Liberale oder Freie Demokraten

 

Von: Wolfgang Gerstenhöfer [mailto:wolfgang.gerstenhoefer@gmx.de]
Gesendet: Dienstag, 20. Januar 2015 13:17
An: 'Konstantin Kuhle'
Betreff: AW: Liberale oder Freie Demokraten

 

Lieber Herr Kuhle,

 

ganz herzlichen Dank für Ihre prompte Antwort, für Ihr Interesse an meiner Meinung.

 

Sehen Sie es mir bitte nach, daß ich Sie geduzt habe. Ich dachte, daß wir schon mal beim Du waren, aber wir können uns auch siezen.

 

Zunächst freue ich mich, daß die Jungen Liberalen sich weiter zu einem ganzheitlichen Liberalismus bekennen und auch in ihrer Bezeichnung liberal bleiben.

 

Warum aber hat man dann aus den liberalen Freidemokraten Freie Demokraten ohne das klare Bekenntnis zum Liberalismus gemacht, wenn man die liberale Partei Deutschlands sein will? (Liberalität ist nicht identisch mit Liberalismus. Liberalität finden Sie auch in anderen Parteien.)

 

Das verstehe ich nicht. Es gab gute Gründe 1976, und es hätte gute Gründe gegeben, den Liberalismus eher noch mehr zu betonen als zu verschweigen. Schämt man sich, hat man etwas zu verbergen? Warum fehlt der Mut, den Begriff wieder positiv zu besetzen, nachdem man ihn spätestens seit 2010 lächerlich gemacht hat.

 

Oder ging es nur um einen kurzfristigen Marketing-Effekt, um einen PR-Gag? Das wäre fatal, und man wäre einer sehr schlechten Agentur auf den Leim gegangen. (Leider hat das neue Logo, das neue Erscheinungsbild mit Corporate Design und Identity sehr wenig zu tun. Es ist einfach nur bunt und wirkt dadurch eher unseriös, wenig professionell. Aber das soll hier nicht Thema sein ...)

 

Sie wissen vielleicht noch, daß die FDP seit 1983/84 und etwa bis 2011/12 meine politische Heimat war. Ich hatte in dieser Zeit immer die Hoffnung, daß aus ihr eine ganzheitlich, eine konsequent liberale Partei wird. Das war sie leider nie so ganz. (Das Wahlprogramm für die Bundestagswahl 1980, das mich letztendlich neben meiner Begeisterung für den Liberalismus zur FDP bzw. zur F.D.P. gebracht hat, ist in dieser Hinsicht immer noch lesenswert. Die Programme der FDP waren (fast) immer gut, aber Programme waren und sind geduldig ...)

 

Sie hat sich nie zu allen Zeiten auf allen Politikfeldern und in allen Lebensbereichen für liberale Lösungen eingesetzt, sondern immer nur auf Teilgebieten - abhängig von der jeweiligen Koalition. Sie war leider mehr Funktions- als Programmpartei. Leider.

 

Und über die Zeit nach der sehr erfolgreichen Bundestagswahl 2009 bis zur Bundestagswahl im vergangenen Jahr brauchen wir doch nicht zu reden. Oder sehen Sie das völlig anders?

 

Sie können mir glauben, daß ich gar nichts von der Zersplitterung in mehrere Parteien halte. Ich stand 1983 auch vor der Wahl, mich den Liberalen Demokraten oder der F.D.P. anzuschließen. Ich habe mich ganz bewußt für die F.D.P. entschieden - in der besagten Hoffnung.

 

Denn die Geschichte zeigt, daß gerade wir Liberalen uns diese Spaltung in mehrere Lager nicht leisten können. Wir müssen unsere Kräfte bündeln, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Bereits jetzt wird in Analogie zu den K-Gruppen von L-Gruppen gesprochen. Das schmerzt mich sehr.

 

Leider hat mich Herr Christian Lindner sehr enttäuscht. Ich hatte große Erwartungen in ihn gesetzt.

