Sehr geehrter Herr Diener,
ein Thema habe ich "im Eifer des Gefechts" ganz vergessen:
Sie schreiben: "Piraten wollen auch die Legalisierung von Drogen und ein Recht auf Rausch."
Ist das wirklich so?
Die Piratenpartei steht für einen rationalen und wissenschaftlichen Umgang mit allen Problemfeldern der Politik. Es geht um sachorientierte
bzw. expertengestützte Lösungen.
Ein Ansatz, der meines Erachtens gerade einer liberalen Partei, sehr gut zu Gesicht steht.
Ich kann Ihre Verkürzung der Position der Piratenpartei hier nicht finden.
Ist die FDP denn plötzlich für ein totales Alkohol- und Tabakverbot? Das wäre mir sehr neu. Aber ich lerne immer wieder gern dazu.
Nur vereint sind Liberale stark, gespalten werden wir scheitern.
Ich bin schon sehr gespannt auf die Wahlergebnisse in Niedersachen und die weitere Entwicklung - sowohl in der FDP als auch in der
Piratenpartei Deutschland - und freue mich auf die weitere konstruktiv-kritische Diskussion mit Ihnen.
Mit freundlich-liberalen Grüßen aus dem Rheinland nach Berlin und den besten Wünschen für die neue Woche
Ihr Wolfgang Gerstenhöfer
Sehr geehrter Herr Diener,
für Ihre E-Mail und Ihre damit verbundene Mühe danke ich Ihnen.
Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, aber ich habe bei der Lektüre den Eindruck gewonnen, daß Sie den Inhalt meiner E-Mail entweder nicht
aufmerksam genug gelesen oder nicht richtig verstanden haben.
Mir sind die Ergebnisse der Arbeit der Koalition aus CDU/CSU und FDP durchaus bekannt. Mir müssen Sie das nicht vermitteln.
Außerdem bestätigt Ihre Antwort meine Wahrnehmung, daß sich die FDP (wieder einmal in ihrer Geschichte) weitgehend auf wirtschafts- und
finanzpolitische Themen konzentriert und andere Politikbereiche dabei vernachlässigt. Das eine tun, ohne das andere zu lassen, sollte die Devise sein.
Es ist schon bezeichnend, daß Sie bei den Themen Innen- und Rechtspolitik und noch mehr bei dem Thema Sozialpolitik sehr vage bleiben.
Bei Ihrer Kritik an der aktuellen Programmatik der Piratenpartei sollten Sie nicht den Fehler machen, den Vertreter anderer Parteien und leider
auch viele Journalisten auch und gerade bei der FDP machen, nämlich weniger die konkreten Beschlüsse zu kritisieren, als das, was die Medien daraus machen bzw. gemacht haben.
So wie bestimmte Behauptungen über und Vorurteile gegen die FDP durch Wiederholungen nicht wahr werden, gilt dies auch für Behauptungen über
und Vorurteile gegen die Piratenpartei.
FDP und Piratenpartei sprechen sich nach meinem Kenntnisstand für eine negative Einkommensteuer aus. Die FDP nennt sie Bürgergeld. Die
Piratenpartei nennt sie Bedingungsloses Grundeinkommen.
Eine solche negative Einkommensteuer würde alle Arbeitgeber - ganz sozial und marktwirtschaftlich - dazu bringen, angemessene Einkommen zu
zahlen und gute Arbeitsbedingungen zu bieten. Dies wäre nach meiner Überzeugung nicht nur eine Lösung für das umstrittene Thema "Mindesteinkommen", sondern würde auch der erschreckenden Zunahme
von psychischen Erkrankungen (Stichworte: Burn-out, Mobbing, Bossing) durch weitgehend nicht mehr wahrgenommene Fürsorgepflicht der Arbeitgeber vor allem in Unternehmen, in denen es gar keinen
wirklichen Arbeitgeber mehr gibt (Aktiengesellschaften mit angestellten Managern auf Zeit), entgegen wirken. Wo soll das noch hinführen? Wer soll die Folgekosten bezahlen?
Außerdem würde es mehr Menschen die Möglichkeit geben, sich ehrenamtlich in der Pflege, in der Kinder-, Jugend- und Seniorenarbeit und im
sozialen, kulturellen oder auch im politischen Bereich zu engagieren, falls ihnen das Bürgergeld, das Grund- oder Mindesteinkommen genügt.
