzig Tagen den Bundestag auflösen k a n n, wenn ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages gefunden hat. Er muß es nicht…
Weiter heißt es, daß das Recht zur Auflösung erlischt, sobald der Bundestag mit der Mehrheit seiner Mitglieder einen anderen Bundeskanzler wählt.
Es gibt sicher nicht wenige Freiheitliche in der FDP und auch in der FDP-Bundestagsfraktion ("Fraktion der Frei(heitlich)en Demokraten im Bundestag"), die Friedrich Merz gemeinsam mit der Partei "AfD" und der Union zum Bundeskanzler wählen würden, da sie leider inzwischen ideologisch der Partei "AfD" näher stehen als der "Genscher-FDP", "meiner" FDP, auch wenn die "Lindner-FDP" Gerhard Papke wahrscheinlich noch nicht rechts genug sein mag.
"…Ich selbst werde mich am 16. November bei der Landesvertreterversammlung der FDP Schleswig-Holstein auf Listenplatz 2 bewerben. Für meinen Heimatwahlkreis Nordfriesland-Dithmarschen Nord werde ich als Direktkandidatin für starke Freie Demokraten im Deutschen Bundestag kämpfen…"
Die "Lindner-FDP" hat ihre Chancen gehabt. Sie hat sie vertan. Als Christian Lindner Generalsekretär von Guido war hatte ich große Hoffnungen in ihn gesetzt. Damals war er - so glaube ich - auch noch ein Liberaler. Das war einmal. In den Jahren 2014 und 2015 hat er sich vom Liberalismus verabschiedet und einen anderen Weg gewählt, auf dem ihm Marco Buschmann, Joachim Stamp und viele andere Freidemokraten gefolgt sind.
Und nun will er die FDP wieder zu einer Wirtschaftspartei zusammenstutzen. Ich hatte wirklich geglaubt, daß das nach dem Rausschmiß aus dem Bundestag überwunden sei. War das nicht auch die "erfolgreiche"' Strategie von Philipp Rösler, nachdem er vom Bundesminister für Gesundheit zum Bundesminister für Wirtschaft und Technologie avanciert ist?
Die FDP hatte die Chance, eine liberale Volkspartei zu werden, eine Partei, die nicht nur für die Menschen da ist, die auf der Sonnenseite des Lebens stehen, sondern grundsätzlich für alle Menschen, denen größtmögliche Freiheit wichtig ist, auch die, die nicht oder nicht mehr zu den Leistungsträgern gehören - unabhängig von Herkunft, Einkommen und Vermögen. Das war und ist anscheinend nicht gewollt.
Das neue Grundsatzprogramm der "Lindner-FDP" mit dem Titel "Wirtschaftswende Deutschland - Konzept für Wachstum und Generationengerechtigkeit" vom 1. November 2024 hat nun das Grundsatzprogramm "Verantwortung für die Freiheit - Karlsruher Freiheitsthesen der FDP für eine offene Bürgergesellschaft" vom 22. April 2012 endgültig abgelöst. Es war ohnehin spätestens seit dem Jahr 2015 in Vergessenheit geraten.
Nur am Rande: Wenn sich diese Frei(heitlich)en Demokraten für Generationengerechtigkeit einsetzen würden, dann würden sie sich mehr für eine entsprechende Reform der sogenannten Sozialversicherungen als für die sogenannte Schuldenbremse engagieren.
Die "Lindner-FDP" kehrt zurück zur Klientelpolitik, die ich für überwunden geglaubt hatte. So kann man sich täuschen. Fragt sich nur, ob diese Klientel diese FDP über die Fünf-Prozent-Hürde bringen wird. Auf eine Zweitstimmenkampagne im Zusammenspiel mit der Union kann sie wohl nicht hoffen nach der jüngsten - aus meiner Sicht undemokratischen - Wahlrechtsreform, an der sie nicht unbeteiligt war.
"Meine" FDP hätte dieser Wahlrechtsreform niemals zugestimmt. Sie war dafür, den Wählern mehr Einfluß auf die Zusammensetzung der Parlamente zu geben und nicht weniger. Eine Verkleinerung des Bundestages hätte durch eine Vergrößerung und damit einer Verringerung der Wahlkreise oder durch die Einführung des reinen Verhältniswahlrechts erreicht werden können - ergänzt durch die Möglichkeiten des Kumulierens und Panaschierens. Die Reform der Ampelkoalition ist Wasser auf den Mühlen der Gegner des Parlamentarismus.
Die "Lindner-FDP" befindet sich auf einem Irrweg. Sie begibt sich auf Gedeih und Verderb in die Abhängigkeit der Union, wird zu einer Vorfeldorganisation, einem Anhängsel der Union gemacht. Das hatten wir auch schon mal.
Das ist der FDP nicht gut bekommen, in der Vergangenheit schon nicht gutgegangen und wird in Zukunft - auch mit Blick auf die Parteien "AfD" und "BSW" - noch weniger gelingen. Eine Partei, die zwischen der Union und der AfD irrlichtert, braucht niemand. Diese FDP wird zwischen Friedrich Merz und Alice Weidel zerrieben werden.
Eine liberale Partei wird gebraucht, eine liberale FDP, die ihr eigenes Grundsatzprogramm, die Karlsruher Freiheitsthesen der FDP für eine offene Bürgergesellschaft, aus dem Jahr 2012 wieder ernst nimmt, wieder für die liberalen Grundwerte Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit steht und konsequent, stringent und radikal einen ganzheitlichen Liberalismus vertritt, freiheitlich und gleichzeitig sozial.