E-Mail vom 23.2.2014:

Hallo Daniel,

über Deine Erwiderung habe ich mich sehr gefreut.

Ich dachte, es ging Dir um eine grundsätzliche Positionierung der
Piratenpartei. Dann habe ich Dich falsch verstanden.

Mir geht es nicht darum, Dich vom Liberalismus zu überzeugen, schon gar
nicht Dich zu ihm zu bekehren. Ich kann Deine andere, teilweise auch
gegensätzliche Meinung selbstverständlich akzeptieren und respektieren.

Richtig verstandener und konsequent umgesetzter Liberalismus ist immer
sozial. Das ergibt sich - wie Du auch richtig schreibst - schon aus dem
Kategorischen Imperativ. Das ist übrigens ein Grund dafür, warum ich
persönlich nicht viel von Bindestrich-Liberalismen halte.

Noch einmal zu Deinem Abschnitt zum Thema Revisionismus:

Für Liberale können - auch und gerade mit Blick auf den Kategorischen
Imperativ - Verbrechen - mögen sie auch noch so abscheulich gewesen sein -
keine Verbrechen als Reaktion rechtfertigen bzw. entschuldigen. Verbrechen
bleiben Verbrechen und müssen immer für sich betrachtet werden.

Die Devise "Der Zweck heiligt die Mittel." oder der Grundsatz "Auge um Auge,
Zahn um Zahn" sind und bleiben illiberal.

Die Verbrechen, die von Deutschen, nicht von den Deutschen, sondern von
Deutschen unter der Herrschaft der Nationalsozialisten begangen wurden,
müssen gerade für Liberale Ansporn sein, alle Verbrechen gegen die
Menschlichkeit - egal von wem sie begangen werden - anzuprangern und nach
Möglichkeit zu bekämpfen.

Dies kann man aber nur, wenn man sich den Verbrechern auf gleicher Augenhöhe
entgegenstellt, und nicht mit gesenktem Blick.

Darüber hinaus ist Geschichtsschreibung nie wirklich abgeschlossen. Neue
Fakten und Erkenntnisse müssen auch neue Sichtweisen zulassen.

So sehe ich das.

Beste Grüße und noch einen schönen Sonntag
Wolfgang

Ein ähnliches Thema:

http://gerstenhoefer.jimdo.com/aktuelles/rede-von-martin-schulz/

E-Mail vom 22.2.2014:

Wolfgang,

Das soll kein Grundsatzprogramm werden, sondern ich beschäftige mich
hier ausschließlich mit den Themen, die derzeit so extrem polarisierend
diskutiert werden. Daher findest Du (und wirst Du auch nicht finden)
nichts zu  Wirtschafts- und Sozialordnung, zur Marktwirtschaft.

Liberalität soll bitte nicht zur Ignoranz führen. Die (soziale)
Verantwortung für andere gehört unbedingt dazu.

Ich sehe keinen Widerspruch zum kategorischen Imperativ. Im Gegenteil:
Bin ich in Not, leide ich unter Verfolgung oder Unterdrückung, wünsche
ich mir, dass man mir gegen die Unterdrücker beispringt.

"Man muss immer Partei ergreifen. Neutralität hilft dem Unterdrücker,
niemals dem Opfer. Stillschweigen bestärkt den Peiniger, niemals den
Gepeinigten." [Elie Wiesel]

Was den Abschnitt zu Revisionismus angeht, und die Antideutschen
Vorwürfe von Dir: Ich bin Nachkomme von in Deutschland verfolgten und
getöteten Menschen. Mein Stolz darauf hält sich in Grenzen. Von meiner
Position, dass alle Deutschen daran Schuld tragen - durch Handeln oder
Wegsehen - rücke ich nicht ab. Ich gestehe anderen Leuten andere
Einstellungen dazu zu.

E-Mail vom 22.2.2014:

Hallo Daniel,

vielen Dank für die prompte Antwort.

Nachdem ich Deinen Entwurf, Deinen Versuch einer linksliberalen
Positionierung gelesen habe, verstehe ich, warum Du nicht Mitglied des
Frankfurter Kollegiums bist.

Deine Position mag links sein. Wo aber kann man bitte den Liberalismus
finden?