Herr Dr. Rösler zitiert aktuell gern Karl-Hermann Flach. Auch das folgende Zitat hat er in seiner Rede beim Dreikönigstreffen
verwendet:
"Wer nicht weiß, wovon er morgen leben soll, der ist nicht wirklich frei."
Würde dazu nicht eine negative Einkommensteuer, ein vom Staat garantiertes Mindesteinkommen - auch mit Blick auf den Artikel 1 unseres
Grundgesetzes - sehr gut passen.
Übrigens sieht der entsprechende Beschluß der Piratenpartei meines Wissens noch kein fertiges Konzept vor, sondern zielt auf die Entwicklung
eines solches Konzeptes auf sehr breiter Grundlage ab.
Durch Ihren Hinweis auf die Beschäftigung mit Zeitreisen versuchen Sie - so mein Eindruck -, die Piratenpartei ins Lächerliche zu ziehen. Damit
tun Sie der FDP keinen Gefallen. Solche Themen lassen sich nicht vermeiden, wenn man jedem Parteimitglied die Möglichkeit gibt, Anträge an die Parteitage zu stellen, und diese Parteitage nicht
als Delegierten-, sondern als Mitgliederversammlungen durchführt. Nach meiner Meinung ist ein Mehr an Demokratie und Mitgliederbeteiligung es durchaus wert, sich auch mal mit etwas abstrusen
Themen zu befassen.
Auch das mit der angeblichen Gratiskultur wird durch Wiederholung nicht richtig. Unterschätzen Sie die Mitglieder der Piratenpartei nicht.
Selbstverständlich macht man sich dort Gedanken über die Erwirtschaftung der Mittel und die Finanzierung.
Was Ihr Hinweis auf die Personalentscheidungen des Bundesparteitags anbelangt, können Sie mir glauben, daß mir die Strukturen und
Zuständigkeiten der FDP sehr wohl bekannt sind. Dafür befasse ich mich schon zu lange und zu intensiv mit der FDP. Andererseits werde ich Ihnen auch kein Geheimnis verraten, wenn ich Ihnen
schreibe, daß die Mitglieder der FDP, an die ich meine E-Mail gerichtet habe, einen nicht unerheblichen Einfluß auf solche Personalentscheidungen haben. Oder möchten Sie mir da ernsthaft
widersprechen?
Mir selbst sind auch Sachfragen deutlich wichtiger als Personalfragen. Leider bedarf es aber der richtigen Person zum richtigen Zeitpunkt am
richtigen Platz, um bestimmte Sachfragen angehen zu können. Mir wäre der Gedanke der Piratenpartei "Themen statt Köpfe" auch lieber, aber auch dort merkt man inzwischen, daß es ohne Köpfe nicht
geht. Das wird sich doch bei der FDP nicht gerade ändern?
Ich empfehle Ihnen, sowohl meine E-Mail vom 8. Januar 2013 als auch das Grundsatzprogramm der Piratenpartei einmal intensiv zu studieren.
Vielleicht können Sie dann den Mitgliedern des Präsidiums der FDP Vorschläge machen, wie man die FDP, wie man den organisierten Liberalismus in Deutschland aus der aktuellen Krise führt und an
den Wahlerfolg bei der jüngsten Bundestagswahl anknüpfen kann.
Wann lese ich wieder von einer liberalen Bildungs-, Gesundheits-, Sozial- und Steuerreform? Steht dazu nicht sogar etwas im aktuellen
Koalitionsvertrag? Wie war das mit der Reform der Mehrwertsteuer und der Regierungskommission, die sich mit der Finanzierung des Krankenversicherungsschutzes befassen sollte?
Wann setzt sich die FDP wieder für das Recht auf freie Religionsausübung - auch und gerade in Schulen - ein?
Wie sieht es denn mit Religionskunde statt Religionslehre nach dem Motto "Vereinen statt Trennen" aus? Erinnern Sie sich noch an das
Thesenpapier "Freie Kirche im Freien Staat"? Ist die Einführung eines Islamischen Religionsunterrichtes der richtige Weg für Liberale?
Ist das Gesetz über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes vom 20. Dezember 2012 ("Beschneidungsgesetz")
wirklich liberal? Hätte man mit Blick auf Artikel 2 unseres Grundgesetzes nicht doch eine andere Lösung finden müssen?
