Stellungnahme zur Rede von Christian Lindner, die er als Bundesvorsitzender auf dem 74. Ordentlichen Bundesparteitag der FDP am 21. April 2023 gehalten hat:

Was soll ich zu dieser Rede schreiben?

 

Es könnte fast die Rede eines Liberalen sein. Schon das Motto "Machen, was wichtig wird" hat mir deutlich besser gefallen als die Motti der vergangenen Jahre.

 

Die Rede enthält nach meiner Auffassung viele liberale Ansichten und Botschaften.

 

Nichtsdestotrotz bleiben bei mir Zweifel, ob diese FDP nach zehn Jahren nun endlich doch noch bzw. wieder den Weg zum Liberalismus finden kann, ganzheitlich, freiheitlich und gleichzeitig sozial, im Sinne der liberalen Werte Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.

 

"Die Botschaft hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube."

 

Lassen Sie mich daher zu den Passagen Stellung nehmen, die ich nach wie vor kritisch sehe.

 

Ich beginne mit Aussagen ziemlich am Ende der Rede, die meine Zweifel begründen.

 

"... ich erinnere mich, vor fast genau zehn Jahren stand ich auch hier und wurde zum ersten Mal zum Parteivorsitzenden gewählt. ... Damals hatten wir nur noch gut 55.000 Mitglieder, heute sind es 20.000 mehr. Damals standen wir in Umfragen bei 2 Prozent. Heute stehen wir bei 7 Komma. Damals waren wir APO. Heute sind wir Regierungspartei. ..."

 

Die Frage, die sich mir stellt, ist die, wie viele von diesen Mitgliedern sind Liberale und wie viele sind Freiheitliche Demokraten, freiheitlich statt liberal, Freie Demokraten also, die so ähnlich denken, wie die Freidemokraten, die seinerzeit die AfD aus der Taufe gehoben haben, die mit ihrer Gesinnung eher bei der FPÖ als bei der Partei "NEOS" zu finden sind, an der sich Christian Lindner 2013/14 nach dem Scheitern bei der Bundestagswahl orientieren wollte, um die FDP neu aufzustellen.

 

Diese "neue" FDP á la Lindner und Kubicki versucht, sich spätestens seit 2015/16 als eine "AfD light" zu positionieren, die sich so richtig weder zwischen Liberalismus und Populismus noch zwischen Regierung und Opposition entscheiden kann.

 

Dazu paßt die folgende Passage aus Lindners Rede sehr gut:

 

"... Nun wird uns vorgehalten und die eine und der andere von Euch hat mir das auch geschrieben, per WhatsApp oder per Email: Ja, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die habe doch einen so tollen Antrag gestellt. Ja, warum habe denn die FDP im Bundestag nicht zugestimmt? Das kann ich leicht erklären: Weil SPD und Grüne den ganzen Anträgen der Linkspartei für Steuererhöhungen und Enteignung auch nicht zustimmen können trotz Sympathie, weil in Koalitionen wechselnde Mehrheiten ausgeschlossen sind, weil sonst ein planvolles gemeinsames Gestalten nicht möglich wäre. Das ist der Grund. Ich hätte nicht gedacht, dass man dieses Prinzip so oft erklären muss, aber es ist der Fall. ..."

 

Dazu fällt mir leider nur das folgende Zitat aus der Ballade "Der Zauberlehrling" von Johann Wolfgang von Goethe ein: "Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los."

 

Schaut man sich auf Facebook die Kommentare zu Beiträgen der FDP-Bundestagsabgeordneten an, dann findet man, welche Menschen man in den vergangenen Jahren für die FDP interessiert und gewonnen hat. Liberale sind das leider nicht.

"... Ich habe hier heute versucht, ... noch einmal in Erinnerung zu rufen, wofür wir eigentlich stehen, für den Gedanken, dass Freiheit unteilbar ist, dass alle Menschen faire Chancen verdient haben und Leistung sich lohnen muss. Dass Wohlstand erst erwirtschaftet werden muss, bevor er verteilt werden kann. Dass wir Verantwortung tragen nicht nur für unsere Freiheit, sondern auch für die von Menschen anderswo auf der Welt und die unserer Nachkommen. Dass wir mehr Freude am Erfinden als am Verbieten haben sollten. ... Wir kämpfen für den Wert der Freiheit, für wirtschaftliche Vernunft, faire Lebenschancen und ein modernes, nicht linkes Deutschland. ..."