Der Begriff Freiheit taucht in Deinem Text zweimal auf: einmal in Verbindung
mit dem Thema Gewalt und einmal ganz am Ende im Zusammenhang mit fünf
weiteren politischen Zielen.

Auf jeden Fall ist die von Dir verfaßte Positionierung antideutsch und damit
kann sie meines Erachtens gar nicht liberal sein.

Wie kann jemand, der seine eigenen Vorfahren, sein eigenes Volk und dessen
Geschichte so sehr verachtet und sich gleichzeitig zum Richter über frühere
Generationen und deren Tun und Unterlassen erhebt, für Freiheit,
Selbstbestimmung und Eigenverantwortung jedes einzelnen Menschen auf allen
Politikfeldern und in allen Lebensbereichen eintreten?

Freiheit, Selbstbestimmung und Übernahme von Verantwortung für sich und
andere im härenen Büßergewand kann und wird nicht funktionieren.

Was ist mit den Deutschen, die die NSDAP nicht gewählt haben oder noch gar
nicht wahlberechtigt waren? Was ist mit den Deutschen, die von den
Nationalsozialisten verfolgt wurden? Ein großer Teil der von Deutschen unter
der Herrschaft der Nationalsozialisten mißhandelten und ermordeten Menschen
jüdischer Abstammung und/oder jüdischen Glaubens waren Deutsche. Teilweise
Patrioten, die wegen ihres Nationalbewußtseins Deutschland nicht verlassen
haben. Was ist mit den Deutschen, die im Rahmen ihrer jeweiligen
Möglichkeiten Widerstand geleistet oder Verfolgten geholfen haben?

Bist Du wirklich der Überzeugung, daß Verbrechen der einen Seite Verbrechen
der anderen Seite rechtfertigen können? Dann glaubst Du wohl auch, der Zweck
könne die Mittel heiligen? Das wäre eine zutiefst illiberale Einstellung -
weder mit den Grundsätzen des liberalen Rechtsstaats noch mit der Goldenen
Regel bzw. dem Kategorischen Imperativ - eine der Grundregeln des
Liberalismus - zu vereinbaren. NSA läßt grüßen.

Zurück zum fehlenden Liberalismus:

Es fehlen Aussagen zur Wirtschafts- und Sozialordnung, zur Marktwirtschaft.
Individualismus oder Kollektivismus? Subsidiarität oder Paternalismus?
Freiheit oder Zwang? Politische und gesellschaftliche Freiheit gibt es auf
Dauer nicht ohne wirtschaftliche Freiheit.

Bitte verwende den Begriff liberal nicht für Deine Positionsbestimmung; es
wäre eine grobe Irreführung. Das Attribut linksradikal trifft es wohl eher.

Ich hoffe, diese Rückmeldung ist Dir konstruktiv genug. Für Fragen und
nähere Einzelheiten stehe ich Dir gern zur Verfügung.

Beste Grüße
Wolfgang

Übrigens ist die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik
Deutschland nach meinem Kenntnisstand seit den 1970er Jahren unverändert.
Und das ist auch gut so ...

E-Mail vom 21.2.2014:

Nein, bin ich nicht, und möchte ich auch nicht sein.

E-Mail vom 21.2.2014:

Hallo Daniel,

bist Du auch Mitglied des Frankfurter Kollegiums?

Beste Grüße und ein schönes Wochenende

Wolfgang

Ich habe Deinen Text noch nicht gelesen, werde es aber noch tun. Gern gebe ich Dir dazu eine Rückmeldung.

> ----- Original Message -----
> From: "Daniel Schwerd" <schwerd@piratenfraktion-nrw.de>
> To: ""Öffentliche Diskussionsliste der 20Piraten in NRW.""
> <20piraten@lists.piratenfraktion-nrw.de>; "Intern und nicht öffentlich"
> <alle@lists.piratenfraktion-nrw.de>
> Sent: Friday, February 21, 2014 4:36 PM
> Subject: [20piraten] #PiratLinksLiberal - eine Positionierung
>
>
> zumindest ein Versuch davon.
>
> http://www.daniel-schwerd.de/piratlinksliberal-eine-positionierung/
>
> Feedback gerne, konstruktiv.