Wie konnte es zu der Panne am 28.6.2012 rund um das Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens kommen? Wie kann das einer liberalen Partei
passieren?
Sind die Bedenken aus Sicht der Arbeitnehmer gegen das Gesetz zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes tatsächlich alle aus der Luft
gegriffen? Ist die FDP ihrem sehr hohen liberalen Anspruch, die Datenschutzpartei zu sein, zu 100 Prozent nachgekommen?
Hätte das Auswärtige Amt am 10.2.2012 die bereits erteilte Weisung zur Signierung des Anti-Counterfeiting Trade Agreement, kurz
ACTA, tatsächlich ohne die unter anderem durch die Piratenpartei organisierten Proteste zurückgezogen? Wo waren denn da im Vorfeld die Liberalen in der FDP?
Wo sind denn die konkreten Maßnahmen der FDP, damit wir endlich (wieder) eine Soziale Marktwirtschaft bekommen, die dem Raubtier- oder
Heuschreckenkapitalismus Einhalt gebietet, die wieder für Unternehmen sorgen, in denen es Unternehmer gibt, die sich ihrer (persönlichen) Verantwortung gegenüber Kunden, Mitarbeitern und
Lieferanten und nicht nur gegenüber den Aktionären und Kapitalgebern bewußt und nicht nur an ihrem persönlichen Fortkommen, sondern auch an dem Unternehmen, für das sie arbeiten, interessiert
sind?
Diese Liste läßt sich durchaus noch fortsetzen. Ich möchte es dabei bewenden lassen.
Es geht mir um den Liberalismus in seiner ganzen Breite und Tiefe und auch um eine professionelle Kommunikation. Hier liegt viel im Argen.
Meine Meinung.
Ich sehe Ihrer Antwort mit großem Interesse entgegen und danke Ihnen dafür bereits im voraus.
Mit freundlich-liberalen Grüßen
Ihr Wolfgang Gerstenhöfer
Ich erlaube mir, eine Kopie dieser und damit auch Ihrer E-Mail an einige mir wichtige Personen zu senden - vor allem an Herrn Dr. Guido
Westerwelle, mit dem ich mich - auch aufgrund gemeinsamer JuLi-Zeiten Mitte der 1980er Jahre - sehr verbunden fühle. Deshalb duzen wir uns auch.
Für den Fall, daß Sie sich mein Profil nicht angesehen haben:
Ich bin ein leidenschaftlicher Verfechter der Marktwirtschaft, die aus sich heraus dank und mit Hilfe eines starken Staates, der die
"Spielregeln" für alle Marktteilnehmer festlegt und für die nötige Transparenz und einen konstruktiven Wettbewerb und für die Einhaltung der Regeln sorgt, sozial und auch ökologisch ist und
"Wohlstand für alle" bei größtmöglicher Freiheit ermöglicht. Fast alle Politiker - Anhänger und Gegner der Marktwirtschaft - behaupten immer wieder, wir würden in Deutschland in einer Sozialen
Marktwirtschaft leben. Deshalb muss es doch auch nicht verwundern, wenn nun viele Menschen glauben, dass diese Wirtschaftsordnung für die aktuelle Situation (Banken-, Finanz-, Wirtschafts-,
Schulden- und Währungskrise) verantwortlich sei und Wachstum um jeden Preis ablehnen oder ihm zumindest skeptisch gegenüberstehen. Richtig ist - zumindest nach meiner Überzeugung -, dass wir
schon lange nicht mehr in einer (sozialen) Marktwirtschaft leben, wie sie von Adam Smith mit seinem Buch "Der Wohlstand der Nationen" begründet, von Walter Eucken mit seinem Buch "Grundlagen der
Nationalökonomie", Wilhelm Röpke mit seinem Buch "Die Lehre von der Wirtschaft" und Milton Friedman mit seinem Buch "Kapitalismus und Freiheit" (z. B. mit dem Thema negative
Einkommensteuer/Bürgergeld/ bedingungsloses Grundeinkommen) aktualisiert bzw. verfeinert und von Ludwig Erhard und Alfred Müller-Armack versucht wurde, in Deutschland umzusetzen. Spätestens seit
der 1. Großen Koalition von 1966 bis 1969 und der Verabschiedung des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StabG) vom 8. Juni 1967 und dann der 1.