 

Das liest sich gut. Das liest sich durchaus liberal, weitestgehend. Und doch steckt der Teufel immer im Detail.

 

Für Liberale ist der Grundwert der Freiheit primus inter pares unter den liberalen Werten Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Lindner spricht viel von Freiheit, aber äußerst wenig von Gleichheit und Brüderlichkeit. Spielen diese Werte für ihn, für die Frei(heitlich)en Demokraten nur noch eine untergeordnete oder gar keine Rolle mehr?

 

Lindner will für ein modernes Deutschland kämpfen und sieht als Gegensatz dazu ein linkes Deutschland. Wie hält er es mit einem rechten Deutschland? Das Wahlprogramm der FDP zur Bundestagswahl 1980, das mich 1983/84 zur FDP geführt hat, trug den Titel "Unser Land soll auch morgen liberal sein", nicht links, nicht rechts, nicht Mitte, liberal.

 

Nun aber zu den anderen Teilen der Rede, die mich noch skeptisch machen:

 

"... In unserem Land wird gelegentlich der Wert der Freiheit gering geschätzt, weil sie als eine Selbstverständlichkeit betrachtet wird. Corona und die damit verbundenen Schutzmaßnahmen haben jeder und jedem gezeigt, dass Freiheit alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist. ... Es ist das Verdienst insbesondere unseres liberalen Justizministers Marco Buschmann, dass wir danach eine andere, liberalere Politik eingeleitet haben. Und das war alles andere als unumstritten. Ich erinnere mich noch an den Jahreswechsel 2021, als wir klar gemacht haben: Schulschließungen und andere pauschale Schließungen, Ausgangssperren wird es mit uns nicht mehr geben. Was sind da für Szenarien, auch öffentlich, bemüht worden? Da gab es den Twittertrend 'Buschmann Tote'. Das war ja alles andere als unumstritten, diese Veränderung hin zu einer liberaleren Pandemie-Politik umzusetzen. ..."

 

Der Wert der Freiheit hat für Liberale einen sehr hohen Stellenwert. Der Liberalismus (lateinisch liber, libera, liberum "frei"; liberalis "die Freiheit betreffend") ist die Ideologie der Freiheit, der negativen, aber auch der positiven Freiheit, der Freiheit von und der Freiheit zu. Sie wird immer begleitet von den Werten der Gleichheit im Sinne von Rechts- und Chancengleichheit und der Brüderlichkeit im Sinne von Solidarität, Subsidiarität und Hilfe zur Selbsthilfe ("Subjekt- statt Objektförderung").

 

Dieser Dreiklang führt dazu, daß der Liberalismus per se sozial (und auch ökologisch) ist und sich an alle Menschen richtet, denen größtmögliche Freiheit wichtig ist - und zwar unabhängig von Herkunft, Einkommen und Vermögen.

 

Es geht um Freiheit, aber auch um Verantwortung, für sich, seine Mitmenschen und unsere natürlichen Lebensgrundlagen.

 

Was nutzen alle Freiheiten, alle Chancen, wenn man nicht weitgehend gesund oder gar tot ist? Wenig bis gar nichts.

 

Daher ist es nach meiner Überzeugung nicht liberal, wenn man versucht, die Grundrechte auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit und der Freizügigkeit gegen die Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit auszuspielen.

 

Hinzu kommt, daß die Rechte auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit und auf Leben und körperliche Unversehrtheit für alle Menschen gelten, auch für die, die durch COVID-19 stärker bedroht sind bzw. waren, als andere Menschen.

 

Ich würde zwar nicht von "Buschmann-Toten" sprechen, aber es dürfte eine Tatsache sein, daß diese FDP dadurch, daß sie versucht hat, die COVID-19-Pandemie dafür zu nutzen, bestimmte Wähler und wahrscheinlich auch Mitglieder zu gewinnen und zu halten, dazu beigetragen hat, daß mehr Menschen erkrankt und auch gestorben sind, als es nötig gewesen wäre.

