Debatte um Ausnahmen beim geplanten Mindestlohn (25.2.2014)
Sehr geehrter Herr Gerstenhöfer,
vielen Dank für Ihre Email vom 5. Februar zum Thema Mindestlohn. Ich freue mich sehr, dass Ihnen dieses Thema so sehr am Herzen liegt. Auch für mich ist die Frage, wie es möglichst jedem Menschen ermöglicht werden kann, den Lebensunterhalt durch Erwerbsarbeit zu verdienen, eine der zentralen Aufgaben der Politik. Jeder Mensch möchte sich als produktiver Teil der Gesellschaft gebraucht fühlen. Arbeitslosigkeit ist und bleibt der wichtigste Grund für Ausgrenzung und Armut. Aus diesem Grund empfehle ich immer, alle wirtschaftspolitischen Maßnahmen danach zu beurteilen, wie sie sich auf den Arbeitsmarkt auswirken. Werden durch die Maßnahmen mehr Menschen Chancen auf einen Arbeitsplatz haben oder weniger? Werden mehr Arbeitsplätze geschaffen oder weniger? Wird es für Arbeitslose leichter oder schwerer endlich wieder eine Arbeitsstelle zu finden?
Vor diesem Hintergrund bin ich extrem skeptisch, was die derzeit von der Großen Koalition geplanten Gesetze betrifft. Ich meine damit die Rentenpläne, aber insbesondere auch den gesetzlichen Mindestlohn. Angesichts der gebotenen Kürze kann ich nur auf einige wenige Aspekte eingehen, die Sie in Ihrer Email erwähnt haben:
1. Es ist nicht richtig, dass Unternehmen in zunehmendem Maße ihre Profite zu Lasten der Steuerzahler maximieren. Die Zahl der sog. Aufstocker wurde erst kürzlich drastisch nach unten korrigiert: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/hartz-iv-aufstocker-gut-ein-drittel-weniger-in-vollzeit-gezaehlt-a-950342.html
2. Unternehmen, die Arbeitnehmer entlassen, weil sie gewerkschaftlich organisiert sind, handeln eindeutig illegal. Das Arbeitsrecht verbietet das ganz eindeutig und die Arbeitsgerichte ahnden Verstöße in der Regel streng.
3. Ich bin grundsätzlich nicht der Auffassung, dass der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber der „schwächere“ Partner ist und dass deswegen eine Art „Waffengleichheit“ hergestellt werden müsste. Meine Gespräche mit Unternehmern zeigen immer wieder, wie verzweifelt die Unternehmen gute Mitarbeiter suchen – und zwar auf allen Qualifikations- und Erfahrungsstufen. Wer fleißig und engagiert ist, wird es in der Regel leicht haben, einen Job zu finden. Es ist die sehr gute Arbeitsmarktlage, die die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer beträchtlich verbessert. Umso wichtiger ist es, dass möglichst viele Menschen überhaupt erst die Chance bekommen, zu zeigen, dass sie fleißig und engagiert sind. Gerade aus diesem Grund ist ein Mindestlohn wenig hilfreich.
4. Die negative Einkommenssteuer bzw. das liberale Bürgergeld ist nach wie vor die wirksamste und effizienteste Form, soziale Härten auszugleichen. Sie haben vollkommen recht. Aus diesem Grund setze ich mich nach wie vor dafür ein.
Ich möchte erneut betonen, wie sehr es mich freut, dass Ihnen dieses Thema so wichtig ist. Ich möchte Sie ausdrücklich ermutigen, die politische Debatte auch weiterhin so aufmerksam und kritisch zu verfolgen und sich auch immer wieder zu Wort zu melden. Mein Wahlkreisbüro stellt auch gern den Kontakt zu liberalen Gesprächskreisen her, denen das Thema ähnlich wichtig ist, wie Ihnen.
Mit den besten Grüßen,
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Christian Dürr MdL
Fraktionsvorsitzender
Sehr geehrter Herr Gerstenhöfer,
vielen Dank für Ihre Email vom 21. Januar zum Thema Mindestlohn.
Ich freue mich, dass Sie ebenfalls skeptisch sind, wenn es darum geht, dass Beamte oder Politiker die Höhe der Löhne festlegen. In den vergangenen Jahrzehnten ist Deutschland gut damit gefahren, die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft zu beachten und die Lohnfindung den betroffenen Akteuren – nämlich den Tarifpartnern Arbeitgeber und Gewerkschaften – zu überlassen. Gleichwohl sprechen Sie einige wichtige Probleme an, die vielen Menschen zu Recht Sorgen bereiten. Erlauben Sie mir bitte, auf einige der von Ihnen aufgeworfenen Fragen in der gebotenen Kürze einzugehen.