 

Die FDP-Führung setzt die Fehler der Vergangenheit munter fort. Sie schafft es nicht, deutlich zu machen, daß der Liberalismus sozial und trotzdem freiheitlich ist, daß eine wirkliche Marktwirtschaft immer sozial ist, wir nur schon lange keine Marktwirtschaft mehr haben.

 

Sie kommt einfach nicht raus aus den alten Spuren - Klientelpolitik, "Mövenpick-Partei", soziale Kälte, Partei der Besserverdiener. Immer wieder werden die Klischees, die Vorurteile bedient statt sie mit konkreten Forderungen und Vorschlägen, mit deutlichen Worten zu entkräften.

 

Deshalb setze ich auf einen Zusammenschluß der sich noch liberal nennenden Parteien. Vielleicht stößt die FDP irgendwann dann wieder dazu - zumindest die, die nicht nur Freie Demokraten, sondern vor allem Liberale (geblieben) sind.

 

Leider kann ich am Freitag nicht nach Gummersbach kommen, obgleich ich mich sehr gern einmal mit Ihnen persönlich austauschen würde. Vielen Dank für Ihre Einladung. Ich habe mich darüber sehr gefreut.

 

Sie finden übrigens meine konkrete Kritik z. B. an der FDP, aber auch an der Partei "Neue Liberale" und der Piratenpartei und auch meine Verbesserungsvorschläge bei Interesse hier:

 

http://gerstenhoefer.jimdo.com/aktuelles/

 

Bisher habe ich mich noch keiner neuen Partei wieder angeschlossen, sondern versuche, die Entwicklung des organisierten Liberalismus im Rahmen meiner Möglichkeiten so konstruktiv wie möglich zu begleiten.

 

Sehr gern würde ich irgendwann Mitglied der Liberalen Partei Deutschland(s) werden und in und mit ihr am Erfolg unseres Landes arbeiten. Mal schauen, wo die Reise der (deutschen) Liberalen hingeht. Ich bin sehr gespannt.

 

Selbstverständlich stehe ich Ihnen auch auf diesem Wege für einen weiteren Dialog zur Verfügung. Arbeiten Sie weiter für die Idee des (ganzheitlichen) Liberalismus!

 

Beste und liberale Grüße

Ihr Wolfgang Gerstenhöfer

liberal - sozial und trotzdem freiheitlich

 

http://gerstenhoefer.jimdo.com/die-geschichte-der-liberalen-parteien/

 

http://gerstenhoefer.jimdo.com/liberalismus-wie-ich-ihn-sehe/

 

 

http://gerstenhoefer.jimdo.com/liberalismus-wie-ich-ihn-sehe/marktwirtschaft/

 

 

Von: Konstantin Kuhle [mailto:konstantin.kuhle@googlemail.com]
Gesendet: Montag, 19. Januar 2015 19:23
An: Wolfgang Gerstenhöfer
Betreff: Re: Liberale oder Freie Demokraten

 

Lieber Herr Gerstenhöfer, 

 

es gibt keine Überlegungen, die Jungen Liberalen umzubenennen. 

 

Nach meiner Auffassung bemisst sich die Liberalität einer Partei anhand ihrer Inhalte und nicht anhand des Logos. Und gemessen an den Inhalten ist die FDP die liberale Partei Deutschlands. Sie behaupten das Gegenteil, liefern dabei allerdings keinerlei inhaltliche Beispiele. Das überzeugt mich nicht.

 

Ich habe mich immer als jemanden verstanden, der einen ganzheitlichen Liberalismus ohne Bindestriche vertritt. Das mag auf manche Zeitgenossen als sozialliberal wirken. Jene, die sich nun aber unter dem Mäntelchen des Sozialliberalismus in Hamburg und anderswo versammeln und zusammenschließen wollen, habe ich in den letzten Jahren nicht als Hilfe oder Unterstützung beim Kampf für einen ganzheitlichen Liberalismus wahrgenommen. Es ist schade, dass sich gute Leute so vor den Karren dieser neuen Gruppierungen spannen lassen. 

 

Ich bin am kommenden Freitagabend als Redner beim Neujahrsempfang der Theodor-Heuss-Akademie in Gummersbach. Haben Sie Lust, vorbei zu schauen?

