Türkei
----- Original Message -----
From: <N.Beer@ltg.hessen.de>
Sent: Wednesday, April 02, 2014 6:12 PM
Subject: Ihre Anfrage zur Lage in der Türkei - Namensbeitrag zu Erdogan
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> Im Hinblick auf Ihre Anfrage zur Türkei übersende ich Ihnen anbei einen Namensbeitrag von mir, mit dem wir uns als FDP bereits sehr frühzeitig über die Zeit sehr kritisch über die Situation in Dr Türkei und die Sprachlosigkeit der EU geäußert haben.
>
> Alexander Graf Lambsdorff hat heute im Handelsblatt erklärt, daß die Türkei eine ernsthafte Bewertung anhand der Beitrittskriterien braucht und die Türkei unter Erdogan diese Kriterien definitiv nicht erfüllt.
>
> Auch dazwischen gab es verschiedene Äußerungen, leider wird nicht alles gedruckt...
>
> Wichtig: mit der jetzigen Regierung Erdogan ist die Türkei nicht beitrittsfähig, da kann es keinen Rabatt geben. Aber es gibt viele Menschen in der Türkei, die an bessern Zeiten und westlichen Werten interessiert sind!
>
> Mit besten Grüßen,
> Ihre
> Nicola Beer MdL
> Generalsekretärin
Wo bleibt die deutliche Stimme Europas angesichts der Bürgerrechtsverletzungen Erdogans?
Keine 550 km Luftlinie liegen zwischen Sewastopol und Istanbul. Und doch trennen die Konflikte
in der Ukraine und der Türkei Welten. Der Protest auf dem Maidan rief tage- und wochenlang
internationale Kritik am Regime von Janukowitsch hervor, die Kritik am Regime von Erdogan fällt
dagegen deutlich schwächer aus. Selbst der kürzlich vom Europäischen Parlament
verabschiedete Fortschrittsbericht zur Türkei ist zwar kritisch, aber doch wohlwollend. Warum
eigentlich?
Vergleicht man Erdogan mit Janukowitsch, gibt es viele Parallelen. Beide haben die im letzten
Jahr aufgekommenen Proteste an ihrer Regierungspolitik in kürzester Zeit mit aller Härte zu
ersticken versucht. Was in Istanbul der Gezi-Park und Taksim-Platz war, ist in Kiew der Maidan
gewesen. Es dauerte in beiden Fällen nur wenige Tage bis zur Eskalation der Gewalt – mit
unzähligen Verletzten und im Fortgang auch Todesopfern. Darüber hinaus sehen sich beide mit
ihren jeweiligen Clans massiven Korruptionsvorwürfen ausgesetzt. Während Journalisten in der
Ukraine über 22.000 Dokumente trockneten, die bei der Flucht Janukowitsch’ von dessen
Handlangern in einem See nahe seiner Residenz versenkt wurden, bringen immer neue
Telefonmitschnitte Erdogan in Bedrängnis. Nachdem er bereits unliebsame Staatsanwälte
abgesetzt hat, könnte es nun YouTube und Facebook an den Kragen gehen. Dementsprechend
klar ist das Urteil der Reporter ohne Grenzen: In ihrer neuesten Rangliste der Pressefreiheit
rangiert die Ukraine mit Platz 126 sogar noch über der Türkei mit Platz 154.
Diese Parallelen verdeutlichen: Europa ist zu lange geduldig mit Erdogan und seiner AKP
gewesen. Mit ihm kann es keine EU-Beitrittsperspektive für die Türkei geben. Wer wie Erdogan
in solch eklatanter Weise die Meinungsfreiheit und das Rechtsstaatsprinzip mit Füßen tritt, ist
kein glaubwürdiger Kandidat für einen Beitritt zur EU.
Es ist der falsche Weg, die Beitrittsperspektive aus naivem Gutmenschentum prinzipiell zu
bejahen oder sie aus einer vermeintlichen religiösen Unvereinbarkeit prinzipiell zu verneinen. Es
sind die objektiven Beitrittskriterien, die für alle Länder gleichermaßen gelten und die den
Fortgang der Gespräche bestimmen. Dabei kann es keine Rabatte geben, schon gar nicht auf
Kosten der Menschen- und Bürgerrechte. Die Türkei selbst hat es in der Hand, ob sie diese
Perspektive verspielt oder nicht.
Hoffnungsvoll stimmt, dass sich so viele Bürger in der Türkei gegen das Herrschaftssystem
Erdogan auflehnen. Sie wollen ihr Land in eine demokratische, freie und rechtstaatliche Zukunft
führen. Diese Kräfte gilt es zu stärken. Doch statt sich auf die Seite derer zu stellen, die für
Recht und Gesetz, für die Pressefreiheit und für die Unabhängigkeit der Justiz in der Türkei
eintreten, schweigt die Europäische Union. Wieso? Wo bleiben unmissverständliche Beschlüsse
des EU-Außenministerrates? Wo geharnischte Worte des Europäischen Parlamentes oder seines
Präsidenten Martin Schulz? Wenn die Europäische Union ihr Konzept einer Wertegemeinschaft
ernst nimmt, sollte sie endlich darauf drängen, dass die Bürgerrechtsverletzungen in der Türkei
ein Ende haben. Nur dann sind ernsthafte Fortschritte bei den Verhandlungen überhaupt
denkbar.
----- Original Message -----
From: Wolfgang Gerstenhöfer
Sent: Tuesday, April 01, 2014 8:16 PM
Subject: Türkei
Sehr geehrte Frau Beer,
welche Haltung nimmt die FDP zum Verhalten von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan und zur Republik Türkei ein?
Ich habe aufgrund seiner Drohungen nach der Kommunalwahl in der Türkei eine Pressemitteilung der FDP vermißt.
Nach meiner Auffassung ist das Maß nun mehr als voll.
Obgleich ich äußerst selten mit Forderungen aus der CSU übereinstimme, halte ich es auch für sinnvoll, die Verhandlungen über einen möglichen Beitritt zur Europäischen Union abzubrechen.
Sie sollten frühestens dann wieder aufgenommen werden, wenn es in der Türkei einen neuen Ministerpräsidenten gibt, der sich wieder an die
Regeln des demokratischen Rechtsstaats und damit auch an die für die Mitglieder der Europäischen Union geltenden Werte hält.
Wie sehen Sie bzw. wie sieht die FDP das?
Mit freundlich-liberalen Grüßen
Ihr Wolfgang Gerstenhöfer