Religionsfreiheit
E-Mail vom 8.12.2011
E-Mail vom 8.12.2011
Sehr geehrter Herr Gerstenhöfer,
vielen herzlichen Dank für Ihr Schreiben.
Ich kann nachvollziehen, wieso der Presseartikel Ihre Aufmerksamkeit gewonnen hat. Es freut mich, dass Sie sich so engagiert für die Sache des Liberalismus und für ein multikulturelles Zusammenleben in der Bundesrepublik einsetzen. Sie haben Recht : Artikel 4 unseres Grundgesetzes gebietet die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses. Darüber hinaus gewährleistet es auch die ungestörte Religionsausübung. Damit umfasst dieses Grundrecht die positive, wie auch negative Religionsfreiheit.
Grundsätzlich ist ein Schüler aufgrund der im Grundgesetz garantierten Glaubensfreiheit auch berechtigt, außerhalb der Unterrichtszeit in der Schule ein Gebet zu verrichten, wenn dies einer Glaubensregel seiner Religion entspricht. Das hat das Bundesverwaltungsgericht auch nicht in Frage gestellt sondern ausdrücklich in einem obiter dictum festgestellt. Schulen haben vielmehr die Aufgabe zwischen den verschiedenen Weltanschauungen zu vermitteln, ohne dabei eine Bewertung der einzelnen Glaubensrichtung vorzunehmen.
Das ist der grundsätzliche Fall. Da aber jedes Verfahren mit einer Einzelfallentscheidung endet, müssen diese Grundsätze anhand des konkreten Falles abgewogen werden. Daher kommt es entscheidend auch auf die Verhältnisse an, die in der in Frage stehenden Schule herrschen. In dem besagten Fall handelt es sich nämlich um eine Schule mit Schülern verschiedener religiöser Überzeugungen. Da bestand von vornherein schon ein latentes Risiko eines gestörten Schulfriedens. Hinzu gekommen ist dann das Gebet einiger Schüler muslimischen Glaubens, die aufgrund des Fehlens einer Ausweichmöglichkeit auf dem Schulflur ihr Gebet verrichteten, bis es ihnen die Schule untersagte.
Dies hat nach tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts, an die das Bundesverwaltungsgericht gebunden war, zu äußerst heftigen Konflikten zwischen den muslimischen Schülerinnen und Schülern geführt, da der betende Teil der Schüler dem anderen vorwarf, diese würden sich nicht entsprechend des Korans verhalten. Eine durch die Schule gestattete Ausübung der Gebete hätte die Konfliktlage verschärft und es wäre zu befürchten gewesen, dass der Schulfrieden erheblich gestört werden würde und allein durch erzieherische Maßnahmen nicht mehr unter Kontrolle zu bringen wäre.
Da es der Schule aus organisatorischen Gründen nicht möglich war, einen eigenen Raum für die Ausübung der Gebete zur Verfügung zu stellen, entschied das Gericht, dass im konkreten Fall die Wahrung des Schulfriedens schützenswerter war als die Gewährung der ungestörten Religionsausübung. Das entspricht auch eher dem Grundsatz: „Im Zweifel für die Freiheit“. Aus diesem Grund halte ich daher die Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht auch für richtig.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
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Sabine Leutheusser-Schnarrenberger MdB
Bundesministerin der Justiz
Landesvorsitzende der FDP-Bayern
Deutscher Bundestag
Platz der Republik
11011 Berlin
Telefon: 030 - 227 71903
Telefax: 030 - 227 76402
E-Mail vom 1.12.2011
Bundesverwaltungsgericht Muslim darf in Schule nicht beten
30.11.2011 Ein 18 Jahre alter Muslim darf an seiner Schule nicht gen Mekka beten. In dem mehrjährigen Streit entschied das Bundesverwaltungsgericht, der Junge müsse die Einschränkung seiner Glaubensfreiheit hinnehmen. Sonst sei der Schulfrieden gestört.
Ein junger Muslim aus Berlin darf an seiner Schule nicht demonstrativ gen Mekka beten. Nach mehrjährigem Streit wies das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Mittwoch die Klage des 18 Jahre alten Schülers zurück. Der Gymnasiast müsse die Einschränkung seiner Glaubensfreiheit hinnehmen, weil durch die öffentlichen Ritualgebete der Schulfrieden gestört werde, urteilte der 6. Senat.
Die Richter betonten, es handele sich um eine Einzelfallentscheidung. Damit sei nicht ausgeschlossen, dass an anderen Schulen öffentlich gebetet werden dürfe. Der Vorsitzende Richter Werner Neumann sagte: „Die Schule muss sehen, ob es wirklich zur Wahrung des Schulfriedens nötig ist, die Glaubensfreiheit einzuschränken.“
Jahrelanger Rechtsstreit
Das Gericht verwies in diesem Fall auf die besondere Situation am Diesterweg-Gymnasium in Berlin-Wedding. Die Schüler dort gehören fünf Weltreligionen an. Da dies zu Konflikten geführt habe, habe die Schulleitung einschreiten müssen. Grundsätzlich müsse der Staat wegen der Glaubensfreiheit aber religiöse Bezüge in Schulen zulassen, sagte der Vorsitzende Richter (Az.: BVerwG 6 C 20.10).
An der Schule mit Jungen und Mädchen knapp 30 verschiedener Nationalitäten nutzten acht muslimische Schüler die Pause, um auf dem Schulflur gen Mekka zu beten - vor den Augen staunender Mitschüler. Die Schulleitung untersagte die Gebete. Doch der Schüler Yunus gab sich nicht zufrieden und zog vor Gericht.
Vor dem Verwaltungsgericht Berlin bekam er zunächst Recht, das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg sah die Sache aber anders und urteilte, die Schule dürfe den muslimischen Schülern ihr rituelles Gebet verbieten. Diese Auffassung wurde jetzt durch das höchste deutsche Verwaltungsgericht bestätigt.