"Die Ära Lindner, wie wir sie kannten, ist zu Ende"
Gerhart Baum: "Wie Lindner den Abgang mitinszeniert hat, hat mich verstört"
Danke für Ihre ermutigenden Worte. Krise überall. Wann halten wir Demokraten endlich zusammen im Lande selbst und weltweit.
Alles Gute Ihnen herzlich GB
Lieber Herr Baum,
es ist bewundernswert, daß Sie nach wie vor Mitglied der FDP sind und es auch weiterhin bleiben wollen.
Mit sehr großem Interesse habe ich den Artikel im Kölner Stadt-Anzeiger vom 19. Dezember über das Gespräch mit Ihnen gelesen. Schön, daß Sie die Stellung der Liberalen in der "Lindner-FDP" halten und immer wieder Ihre Stimme erheben.
Ich wünsche Ihnen, daß Sie sich schnell besser fühlen und vollständig auskurieren, und freue mich schon sehr auf das Buch, das Sie über diesen Artikel ankündigen. Leider befürchte ich, daß es von denen, die es lesen sollten und seinen Inhalt beherzigen müßten, ignoriert oder gar nicht verstanden werden wird.
Nichtsdestotrotz kann ich Sie nur ermutigen, Ihre Sicht auf die Dinge, auf unsere Demokratie und auf den Liberalismus deutlich zu machen.
Ich verfolge die Entwicklung "meiner" FDP in den vergangenen zwölf Jahren auch mit größter Sorge. Wie Sie habe ich Christian Lindner - vor allem in der Zeit, als er Generalsekretär von Guido Westerwelle gewesen ist - für "eines der größten politischen Talente" gehalten und hohe Erwartungen in ihn gesetzt. Er hat mich sehr enttäuscht.
Wäre meine Mitgliedschaft nicht erloschen, weil ich zu Beginn des Jahres 2012 zusätzlich Mitglied der Piratenpartei Deutschland geworden bin, auf die ich seinerzeit große Hoffnungen - auch im Hinblick auf die weitere Entwicklung "meiner" FDP - gesetzt hatte, wäre ich sehr wahrscheinlich spätestens aus der FDP ausgetreten, nachdem man sich von dem Zusatz "Die Liberalen" verabschiedet hatte. Das war ein deutliches Signal.
Es geht nach meinem Eindruck nicht mehr um national-, wirtschafts- oder linksliberal, um Schaumburger oder Freiburger Kreis. Es geht um liberal oder freiheitlich: Frei(heitlich)e Demokraten.
Die sozialliberale Fortschrittskoalition wäre nach sieben Jahren rot-grüner und 16 Jahren CDU-geführter Bundesregierung eine große Chance gewesen, für unser Land, unsere Gesellschaft und auch für die FDP. Es war nicht gewollt - von den Frei(heitlich)en Demokraten, die meines Erachtens inzwischen ideologisch den Parteien "Alternative für Deutschland", "Bündnis Deutschland", "WerteUnion" und "Wir Bürger" näher als der "Genscher-FDP" stehen. Nicht wenige solcher Freiheitlicher waren an der Gründung und dem Aufbau der AfD beteiligt.
Mich hat die Weltanschauung des Liberalismus, im Humanismus und im Rationalismus wurzelnd und dem Geist der Aufklärung verpflichtet, und das Programm zur Bundestagswahl am 5. Oktober 1980 "Unser Land soll auch morgen liberal sein" zur FDP geführt.
Sie war von 1983/84 bis 2011/12 meine politische Heimat. Sie wird mir immer wichtig sein und am Herzen liegen. Nach meiner Einschätzung wird keine andere Partei die Rolle der liberalen Partei einnehmen, die Liberale Partei Deutschlands sein und werden können.
Wir brauchen in Deutschland eine liberale Partei. Sie fehlt in unserem Parteiensystem schmerzlich. Sie kann meiner Meinung nach durch keine andere vorhandene Partei ersetzt werden, auch eine Neugründung halte ich für wenig zielführend - auch und gerade mit Blick in die Vergangenheit.
Im Rahmen meiner Möglichkeiten werde ich mich weiter dafür engagieren, daß die FDP die politische Heimat für alle Liberalen werden kann, die ganzheitlich und konsequent für den Liberalismus, für die Grundwerte Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit steht, freiheitlich und gleichzeitig sozial, eine liberale Volks- und Programmpartei wird, die nicht nur für die Menschen da ist, die auf der Sonnenseite des Lebens stehen, sondern grundsätzlich für alle Menschen, denen größtmögliche Freiheit wichtig ist, auch die, die nicht oder nicht mehr zu den Leistungsträgern gehören - unabhängig von Herkunft, Einkommen und Vermögen.
Eine Klientel- und Funktionspartei, eine "AfD light", eine "Wirtschaftspartei" braucht niemand. Diese Rollen sind in unserem Parteienspektrum bereits hinlänglich besetzt.
Bleiben Sie also wütend, empört, entschlossen und leidenschaftlich - und laut! Machen Sie weiter, halten Sie durch! Sie werden gebraucht - eher mehr als weniger!
Nun bleibt mir nur noch, Ihrer Frau Renate und Ihnen ein schönes Weihnachtsfest, besinnliche und geruhsame Feiertage und einen guten Übergang in ein neues Jahr mit Gesundheit und Frieden zu wünschen.
Herzliche Grüße von Elsdorf nach Köln
Ihr Wolfgang Gerstenhöfer
liberal - freiheilich und gleichzeitig sozial
Meine folgenden Texte möchte ich Ihnen ans Herz legen. Ich würde mich über Ihr Interesse sehr freuen:
Die Europawahl 2024 und die Zukunft der FDP
Die Europawahl, die Liberalen Demokraten und ich
Brückenschläge - Genscher und Lindner