 

Daran ändert auch Lindners Feststellung - 75 Jahre nach Gründung einer Freien Demokratischen Partei in Deutschland - nichts, daß nicht die Bürger es sind, die ihre Freiheit begründen müssen, sondern es immer der Staat ist, der begründen muß, wenn er in die Freiheit der Menschen eingreift.

 

Denn Eingriffe in die Freiheit waren begründet und berechtigt, auch wenn man im nachhinein weiß, daß manche Eingriffe nicht notwendig gewesen wären. Hinterher ist man aber bekanntlich immer schlauer. Das nutzt aber den Menschen und deren Angehörigen nichts, die gestorben sind oder unter Long COVID leiden, obgleich es vermeidbar gewesen wäre.

 

Und es ging nicht um Ausgangssperren und Schulschließungen, denen übrigens die FDP z. B. in NRW sehr frühzeitig und in sehr massiver Form zugestimmt hat -, sondern um das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung und den Nachweis eines negativen Testergebnisses oder einer Impfung.

 

Die liberale Idee der Eigenverantwortung ist immer dann sinnvoll, wenn man selbst die Kontrolle und auch selbst die Konsequenzen aus seinem Tun oder Unterlassen zu tragen hat.

 

Wollten die Frei(heitlich)en Demokraten, daß sich alle Menschen vollständig isolieren, deren Gesundheit und Leben stark gefährdet waren? Wollten sie ihnen jede Teilnahme am öffentlichen Leben einschließlich des Einkaufs für den täglichen Bedarf absprechen, weil sie für ihr Schicksal selbst verantwortlich sind und es Rücksichtnahme nicht mehr gibt?

 

Das hat für mich nichts mit Liberalismus zu tun. Das ist nicht liberal.

"... Die FDP im Bundeskabinett, die habe ja zugestimmt, nur eine Protokollerklärung gemacht und quasi den Bundestag aufgefordert zu Veränderungen zu kommen. Was das denn sei? Ja, was ist denn das? Ein normales Verfahren. Das ist jetzt nicht von uns erfunden worden. Ich erinnere mich, dass beispielsweise die Kollegin Baerbock dem Entwurf des Haushalts 2023 nur mit der Protokollerklärung zugestimmt hat, dass sie im parlamentarischen Verfahren noch zusätzliche Mittel bekommen müsse und ansonsten das aber alles sehr kritisch sehe. Dazu will ich mich gar nicht äußern. Aber das ist ein normales Verfahren. Warum wählt man es? Man wählt es, weil man zwar noch sachliche Bedenken hat, die geklärt werden müssen, aber dennoch Fristen drohen, zum Beispiel eine parlamentarische Sommerpause, aber ein Vorhaben beschlossen werden muss, weshalb man die endgültige Klärung von Vorhaben dann in das Parlament gibt. Denn das Parlament trifft sowieso erst die endgültige Entscheidung. Manchmal ist es so: Wenn die FDP sich gewisser Verfahren der Staatspraxis bedient, dann wird es bei uns kritisiert. Bei anderen wird es hingenommen. Ich glaube, dieses Los müssen wir tragen. ..."

 

Die arme FDP. Muß sie dieses Los tragen? Nein. Sie müßte es nicht, wenn man endlich an der Kommunikation arbeiten würde. Es ist nicht das unabwendbare Schicksal der FDP, sondern es liegt in den Händen derjenigen, die für die FDP handeln und sprechen.

 

Deshalb hat mich auch der Antrag zum Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes und dessen Annahme sehr überrascht - oder auch nicht ...

 

Wir wissen zwar jetzt - spät, aber immerhin -, warum die der FDP angehörenden Bundesminister in der Sitzung der Bundesregierung am 19. April 2023 dem Gesetzentwurf zugestimmt haben.

 

Trotzdem bleibt die Frage, warum man in der besagten Protokollerklärung nicht direkt auf einen entsprechenden Beschluß der FDP verwiesen hat, verweisen konnte ...