 

Viele Grüße,

Konstantin Kuhle

 

Von: Wolfgang Gerstenhöfer [mailto:wolfgang.gerstenhoefer@gmx.de]
Gesendet: Montag, 19. Januar 2015 13:35
An: Konstantin Kuhle
Betreff: Liberale oder Freie Demokraten

 

Hallo Konstantin,

 

die FDP hat am 6. Januar dieses Jahres bekanntlich den Zusatz "Die Liberalen" offiziell und öffentlichkeitswirksam beseitigt, nachdem dieser 1976 aus guten Gründen eingeführt worden war.

 

Gibt es in diesem Zusammenhang Überlegungen, die FDP-Jugendorganisation "Junge Liberale" umzubenennen - z. B. in Junge Freie Demokraten?

 

Dies wäre konsequent, wenn sich die FDP nicht mehr als liberal bezeichnet und sich damit vom Liberalismus verabschiedet.

 

Ich persönlich hoffe sehr, daß die 1980 - in Abgrenzung zu der damaligen FDP-Jugendorganisation Jungdemokraten - bewußt im Geist des Liberalismus gegründeten JuLis ihrem Namen und damit dem Liberalismus treu blieben.

 

Sollte es zu einem Zusammenschluß der Parteien "Liberale Demokraten", die "Neuen Liberalen" und die Verbraucherschutzpartei - möglicherweise unter Beteiligung der Piratenpartei Deutschland, was ich sehr hoffe - zur Liberalen Partei Deutschland(s) kommen, wären die JuLis deren optimaler Jugendverband.

 

Denn aus den Jungen Piraten (JuPis) sind inzwischen die neuen Jungdemokraten geworden. (Vielleicht sollten sie sich mit dem JungdemokratInnen/Junge Linke – radikaldemokratischer und parteiunabhängiger Jugendverband e.V. vereinen.)

 

Schade, daß der Einfluß der Jungen Liberalen nicht stark genug war, um aus der FDP die Partei in Deutschland zu machen, die alle Liberalen vereint und ihnen eine politische Heimat gibt. Eine Partei, die den Liberalismus mit allen seinen Aspekten und Komponenten konsequent vertritt und umsetzt.

 

Die Jungen Liberalen wären dafür meines Erachtens ein gutes Vorbild gewesen.

 

Ich kenne nur Liberale, keine Links-, National-, Rechts-, Sozial- oder Wirtschaftsliberale. Alle Liberalen müssen in einer Partei an einem Strang ziehen und zwar ganz klar in Richtung Freiheit, Unabhängigkeit, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung. Liberal heißt sozial und trotzdem freiheitlich.

 

So haben wir eine Chance, das Potential von bis zu 30 Prozent der Wahlberechtigten zu motivieren und wieder an die Wahlurnen zu bringen. Diese Chance müssen wir im Sinne der gemeinsamen Ziele gemeinsam nutzen.

 

Einzeln werden die liberalen Parteien ("L-Gruppen") auf Dauer nichts erreichen, sich gegenseitig Stimmen wegnehmen und an den Sperrklauseln scheitern.

 

Beste Grüße, die besten Wünsche für das noch junge Jahr 2015 und viel Erfolg für die Sache und die Freunde der Freiheit

Wolfgang

liberal - sozial und trotzdem freiheitlich

 

http://gerstenhoefer.jimdo.com/

 

"Das Gegenteil von (politisch) ‚links‘ ist nicht ‚rechts‘ - und das Gegenteil von rechts ist nicht links. Der braune Sozialismus war und ist nur eine Variante des roten Sozialismus. Das Gegenteil von ‚links‘ (und von ‚rechts‘) ist: ‚freiheitlich‘ und ‚offen‘, sowie ‚rechtsstaatlich‘ im ursprünglichen Sinne des Wortes. Und freiheitlich, offen und rechtsstaatlich bedeutet zugleich: So viel persönliche und private Entscheidungsautonomie des Bürgers als möglich. Und das wiederum heißt zugleich: So wenig Staat und Politik als überhaupt möglich, und so wenig Parteien- und Funktionärskompetenzen als gerade noch denkbar." (Roland Baader)