sozialliberalen Koalition ab 1969 hat sich die Politik mehr oder weniger von der praktischen Umsetzung der Sozialen Marktwirtschaft verabschiedet. Während auf der einen Seite Politiker versuchen,
die besseren Unternehmer zu sein, haben sie ihre Aufsichtspflichten sträflich vernachlässigt und vor allem Konzernen freie Hand gelassen, die "Spielregeln" einseitig zu ihren Gunsten zu
verändern. Von Markt, von Leistungswettbewerb, von Chancengleichheit, Transparenz und von Haftung und Verantwortung ("Eigentum verpflichtet") ist doch in vielen Bereichen längst nichts mehr zu
sehen. Deshalb setze ich mich dafür ein, die mittlerweile gern als Raubtierkapitalismus oder auch fälschlich als Neoliberalismus bezeichneten Missstände zu beseitigen und endlich eine
(soziale) Marktwirtschaft in Deutschland einzuführen.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe ehemalige Parteifreunde, liebe Mit-Liberale und Freunde der Freiheit,
heute - kurz nach dem Dreikönigstreffen - wende ich mich mit einer großen und herzlichen Bitte an Sie als Mitglieder des Präsidiums der Freien
Demokratischen Partei:
Machen Sie die FDP endlich und endgültig zur liberalen Partei Deutschlands, indem Sie sich für einen Bundesvorsitzenden einsetzen, der diese
Aufgabe federführend übernehmen will und auch kann!
Erlauben Sie mir vorab nur einen Satz zu Ihrer aktuellen Rede, sehr geehrter Herr Dr. Rösler: Die Botschaft hör´ ich wohl, allein mir fehlt der
Glaube - und leider nicht nur mir; das ist das eigentliche Problem der FDP.
Eine Sonntagsrede mit Zitaten von Karl-Hermann Flach zu halten, genügt nicht, um die insbesondere seit der Bundestagswahl am 27.9.2009 nach und
nach verloren gegangene Glaubwürdigkeit wiederherzustellen.
Wie komme ich dazu, an Sie diese Bitte zu richten? Und warum bin ich der Meinung, daß die FDP nicht bereits (oder nicht mehr) die liberale
Partei Deutschlands ist?
Als geschichtlich und politisch sehr interessierter Mensch habe ich mich bereits in sehr früher Jugend von den Ideen des Liberalismus
überzeugen und anziehen lassen. Von einem Liberalismus, der sich auf allen politischen Gebieten und in allen Lebensbereichen für Freiheit, Selbst- und Mitbestimmung sowie
Eigenverantwortung einsetzt und zwar auch so, daß alle Menschen in den Genuß dieser Freiheit und dieser Verantwortung kommen können.
Auslöser, mich parteipolitisch zu engagieren, war das konstruktive Mißtrauensvotum gegen den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt am
1.10.1982. Im Laufe des Jahres 1983 habe ich mich intensiv mit den Grundsatz- und Bundestagswahlprogrammen der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien befaßt, um mich dann für einen Beitritt
zur F.D.P. und zu den Jungen Liberalen zu entscheiden.
Seit meiner Aufnahme am 11.1.1984 war die FDP meine politische Heimat - auch wenn ich zwischenzeitlich vom 1.1.1996 bis zum 30.9.2007 aus
persönlichen Gründen nicht der Partei angehört habe.
Für mich war die FDP sehr lange Zeit die einzige Partei in Deutschland, die Anspruch darauf erheben konnte, die liberale Partei Deutschlands zu
sein. Allerdings habe ich es auch immer bedauert, daß man nicht in der Lage war, alle Liberale zu vereinen und deutlich zu machen, daß der Liberalismus nicht nur eine Weltanschauung für
Besserverdienende und Bildungsbürger, sondern letztendlich für alle Menschen ist.
So habe ich die Gründungen von FVP, NLA, LD und BFB als Abspaltungen von der FDP, aber auch die Gründung einer neuen DDP 2004 und auch der
Piratenpartei 2006 sehr bedauert. Liberale können sich vor allem in Deutschland - davon bin ich zutiefst überzeugt, auch und gerade mit Blick auf die Geschichte - keine zwei oder noch mehr
Parteien leisten.