 

Da wartet man auf Frank Schäffler; im September 2010 Gründer der parteiinternen Gruppe Liberaler Aufbruch und der Denkfabrik "Prometheus - Das Freiheitsinstitut" im Jahr 2014:

 

Anläßlich der Veröffentlichung des dritten Teils des fünften Sachstandsberichts des Weltklimarats Mitte April 2014 bezeichnete Schäffler sich selbst als Klimaskeptiker. Er schrieb: "Ich bekenne hiermit: Ich bin ein Klimaskeptiker. Und wird es dennoch ein wenig wärmer, dann freue ich mich über die besseren Ernteerträge, die milderen Winter und den besseren Wein." Er lehnt die Energiewende ab und bezeichnet sie als obrigkeitsstaatlich verordnete "Klimareligion". Sein "Prometheus-Institut" ist Mitglied im Atlas Network, in dem vor allem marktradikal ausgerichtete und von der fossilen Energieindustrie finanzierte Organisationen Mitglied sind.

 

Das spricht für sich selbst und leider nicht für diese FDP und ihren alten und neuen Vorsitzenden Lindner.

 

Dabei sehe ich schon auch noch einen gewissen Unterschied zwischen der Forderung nach einem höheren Budget und einer grundsätzlich anderen Sichtweise auf einen Gesetzentwurf, auf eine Materie, die große Auswirkungen auf die Menschen und ihre Zukunft hat - vor allem kurz nach einer Sitzung des Koalitionsausschusses, die 30 Stunden gedauert hat.

 

Lindner dazu: "Man schweigt sich auseinander. Und man diskutiert sich zusammen."

 

Ich frage mich, was die Bundesminister und andere mögliche Teilnehmer während der Kabinettssitzungen machen. Redet man da nicht miteinander? Wird es jetzt bis zum Ende der Legislaturperiode immer wieder Quasi-Koalitionsverhandlungen geben müssen? Gute Kommunikationsberater wären gefragt, deren Rat man dann auch umsetzt ...

 

Hinzu kommt, daß es nur eines von vielen Themen ist, bei denen die Konflikte auf offener Bühne ausgetragen werden und vor allem von Seiten der Frei(heitlich)en Demokraten immer wieder der Vorwurf erhoben wird, eine bestimmte Meinung würde ausschließlich aus ideologischen Gründen vertreten.

 

Wenn jemand gegen eine Forderung der Frei(heitlich)en Demokraten ist, dann ist es Ideologie, und die eigene Position ist Pragmatismus. Für mich ist das Populismus, auf keinen Fall liberal.

 

Man kann eine andere Meinung vertreten, jede Partei hat ihre Weltanschauung, bei der FDP sollte es mal der Liberalismus sein, sollte aber zu Entscheidungen einer Koalition grundsätzlich stehen.

 

Ansonsten macht man sich unglaubwürdig. Alternativ steht es der FDP jederzeit frei, die Koalition zu verlassen, wie sie es in der Vergangenheit auch schon getan hat.

 

Das hat übrigens nichts mit Hinterzimmerpolitik und einem Mangel an Transparenz zu tun, sondern mit einem sachlichen, konstruktiven und produktiven Miteinander in einer Koalition im Interesse der Wähler.

 

Wo ist die FDP, die zwischen 1949 und 1998 immerhin gute 40 Jahre an der Bildung der Bundesregierung beteiligt gewesen ist?

 

"... Ich bin etwas bekümmert, dass wir in Deutschland nun mehr Kohle verfeuern müssen, um schneller sichere, saubere Kernkraftwerke abschalten zu müssen. ..."

 

Sind Kernkraftwerke sicher und sauber? Alles ist relativ.

 

Es hatte gute Gründe, warum die Liberalen - noch keine Frei(heitlich)en Demokraten - am 6. und am 30. Juni 2011 die entsprechenden Entscheidungen zum Ausstieg aus der Kernkraft getroffen haben.

 

In den vergangenen elf bis zwanzig Jahren hatte man den Ausstieg aus der Kernspaltung und der Kohle für möglich gehalten. Ganz plötzlich soll es nicht mehr möglich sein. Man wollte die Grundlast mit Gaskraftwerken sicherstellen, die so bald wie möglich mit (grünem) Wasserstoff betrieben werden sollen.

 

Da das Gas aus der Russischen Föderation nicht mehr verfügbar ist, will man Gas aus anderen Ländern beschaffen, bis dahin wird übergangsweise noch bzw. wieder Kohle genutzt. Deshalb wurden und werden unter anderem LNG-Terminals gebaut.

