Die Europawahl, die Liberalen Demokraten und ich
Als ich mir im Jahr 1983 Gedanken darüber gemacht habe, Mitglied einer politischen Partei zu werden, um mich für unser Gemeinwesen zu engagieren und Einfluß auf die Politik zu nehmen, kam die Partei "Liberale Demokraten" (LD) auch in die engere Wahl, die am 28. November 1982 in Bochum als Folge des Bruchs der seit dem 21. Oktober 1969 bestehenden sozialliberalen Koalition zwischen F.D.P. und SPD auf Bundesebene gegründet worden war.
Zum Bundesvorsitzenden war der frühere hessische F.D.P.-Landtagsabgeordnete Ulrich Krüger gewählt worden. Zu ihrem Ehrenvorsitzenden hatte sie William Borm gewählt, der bis zu seinem Austritt aus der F.D.P. im Herbst 1982 Mitglied deren Bundesvorstands (seit 1960) und Ehrenvorsitzender deren Berliner Landesverbands (seit 1972) gewesen ist.
Für Geschichte und damit auch im weitesten Sinne für Politik habe ich mich schon sehr früh interessiert. Als Kind faszinierten mich schon Burgen und Schlösser, deren Geschichte und früheren Bewohner.
Die sogenannte Bonner Wende, das konstruktive Mißtrauensvotum gegen Bundeskanzler Helmut Schmidt am 1. Oktober 1982 hat mein Interesse an der aktuellen Politik, auch an der Parteipolitik geweckt.
Daraufhin habe ich mich mit den Grundsatz- und Wahlprogrammen der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU), der Christlich-Sozialen Union in Bayern (CSU), der am 13. Januar 1980 gegründeten Partei "Die Grünen", der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), der Europäischen Arbeiter-Partei (EAP), der Freien Demokratischen Partei (F.D.P.), der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) beschäftigt, aber auch mit dem Programm der Partei "Liberale Demokraten" (LD).
Die Weltanschauung, die Ideologie des Liberalismus, von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, im Humanismus und im Rationalismus wurzelnd, hatte mich schon aufgrund meiner historischen Interessen sehr angesprochen.
Daher war mir auch die Geschichte der liberalen Parteien und ihrer Tendenz zur Aufspaltung in Links- und Rechtsliberale nicht ganz unbekannt.
So hatte ich mich zwar recht schnell dafür entschieden, Mitglied einer liberalen Partei zu werden, aber noch nicht, ob es die F.D.P. oder doch die Partei "Liberale Demokraten" (LD) werden sollte.
In diesem Zusammenhang hatte ich auch Kontakt zu Günter Pröhl in Köln-Buchheim, der meines Wissens noch ein Jahr zuvor der Vorsitzende des Ortsverbands Köln-Mülheim der F.D.P. gewesen und bis heute politisch engagiert ist.
Letztendlich hat mich der Verbleib von Politikern wie Gerhart Baum, Ralf Dahrendorf, Hildegard Hamm-Brücher und Burkhard Hirsch trotz des Koalitionswechsels in der F.D.P. dazu gebracht, mich für diese Partei zu entscheiden und nicht für den Ableger, der sich als sozialliberal bezeichnete und damit auch eine gewisse ideologische Nähe zur SPD zum Ausdruck brachte.
Dementsprechend hatte sie bei der Bundestagswahl 1987 zur Stimmabgabe für die SPD aufgerufen. Nachdem sie bei der Europawahl 1989 die nötige Anzahl an Unterstützungsunterschriften nicht zusammenbekommen hatte, sollte sie auf Empfehlung des Bundesvorstands aufgelöst werden.
Gerade mit Blick auf die Historie des organisierten Liberalismus wollte ich darüber hinaus diesen "liberalen Spaltpilz" nicht nähren, der die liberale Sache immer geschwächt und ihre Gegner gestärkt hatte.
Daß sich Liberale wie Ingrid Matthäus-Maier, Andreas von Schoeler und Günter Verheugen für die SPD entschieden haben, habe ich nicht verstanden und sehr bedauert. Sie haben damit dem Liberalismus in Deutschland großen Schaden zugefügt. Ging es ihnen um die Sache oder hatten sie nur Angst davor, ihr Mandat zu verlieren?