Dr. Guido Westerwelle war für mich der erste FDP-Vorsitzende, der gemeinsam mit Christian Lindner versucht hat, die sozialen Aspekte des
Liberalismus ins Bewußtsein zu bringen. Leider - das ist mein Eindruck - fehlte die Ausdauer, vielleicht auch die Unterstützung, dies vor allem gegen die Medien durchzustehen, die dies nicht
zulassen wollten. Der Liberalismus ist sozial. Punkt. "Mitfühlender Liberalismus" ist Gnadenakt.
So sind Bürgergeld und Bedingungsloses Grundeinkommen für mich Synonyme für die bereits von Milton Friedman vorgeschlagene negative
Einkommensteuer. Warum haben Freie Demokraten bei sozialen Themen Angst vor der eigenen Courage? Ich verstehe es nicht.
Und dann wurden Sie, sehr geehrter Herr Dr. Philipp Rösler, zum Vorsitzenden der FDP gewählt. Ich hatte mich im Vorfeld für Sie, sehr
geehrte Frau Leutheusser-Schnarrenberger ausgesprochen. Leider haben auch Sie mich inzwischen als freiheitliche Bundesministerin der Jusitz vor allem rund um die Verteidigung des Rechts auf freie
Religionsausübung enttäuscht.
Sie, sehr geehrter Herr Lindner, sind meiner Meinung nach für diese Funktion noch zu jung und Sie, sehr geehrter Herr Brüderle, schon etwas zu
alt. Sehen Sie mir diese deutlichen Worte bitte nach.
Ich würde mir sehr wünschen, daß Du, lieber Guido Westerwelle, das Amt des Vorsitzenden der Freien Demokratischen Partei noch einmal übernehmen
würdest und Deine Arbeit dort fortsetzt, wo man Deine Kritik am bisherigen System der Sozialstaatsbürokratie in Kritik an Menschen umgedeutet hat, die es schwer haben, ihr Schicksal zu
meistern.
Den Liberalismus kommunikativ auf Wachstum, Schuldenabbau und stabile Finanzen zu verkürzen und ein deutlicher Mangel an Veränderungswillen
haben mich dazu gebracht, mich von "meiner" FDP zu distanzieren. Denn Papier ist geduldig und was nutzen die besten Programme, auch ein neues Grundsatzprogramm, und ein Koalitionsvertrag,
wenn man noch nicht einmal den Eindruck hat, daß man die Inhalte auch umsetzen möchte?
Die inhaltlichen Sichworte sind für mich vor allem Bildungs-, Gesundheits-, Sozial- und Steuerreform, aber auch das Thema Bürgerrechte mit
den Schwerpunkten Innere Sicherheit und Schutz der Privatsphäre sowie Transparenz und Bürgerbeteiligung - auch und gerade mit Blick auf die Europäische Union -, aber auch
Religionsfreiheit.
Als Liberaler wünsche ich mir, daß es irgendwann eine Partei gibt, die den gesamten Liberalismus mit allen Aspekten - auch die soziale
Komponente - abdeckt. Dafür setze ich mich ein. Freiheit wird oft in "gute" Freiheiten (etwa die Meinungsfreiheit) und "schlechte"
Freiheiten (vorrangig die Wirtschaftsfreiheit) eingeteilt. Freiheit ist jedoch für mich unteilbar. Deshalb lehne ich auch Bindestrich-Liberalismen grundsätzlich ab.
Zu Beginn des Jahres 2012 hatte ich die leise Hoffnung, daß auf längere Sicht die Piratenpartei Deutschland quasi als eine Art von neuer DDP -
vielleicht sogar irgendwann im Verein mit der FDP - die Partei werden könnte, die alle Aspekte des Liberalismus abdeckt und damit allen Liberalen eine politische Heimat geben kann.
Deshalb hatte ich den Versuch unternommen, mich in beiden liberalen Parteien mit dem Ziel zu engagieren, mich an der Bildung (wieder) einer
Partei des Liberalismus in Deutschland zu beteiligen.
Diese Doppelmitgliedschaft wurde durch die Bundessatzung der FDP und die Wahlgesetze unmöglich gemacht. Ich mußte mich also für eine
Partei entscheiden. Also habe ich mich für das Projekt, das Experiment "Piraten" entschieden.