 

Die Situation, die dadurch entstanden ist, daß wir kein Gas mehr aus der Russischen Föderation beziehen, bekanntlich auch ein fossiler Energieträger, muß schnellstmöglich ausgeglichen werden: Bioenergie (Biomassepotenzial), Geothermie, Wasserkraft, Meeresenergie, Sonnenenergie und Windenergie.

 

Hinzu müssen Gaskraftwerke kommen, die grünen Wasserstoff verstromen, und es müssen die Möglichkeiten der Energiespeicherung und -einsparung optimiert werden.

 

Wir sollten uns auf die Energieträger konzentrieren, von denen keine Gefahren für Gesundheit und Leben ausgehen - und zwar weder für uns noch für nachfolgende Generationen. Das halte ich für liberal.

 

Das war und ist übrigens die Haltung zur Kernspaltung "meiner", einer noch weitestgehend liberalen FDP vom 7. Juni 1980:

 

"... Trotzdem ist der Einsatz von Kernenergie zur Deckung des Energiebedarfs nur dann gerechtfertigt, wenn wirklich nachweisbar jede andere Energiequelle nicht ausreicht, die äußersten Anstrengungen zur Energieeinsparung gemacht worden sind und hinreichende Sicherheit gewährleistet ist. ... Unabhängig von einem weiteren Ausbau müssen Betriebssicherung, Entsorgung, Strahlenschutz und Sicherung von Spaltmaterialien durch geeignete Maßnahmen gewährleistet werden. ..."

 

Lange Zeit haben viele Menschen die mit der Kernspaltung verbundenen Risiken ausgeblendet und auf das Prinzip Hoffnung gesetzt: "Es wird schon gut gehen." Ich habe auch dazu gehört. Das mag in der Zukunft mit der Kernfusion völlig anders aussehen, aber bis dahin halte ich eine weitere Nutzung der Kernenergie grundsätzlich nicht mehr für vertretbar und nicht mit den Grundsätzen des Liberalismus für vereinbar.

 

Die Forderung, trotzdem weiter rund um die Kernenergie zu forschen, halte ich deshalb - im Gegensatz zu einem Festhalten an der Kernspaltung - für eine sinnvolle, fortschrittliche und zukunftsorientierte Forderung.

 

Für Liberale sind Klima-, Umwelt- und Natur- sowie Tier- und Artenschutz kein Selbstzweck. Sie dienen letztlich den Menschen und dem Erhalt ihrer natürlichen Lebensgrundlagen. Das entspricht dem Kategorischen Imperativ.

" ... mein letztes inhaltliches Kapitel will ich mit der Diskussion um die Kindergrundsicherung beginnen. Manches, was ich da lese, macht mich tatsächlich auch betroffen. Man ist an einer Debatte beteiligt, die eigentlich nur auf der Basis von Schlagworten geführt wird. Und meldet man Bedenken an, wird man sehr schnell in den aufgeheizten Debatten in unserem Land als herzlos oder als gar Kinderhasser diskreditiert. Mich bekümmert das, aber es hilft ja nichts. Mit dem Bürgergeld und den erhöhten Regelsätzen, mit dem seit 1996 nicht mehr so stark erhöhten Kindergeld und auch mit dem Kinderzuschlag haben wir bereits Milliarden mobilisiert, um Familien mit Kindern, die von Armut bedroht sind, zu helfen. ..."

 

Mit einem Bürgergeld, das diese Bezeichnung verdient hätte, wäre das Problem längst gelöst.

 

Und auch hier gilt wieder: Die FDP muß an ihrer Kommunikation arbeiten. Da hilft auch das neue Leib- und Magenblatt der FDP á la Lindner und Kubicki - und Döpfner - die Bild-Zeitung - nicht weiter.