Helga Schuchardt blieb parteilos, aber in SPD-Nähe, gehörte mit zu den Initiatoren der im Herbst 1982 gegründeten Liberalen Vereinigungen - neben William Borm, Sibylle Engel, Klaus Gärtner, Friedrich Hölscher, Wolfgang Lüder, Ingrid Matthäus-Maier, Theo Schiller, Andreas von Schoeler, Christoph Strässer und dem Liberalen Bildungswerk. Diese wollte für F.D.P.-Abtrünnige und ungebundene Freisinnige ein sozialliberales Sammelbecken sein. Den Vorsitz übernahm Helga Schuchardt.
Auch wenn ich sozialliberale Koalitionen durchaus befürworte und positiv sehe, auch die aktuelle Fortschrittskoalition, die Ampelkoalition zwischen der Partei "Bündnis 90/Die Grünen", der FDP und der SPD, kommen SPD, Sozialdemokratie und Sozialismus für mich als politische Ausrichtung nicht in Frage.
Die Bonner Wende, die zu einer Koalition zwischen CDU/CSU und F.D.P. und zur Wahl von Helmut Kohl zum Bundeskanzler geführt hatte, habe ich für politisch notwendig und gerechtfertigt, die Art und Weise des Koalitionswechsels allerdings für nicht sehr glücklich gehalten. Inzwischen denke ich, daß Hans-Dietrich Genscher ("Wendelin") zum damaligen Zeitpunkt die richtigen Entscheidungen getroffen hat, um vor allem die Außen- und die Wirtschaftspolitik fortsetzen zu können.
Es war nicht die F.D.P., sondern die SPD, die sich zu Beginn der 1980er Jahre von gemeinsamen, von sozialliberalen Übereinstimmungen entfernt hatte. Und es war Bundeskanzler Helmut Schmidt, der seinen Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff beauftragt hatte, ein "Konzept für eine Politik zur Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit" auszuarbeiten, und genau wissen mußte, daß dieses "Lambsdorff-Papier" eine Reihe von Elementen enthalten werden würde, die für die SPD unannehmbar sein würden.
Dieses Konzept vom 9. September 1982 wurde später als "Scheide- oder Wendepapier" bezeichnet. Es wurde aber nicht von Genscher, sondern von Schmidt initiiert.
Am 11. Januar 1984 wurde mein Antrag auf Aufnahme in die F.D.P. vom Kölner Kreisvorstand angenommen. Zunächst wurde ich aufgrund meines Wohnsitzes in Köln-Holweide dem Ortsverband Köln-Dellbrück zugeordnet. Kurze Zeit später wechselte ich in den Ortsverband Köln-Mülheim, da dessen Mitglieder politisch, vor allem kommunalpolitisch aktiver waren. So gab es regelmäßige Treffen in den Räumen der Bezirksvertretung am Wiener Platz.
Nie habe ich die Partei "Liberale Demokraten" (LD) aus den Augen verloren.
Im Jahr 1991 erweiterten die Liberalen Demokraten ihren Namen durch den Zusatz "die Sozialliberalen", im Jahr 2007 wurde dann auch das Logo angepaßt.
Die FDP blieb bis ins Jahr 2012 meine politische Heimat, auch wenn mir von Anfang an das Eintreten für einen ganzheitlichen Liberalismus, freiheitlich und gleichzeitig sozial, zu kurz gekommen ist. Vor allem durch die Koalition mit der Union wurden insbesondere die wirtschaftsliberalen Positionen gestärkt und die gesellschaftsliberalen Positionen eher vernachlässigt.
Mit der Übernahme des Bundesvorsitzes durch Philipp Rösler am 13. Mai 2011 rückte die FDP immer mehr vom Liberalismus ab und setzte diese Entwicklung unter dem Führungsduo Christian Lindner und Wolfgang Kubicki ab dem 7. Dezember 2013 konsequent fort, überdeutlich gemacht durch den Verzicht auf den Zusatz "Die Liberalen" öffentlichkeitswirksam auf dem traditionsreichen Dreikönigstreffen am 6. Januar 2015. Aus den Liberalen wurden Frei(heitlich)e Demokraten.
Ab den Jahren 2011 und 2012 hatte ich große Hoffnungen auf die am 10. September 2006 gegründete Piratenpartei Deutschland gesetzt. Ich hatte tatsächlich den Eindruck, daß sie eine ganzheitlich liberale Partei sein oder zumindest werden und irgendwann mit der FDP zur Liberalen oder Liberaldemokratischen Partei Deutschland fusionieren könnte.
Deshalb habe ich meine Mitgliedschaft in der FDP auch beibehalten; ich wollte - ähnlich wie bei einer doppelten Staatsbürgerschaft - beide Welten miteinander vereinen.