1. Geringe Tarifbindung: Es ist in der Tat so, dass viele Arbeitnehmer ihre Arbeitsverträge selbst mit ihrem Arbeitgeber verhandeln und sich immer seltener von einer Gewerkschaft vertreten lassen. Das ist ihr gutes Recht (sog. negative Koalitionsfreiheit). Offenkundig fühlen diese Arbeitnehmer sich durch die Arbeit der Gewerkschaften in der Region oder/und Branche nicht gut vertreten und entscheiden sich dagegen. Fraglich ist jedoch, ob dies ein Problem der Politik oder nicht vielmehr ein Problem der Gewerkschaften ist. Ich neige dazu, dass sich die Politik eher nicht in die Lohnfindung einmischen sollte. Die geringe Tarifbindung ist eher ein Ausweis schlechter Gewerkschaftsarbeit als ein Handlungsauftrag an die Politik.
2. Von Vollzeit muss man leben können: Ich stimme ihnen voll und ganz zu. Wer Vollzeit arbeitet, sollte davon auch leben können und nicht auf staatliche Unterstützung angewiesen sein. Allerdings ist höchst umstritten, was das genau bedeutet. Wenn ein Alleinverdiener eine vierköpfige Familie ernähren können soll, müssten wir einen Mindestlohn in Höhe von über 15 Euro einführen. Ein so hoher Mindestlohn wäre jedoch de facto ein Arbeitsverbot für Geringqualifizierte und Berufseinsteiger. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, dass Familien und Haushalte mit Kindern staatliche Zuschüsse bekommen, wenn das Einkommen trotz Vollzeit nicht ausreicht. Ich persönlich halte das allemal für sinnvoller, als viele der Betroffenen durch einen hohen Mindestlohn in die Arbeitslosigkeit zu schicken.
3. Kinder- und Altersarmut: Kinderarmut ist in der Tat ein sozialpolitisches Problem. Hier ist es jedoch wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass ein Mindestlohn denkbar ungeeignet ist, um es zu beheben. Aus ähnlichen Gründen wie bereits dargestellt, müssten Mindestlöhne sehr sehr hoch sein, wollten sie sicherstellen, dass alle Kinder in annehmbaren materiellen Verhältnissen aufwachsen können. Sinnvoller ist es, den betroffenen Familien direkte Unterstützungszahlungen zukommen zu lassen – etwa in Form von Kindergeld oder Gutscheinen für Freizeit- und Bildungsangebote der Kinder. Altersarmut hingegen ist derzeit kein grundlegendes Problem in Deutschland. Der Anteil der Menschen über 65, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind ist gerade mal halb so hoch wie in allen anderen Altersgruppen. Den derzeitigen Senioren geht es in Deutschland also relativ gut. Altersarmut kann jedoch ein Problem der Zukunft werden. Sicher sehen auch Sie in den von der großen Koalition geplanten Rentenreformen eine große Gefahr für die Stabilität der Rentenversicherung, die vor allem die Rentner der Zukunft massiv benachteiligt. Hier wird durch Union und SPD die Grundlage für die Altersarmut der Zukunft gelegt!
Ich hoffe, einige Ihrer Fragen beantwortet zu haben und nehme Ihren guten Hinweis gerne auf, dass er unsere aktive Position künftig stärker nach vorne stellt. Bitte zögern Sie nicht, sich jederzeit erneut an mich zu wenden.
Mit den besten Grüßen,
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Christian Dürr MdL
Fraktionsvorsitzender
FDP-Fraktion im Niedersächsischen Landtag
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30159 Hannover
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Telefax (0511) 30 30 48 63
christian.duerr@lt.niedersachsen.de
Vorstandssekretariat: Daniela Knappik
daniela.knappik@lt.niedersachsen.de
Wahlkreisbüro
Brookdamm 40
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Telefax (04222) 400 08 60
Büroleiterin: Marion Vosteen
DÜRR zur Debatte um Ausnahmen beim geplanten Mindestlohn
Berlin. Zur Debatte um Ausnahmen beim geplanten Mindestlohn erklärt der Sprecher der FDP-Fraktionsvorsitzendenkonferenz FDP-Präsidiumsmitglied CHRISTIAN DÜRR:
„Auch ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn mit Ausnahmen bleibt schädlich und benachteiligt vor allem diejenigen Arbeitnehmer, die es ohnehin am schwersten auf dem Arbeitsmarkt haben. Ich appelliere an die Vernunft: Wenn Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages die Verfassungsmäßigkeit der geplanten Ausnahmeregelungen infrage stellen, sollten nicht einfach neue Gutachten in Auftrag gegeben werden, um ein anderes Ergebnis zu erhalten.
Die Annahme, man könnte den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn clever ausgestalten, hat sich als Trugschluss erwiesen. Spätestens jetzt wäre es an der Zeit, dass die Bundesregierung ihr Vorhaben aufgibt und den Tarifpartnern das Feld der Lohnfindung überlässt.
Sinnvoller wäre es, sittenwidrige Löhne entschlossen zu bekämpfen. Es muss faire Löhne geben. Die sollten aber nicht durch die Politik festgelegt werden. Daran kann kein Arbeitnehmer Interesse haben.“