"... Und ich finde, lieber Martin [Hagen], dir gebührt Dank und Anerkennung ... Ich will mich bedanken bei Nicola Beer. ... Nicola, Du hast Dir, wie überhaupt nur ganz, ganz, ganz wenige andere Verdienste um unsere gemeinsame Freie Demokratische Partei erworben. ... Und deshalb bin ich glücklich und dankbar, dass eine unserer stärksten Persönlichkeiten, eine unserer besten Wahlkämpferinnen, die gezeigt hat in den letzten Monaten, dass sie jeden Tag aufs Neue ihre Scheu gegenüber den Medien zu überwinden vermag, dass wir mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann eine großartige Spitzenkandidatin für die nächste Europawahl haben. ... Und deshalb will ich mich auch sehr herzlich bedanken bei meinen Kolleginnen und Kollegen in unserem Präsidium. Lieber Bijan [Djir-Sarai], lieber Wolfgang [Kubicki], liebe Nicola [Beer], lieber Johannes [Vogel], ... lieber Michael Theurer, ... ganz herzlichen Dank für die ... Suche nach den besten Lösungen. ... Und ich möchte auch ... Moritz Körner für unsere Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament für die gute Zusammenarbeit danken. Aber besonders hervorheben möchte ich Christian Dürr, den Chef unserer Bundestagsfraktion. ..."

 

Viele Namen. Trotzdem bleibt der Eindruck der Ein-Mann-Show "Christian Lindner" mit der grauen Eminenz Wolfgang Kubicki im Rücken ... Freiheitliche Demokraten statt Liberale?

 

Marie-Agnes Strack-Zimmermann ist eine Liberale. Sie erinnert mich immer wieder an Hildegard Hamm-Brücher, die Grande Dame des Liberalismus. Gerade im Zusammenhang mit der undemokratischen und verfassungsrechtlich sehr bedenklichen Wahlrechtsreform (Ersatz der verbindlichen Erststimme durch eine unverbindliche Wahlkreisstimme und Verzicht auf die Grundmandatsklausel) mußte ich wieder an ihr Buch "Der Politiker und sein Gewissen" aus dem Jahr 1983 denken. Damals hat sich die noch weitgehend liberale FDP dafür ausgesprochen, den Einfluß der Wähler auf die Zusammensetzung der Parlamente zu stärken - und nicht zu schwächen und zu vermindern.

 

Das war die Position "meiner" liberalen FDP zum Wahlrecht:

 

"Auch im Wahlverfahren sollen Bürgerrechte gestärkt werden: z. B. durch die Einführung eines Wahlrechts, das auf allen Ebenen dem Wähler ein Auswahlrecht unter den Listenbewerbern (Veränderung der Reihenfolge) einräumt. Bei den Gemeindewahlen soll außerdem das Häufeln mehrerer Stimmen auf einen Kandidaten möglich sein."

 

Sicher ist Strack-Zimmermann eine wesentlich bessere Spitzenkandidatin für die Europawahl, als es Nicola Beer gewesen ist. Noch besser wäre es allerdings gewesen, wenn man sie zur Bundesvorsitzenden gewählt hätte - oder zumindest anstelle von Kubicki zu einer stellvertretenden Vorsitzenden.

 

Martin Hagen - auch lange für mich ein Hoffnungsträger, leider hat er sich auf die Seite derjenigen geschlagen, die meinten, mit der Pandemie Wahlwerbung machen zu müssen.

 

Nicola Beer, wohl eine gute Bekannte von Viktor Orbán, ähnlich wie Giorgia Meloni, gehört für mich eindeutig zu den Freiheitlichen Demokraten in der FDP wie Bijan Djir-Sarai, Wolfgang Kubicki und auch Michael Theurer. Sie haben nach meiner Überzeugung der FDP nicht genutzt, sondern geschadet, indem sie versucht haben und teilweise immer noch versuchen, aus der FDP eine "AfD light" zu machen, mit zwei- und teilweise auch eindeutigen Aussagen immer wieder am rechten Rand gefischt haben und fischen.

 

Die neu geworbenen Wähler und teilweise auch Mitglieder fliegen ihr allerdings zur Zeit als Partner in der Ampelkoalition auf Bundesebene ziemlich um die Ohren. Das Thema hatten wir aber bereits.

 

Ein Vizepräsident des Deutschen Bundestages hat das Staatsoberhaupt eines anderen Landes nicht als "kleine Kanalratte" zu bezeichnen, schon gar nicht eines befreundeten Staates, das Mitglied der NATO ist, und zwar völlig unabhängig davon, was man persönlich von dem Amtsinhaber hält.

 

Und Bijan Djir-Sarai, als Generalsekretär der FDP bestätigt, sympathisiert mit den politischen Ansichten von Matteo Salvini von der rechtspopulistischen und nationalistischen Partei Lega.