Dies war zwar nach der Satzung der Piratenpartei möglich, nicht aber nach der der FDP, so daß meine Mitgliedschaft dort am 1. Januar 2012 offiziell endete.
Leider wurde die Piratenpartei nach ihren Wahlerfolgen in jener Zeit von Linksradikalen und Opportunisten gekapert. Die Liberalen gründeten am 15. Dezember 2012 das Frankfurter Kollegium, konnten sich aber nicht mehr durchsetzen.
Ab dem 6. Januar 2015 bemühten sich die Partei "Liberale Demokraten - die Sozialliberalen" (LD), die am 14. September 2014 gegründete Partei "Neue Liberale" (NL) und die Verbraucherschutzpartei (VS) um eine Zusammenarbeit und einen möglichen Zusammenschluß.
Es blieb letztlich bei der Veröffentlichung einer "Sozialliberalen Erklärung" am 21. März 2017, an der neben der Partei "Liberale Demokraten - die Sozialliberalen" (LD) und der Partei "Neue Liberale - Die Sozialliberalen" (NL) die Piratenpartei Deutschland, die am 4. Oktober 2014 gegründete Partei der Humanisten (PdH), die Transhumane Partei und der Arbeitskreis YourTurn der Linksjugend beteiligt waren.
Auch diese Initiative ist letztlich im Sande verlaufen. Die Partei "Neue Liberale - Die Sozialliberalen" (NL), ab dem 1. Dezember 2019 "Die Sozialliberalen" (SL) löste sich am 17. Juli 2021 quasi zugunsten der am 3. März 2018 gegründeten Partei "Volt Deutschland" auf. Diese Partei war der erste nationale Verband der am 29. März 2017 gegründeten Partei "Volt Europa".
War die FDP fast 30 Jahre - von 1983/84 bis 2011/12 - meine politische Heimat, davon rund 10 Jahre ohne Parteibuch, habe ich seit dem 6. März 2014 keine parteipolitische Heimat mehr, eine sozialliberale Partei kommt für mich leider nicht in Frage - zumindest nicht als Mitglied.
Auch wenn die FDP vor allem seit dem Jahr 2015 immer mehr zur Partei der Freiheitlichen geworden ist, die am 6. Februar 2013 die Partei "Alternative für Deutschland" (AfD) gegründet haben, ihnen diese aber inzwischen zu rechtsradikal bis -extrem geworden ist, setze ich meine Hoffnungen nach wie vor auf diese Partei, die am 11. und 12. Dezember 1948 als Heimat aller Liberalen gegründet worden ist und deshalb eigentlich Liberaldemokratische Partei heißen sollte.
Gern hätte ich der Partei "Liberale Demokraten - die Sozialliberalen" (LD) bei der bevorstehenden Europawahl meine Stimme gegeben. Leider haben sie nicht genügend Unterstützungsunterschriften sammeln können.
Sie empfiehlt, zwar nicht die SPD, aber die Partei der Humanisten (PdH), die Piratenpartei Deutschland oder die Partei "Volt Deutschland" zu wählen. Leider kann ich diesen Empfehlungen aus verschiedenen Gründen nicht folgen. Auch die am 20. April 2020 gegründete Partei des Fortschritts (PdF oder PDF) kommt nicht in Frage, zumindest noch nicht. Noch sind Fragen zum Programm und zu den "Ideen statt Ideologien" offen.
Inzwischen habe ich mich dazu entschlossen, meine Stimme Marie-Agnes Strack-Zimmermann zu geben und sie und die Liberalen in der FDP damit zu stärken, auch wenn ich nach wie vor der FDP á la Lindner und Kubicki mehr als skeptisch gegenüberstehe. Das AfD-Potential in der aktuellen FDP ist zu groß.
Am 10. Mai 2020 sagte Strack-Zimmermann der Tageszeitung "Die Welt": "Wir als FDP-Bundesvorstand sollten Thomas Kemmerich dazu auffordern, seinen Hut zu nehmen und die FDP zu verlassen." Und Thomas L. Kemmerich steht stellvertretend für die Freiheitlichen (Demokraten) in der FDP, eine bunte Mischung aus Kapitalisten, Libertären und Deutschnationalen.
Eine liberale, eine ganzheitlich liberale Partei wird gebraucht, freiheitlich und gleichzeitig sozial, keine "AfD light", keine "CDU der 1980er Jahre", aber auch keine "SPD in liberal", sondern eine Partei, die konsequent für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit steht!