Meine Hoffnung ist leider - mit Blick auf die Entwicklung bei der Piratenpartei im Verlauf der vergangenen Wochen - immer kleiner geworden und
inzwischen fast entschwunden.
Die Gründung des Frankfurter Kollegiums in der Piratenpartei als Zusammenschluß der Sozialliberalen am 15.12.2012 ist zwar wieder ein Schimmer
am Horizont, aber meine Skepsis überwiegt. Es fehlt ein klares Bekenntnis der Partei zum Liberalismus, zu einer Politik für Freiheit, zu viele unterschiedliche bzw. sogar gegensätzliche
politische Positionen und Ideologien prallen aufeinander. Der gemeinsame Nenner, der Markenkern ist zu klein.
So sind zur Zeit einige "Mitpiraten" und ich damit beschäftigt, dem Vorstand des Landesverbands Nordrhein-Westfalen der Piratenpartei mit
Hilfe der Schiedsgerichte die Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats nahe zu bringen. Es gibt leider Piraten, die meinen, mittels einer Mehrheit könnte man entscheiden, was man möchte.
Dieses Bekenntnis zum Liberalismus gibt es in der FDP seit fast 65 Jahren. Wenn es nun noch gelingen würde, daß die FDP für Freiheit,
Selbst- und Mitbestimmung sowie Eigenverantwortung in allen Lebensbereichen und nicht nur - so habe ich es in den vergangenen mehr als 30 Jahren selbst erlebt und so zeigt es die
Geschichte der FDP leider seit 1948 - selektiv eintritt, dann hätte sie die Chance, endlich eine Partei für alle Liberalen zu werden.
Hier ist ein Umdenken, ist ein Sinneswandel gefragt. Die FDP als Zünglein an der Waage gibt es nicht mehr. Die Zeit als Funktionspartei ist zu
Ende. Jetzt gilt es die Rolle als Programmpartei, mittel- bis langfristig vielleicht sogar als Volkspartei anzunehmen. Warum soll es keine liberale Volkspartei geben?
Und noch eines: Die FDP ist weder Oppositions- noch Regierungspartei. Sie ist eine politische Partei. Regierungsbeteiligungen sind kein
Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck, ein Mittel für die Umsetzung des von den Mitgliedern entwickelten und beschlossenen und von den Wählern befürworteten Programms.
Es geht um Glaubwürdigkeit. Es geht auch um die Kommunikation der Parteimeinung auf der einen und der Meinung als Teil einer
Regierungskoalition auf der anderen Seite. Hier bedarf es einer klaren Trennung! Eine strukturierte und professionelle Kommunikation tut not.
Aufgrund der Erfahrungen, die ich in den vergangenen Monaten machen durfte, bin
ich davon überzeugt, daß es im Umfeld der Piraten ein nicht zu unterschätzendes Potential an Mitgliedern und Wählern für eine liberale Partei, für eine "neue" FDP gibt.
Für eine FDP, deren Repräsentanten es gelingt, wieder glaubwürdig als Liberale und nicht als Klientelpolitiker wahrgenommen zu werden. Hier
sind Sensibilität - auch in Sachen Parteispenden und Zusammenarbeit mit Lobbyisten - und Selbstkritik gefragt.
Geschlossenheit vor allem mit Blick auf bevorstehende Wahlen ist wichtig. Glaubwürdigkeit und Vertrauen sind wichtiger!
Ich bin mir sicher, daß es in Deutschland einen Anteil von mindestens 20 Prozent an Liberalen gibt, die damit potentielle Wähler einer
liberalen Partei sind.
Deshalb meine dringende Bitte, mein Appell an Sie, die Sie große Verantwortung für den organisierten Liberalismus in Deutschland, für unsere
gemeinsame liberale Sache tragen:
Machen Sie aus der FDP die liberale Partei Deutschlands, machen Sie sie für alle Liberalen wählbar und machen Sie damit andere liberale
oder libertäre Parteien überflüssig, auch einen Verein Liberale Basis!
Machen Sie das Jahr 2013 zum Jahr des (organisierten) Liberalismus in Deutschland! Nutzen Sie 65 Jahre FDP für einen Neustart!
Mit freundlich-liberalen Grüßen und den besten Wünschen für das noch junge Jahr 2013
Ihr Wolfgang Gerstenhöfer
Liberaler aus tiefster Überzeugung und von ganzem Herzen