 

Als außenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion rechtfertigte er die Festnahme von Kapitänin Carola Rackete. Diese hatte am 12. Juni 2019 als Kapitänin der Sea-Watch 3 insgesamt 53 aus Libyen kommende Flüchtlinge bzw. Migranten im Mittelmeer aus Seenot gerettet und lief nach dem Warten auf eine Genehmigung in der Nacht zum 29. Juni trotz eines Verbots durch italienische Behörden den Hafen der Insel Lampedusa an.

 

Er argumentierte, daß Rechtsstaatlichkeit "außerordentlich gefährdet" sei, "wenn unter Berufung auf gesinnungsethische Motive Gesetze gebrochen werden".

 

Es ging aber nicht um gesinnungsethische Motive, sondern darum, das Leben von Menschen zu retten. Der Rechtsstaat wurde nicht von Rackete, sondern vom damaligen italienischen Innenminister Salvini gefährdet.

 

Bei Christian Dürr bin ich noch unsicher. Ist er nun ein Liberaler oder doch ein Freiheitlicher Demokrat? Noch möchte ich an den Liberalen in ihm glauben.

 

Bleibt noch Johannes Vogel. Es freut mich, daß er als ein möglicher Nachfolger von Christian Lindner gehandelt wird. Schade, daß Lindner sich nach zehn Jahren noch nicht zu einer Übergabe des Amts entschließen konnte.

"... Der Auftrag ist eben noch nicht erfüllt. Wir stehen gemeinsam erst am Anfang. ..."

 

Der Anfang vom Ende? Ich sehe mit Lindner eher im Jahr 2025 die Wiederholung des Jahres 2013 auf diese FDP zukommen. Vielleicht lernt man dann aus den Erfahrungen und zieht die richtigen Konsequenzen - und hoffentlich ist es dann nicht zu spät, für eine liberale FDP.

 

Es gibt keinen Platz mehr für eine gemäßigte AfD, für eine AfD á la Bernd Lucke, Frauke Petry und Konrad Adam. Die Wähler bevorzugen das Original, die Union oder eben die AfD - trotz ihrer Okkupation durch Rechtsradikale und -extremisten.

 

Nur als liberale, als ganzheitlich liberale Partei hat die FDP eine Existenzberechtigung in unserem Parteiensystem und eine politische Überlebenschance: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.

 

Es geht um einen Liberalismus, dessen Grundlagen im 17. Jahrhundert gelegt und der im Laufe der folgenden Jahrhunderte bis heute weiterentwickelt wurde. Seine Wurzeln reichen zurück bis ins 15. Jahrhundert. Er ist nicht statisch, sondern dynamisch. Daher sind Liberale weder konservativ noch streben sie nach Veränderungen nur um des Veränderns wegen. Sie sind progressiv, bewahren Bewährtes und wagen Neues - und lassen niemandem im Regen stehen.

 

Davon bin ich zutiefst überzeugt.

 

Wird Vogel die FDP wieder zu einer solchen liberalen Partei machen (können) - vielleicht auch mit Unterstützung von Jens Brandenburg, Franziska Brandmann, Sebastian Czaja, Marcel Hafke, Moritz Körner, Konstantin Kuhle, René Rock, Thore Schäck, Ria Schröder und Benjamin Strasser?

 

Die FDP war fast 30 Jahre - von 1983/84 bis 2011/12 - meine politische Heimat. Mir wird "meine" FDP daher nie gleichgültig sein, ich werde immer den Finger in die vermeintlichen Wunden legen und die Hoffnung auf eine liberale FDP niemals aufgeben. Ich setze auf die Zukunft!

Es geht um einen Liberalismus, dessen Grundlagen im 17. Jahrhundert gelegt und der im Laufe der folgenden Jahrhunderte bis heute weiterentwickelt wurde. Seine Wurzeln reichen zurück bis ins 15. Jahrhundert. Er ist nicht statisch, sondern dynamisch. Daher sind Liberale weder konservativ noch streben sie nach Veränderungen nur um des Veränderns wegen. Sie sind progressiv, bewahren Bewährtes und wagen Neues - und lassen niemandem im Regen stehen: