Stellungnahme zur Rede von Christian Lindner, FDP-Bundesvorsitzender, anläßlich des Dreikönigstreffens am 6. Januar 2023

"Die Zukunft glaubt an uns. Und wir glauben an die Zukunft."

 

Ist das so? Glauben die Freien Demokraten á la Lindner, Kubicki und Djir-Sarai wirklich an die Zukunft oder leben sie eher in der Vergangenheit?

 

Die ständige Forderung nach einer Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken, auch bereits stillgelegter Kraftwerke, nach einem Ausstieg aus dem Ausstieg spricht nicht für ihren Glauben an Zukunftstechnologien.

 

Die Kernspaltung ist sicher keine nachhaltige Technologie der Zukunft, auch wenn andere Staaten unverändert aus Bequemlichkeit auf sie und damit auf das Prinzip Hoffnung setzen und sie klimafreundlicher zu sein scheint als manch andere Formen der Energiegewinnung.

 

Ist nun die japanische Liberaldemokratische Partei, die alles ist, nur nicht liberal, zum Vorbild für die "neue" FDP geworden?

 

Der Begriff "Freie Demokraten" ist kein Synonym mehr für Liberale. Dies hat auch die Rede von Christian Lindner in diesem Jahr deutlich gemacht. Es gibt sicher noch ein paar liberale Aspekte, aber die Schwerpunkte haben sich verschoben: "Frei(heitlich)e Demokraten".

 

So finden die Aussagen Lindners zur Unterstützung der Ukraine, zur nationalen Sicherheitsstrategie und auch zur China- bzw. zur geforderten Außenwirtschafts-Strategie durchaus meine Zustimmung. Viele andere Teile seiner Rede sehe ich sehr skeptisch und halte ich nicht für liberal.

"... Vor 13 Jahren auf den Tag genau habe ich hier zum ersten Mal das Wort an Sie richten dürfen. Da wurde mir diese Ehre vor 13 Jahren zum ersten Mal zu teil und man erinnert sich daran. Ich jedenfalls erinnere mich sehr gut an den 6. Januar 2010. Ich weiß auch noch ungefähr, über was ich gesprochen habe. ..."

 

An diese Rede kann ich mich auch noch erinnern. Ich habe sehr große Hoffnungen in Christian Lindner gesetzt, damals FDP-Generalsekretär an der Seite von Guido Westerwelle, der uns leider viel zu früh verlassen mußte.

 

Zugegeben die FDP war noch nie eine ganzheitlich liberale Partei, von Beginn an wirkten in ihr nach rechts tendierende Kräfte (z. B. Ernst Achenbach, August-Martin Euler, Friedrich Middelhauve, Werner Naumann und Siegfried Zoglmann), daher auch Freie Demokratische und nicht Liberaldemokratische Partei, aber seit Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre war sie dann doch eine weitgehend liberale Partei, deshalb auch der Zusatz "Die Liberalen".

 

Das hat sich verändert. In der Mitte der 2010er Jahre hat man als Strategie, um wieder in den Bundestag zu kommen und in ihm zu bleiben, damit begonnen, Wähler und Mitglieder der AfD zurück- bzw. hinzuzugewinnen, deswegen auch das neue Logo und der Verzicht auf den Zusatz "Die Liberalen".

 

Dieser Versuch hat sich verselbständigt. Nun ist die FDP eine Partei mit einem in weiten Teilen nach wie vor liberalen Programm, aber mit nur noch sehr wenig liberaler Politik und kaum noch aktiven Liberalen.

 

Die "Freiheitlichen Demokraten" in der FDP, eine bunte Mischung aus Deutschnationalen, Libertären und Kapitalisten, geben den Ton an - und Christian Lindner hat sich an ihre Spitze setzen lassen - von Wolfgang Kubicki?

"... Es muss schwerer werden, in den Asylsozialstaat zuzuwandern und es muss leichter werden, in den Arbeitsmarkt einzuwandern. ..."

 

"Asylsozialstaat"? Diese Verunglimpfung des Grundrechts auf Asyl und unseres Sozialstaats paßt ins Bild: "Freiheitliche Demokraten", keine Liberalen.

 

Die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes - darunter auch Liberale wie Max Becker, Thomas Dehler, Theodor Heuss, Hermann Höpker-Aschoff und Hans Reif - haben uns aus guten Gründen dazu verpflichtet, Menschen im Rahmen unserer Möglichkeiten zu helfen und zu unterstützen, die vor Krieg und Gewalt und/oder vor politischer Verfolgung ihre Heimat, ihren Kulturkreis, ihre Freunde und ihre Familie vorübergehend oder auch dauerhaft verlassen müssen, um ihr Leben zu retten.

 

Als ein Mitglied der G7-Staaten stehen wir noch zusätzlich in der Pflicht.

 

Liberale stehen für das Recht auf Asyl und auch für die Unterstützung Subsidiär Schutzberechtigter und gleichzeitig für ein Einwanderungsrecht, wie wir es aus Australien und Kanada kennen.

 

Dabei ist es für Liberale auch selbstverständlich, daß eine Abschiebung, eine Rückführung in das Heimat- oder Herkunftsland erfolgt, sobald es keinen Grund mehr für einen Aufenthalt in Deutschland als Einwanderer, als Asylant oder als Subsidiär Schutzberechtigter gibt.

"... Bijan Djir-Sarai hatte eben seine Premiere hier als Generalsekretär, hier zu uns zu sprechen, mit Publikum. Und dazu will ich dir ganz herzlich gratulieren. Hier zu sprechen ist etwas Außerordentliches, eine besondere Ehre, ..."

 

Die Tradition des Dreikönigstreffens der Liberalen reicht zurück bis zum 6. Januar 1866. Hat Bijan Djir-Sarai diese Ehre verdient? Womit? (War er nicht auch mal Doktor?)

 

Mit seinen Sympathien für die politischen Ansichten von Matteo Salvini von der rechtspopulistischen und nationalistischen Partei Lega?

 

Als außenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion rechtfertigte er die Festnahme von Kapitänin Carola Rackete.

 

Diese hatte am 12. Juni 2019 als Kapitänin der Sea-Watch 3 insgesamt 53 aus Libyen kommende Flüchtlinge bzw. Migranten im Mittelmeer aus Seenot gerettet und lief nach dem Warten auf eine Genehmigung in der Nacht zum 29. Juni trotz eines Verbots durch italienische Behörden den Hafen der Insel Lampedusa an.

 

Er argumentierte, daß Rechtsstaatlichkeit "außerordentlich gefährdet" sei, "wenn unter Berufung auf gesinnungsethische Motive Gesetze gebrochen werden".

 

Es ging aber nicht um gesinnungsethische Motive, sondern darum, das Leben von Menschen zu retten. Der Rechtsstaat wurde nicht von Rackete, sondern vom damaligen italienischen Innenminister Salvini gefährdet.

 

Für mich ist sein Verhältnis zum Thema Menschenrechte nach wie vor ungeklärt. Ich weiß bis heute nicht, wie er den 53 aus Libyen kommenden Flüchtlingen bzw. Migranten am 29. Juni 2019 - rechtsstaatlich einwandfrei - geholfen hätte? Hätte er die 53 aus Libyen kommenden Flüchtlinge bzw. Migranten lieber im Mittelmeer ertrinken lassen?

 

Wahrscheinlich würde Djir-Sarai auch die im Jahr 1865 gegründete Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger auflösen und die im Jahr 1910 international begründete Pflicht eines jeden Schiffsführers zur Seenotrettung abschaffen.

 

Übrigens habe ich bis heute trotz mehrfacher Anfragen von ihm nie eine Stellungnahme zu seinen Aussagen im Juni 2019 erhalten.

 

Ihn - vor allem im Zusammenhang mit den Demonstrationen im Iran - quasi als Flüchtling stilisieren zu wollen, ist völlig daneben. Er ist als Kind im Jahr 1987 mit elf Jahren nach Deutschland gekommen - dank seiner Eltern und seines Onkels. Das kann man wohl kaum mit dem vergleichen, das Menschen, die es in den vergangenen Jahren und zur Zeit aus Afghanistan, dem Iran oder Syrien zu uns geschafft haben und schaffen, erleben mußten.

 

Auch wenn er wohl kaum für "Frau, Leben, Freiheit" steht, sollte er zum Beauftragten der Bundesregierung für die Revolution im Iran oder doch noch zum von den "Freiheitlichen Demokraten" geforderten Beauftragten der Bundesregierung für die Rückführung von Migranten berufen werden und nicht länger versuchen, den FDP-Generalsekretär darzustellen.

"... Auch euch [an die Störenden gerichtet]: Herzlich willkommen. ... Statt Festkleben und Veranstaltungen stören, wie wär’s ihr gründet eine Partei und sucht euch demokratische Mehrheiten für eure Position. So halten wir es nämlich in der Demokratie. ..."

 

Das hat mir gefallen, auch wenn die Passage insgesamt etwas zu lang war - für die sogenannten Klimaaktivisten.

"... so wie auch das Wichtigste in unserem gesellschaftlichen Leben die Freiheit ist, sich zu bewegen und in Freiheit begegnen zu können. Das haben wir gelernt. ..."

 

Liberale haben das schon immer gewußt. Sie mußten das nicht lernen.

 

"... Und nun können wir wieder gemeinsam zusammenkommen, wir können uns wieder in Freiheit begegnen. Einen großen Anteil daran hat unser Freund Marco Buschmann als Bundesjustizminister. Marco Buschmann hat unser Land aus der Corona-Lockdown-Spirale herausgeführt, in die Frau Merkel, Herr Söder und Herr Spahn unser Land hinein geführt hatten. ..."

 

Liberale sehen aber nicht nur die Freiheit. Sie haben auch immer die damit verbundene Verantwortung im Blick. Es geht und ging nämlich um das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit und auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit für alle Menschen und nicht nur für die Menschen, denen ihre Mitmenschen gleichgültig sind.

 

Nun ist man hinterher bekanntlich immer klüger.

 

Corona-Lockdown-Spirale? Angela Merkel, Markus Söder und Jens Spahn? Was ist mit Joachim Stamp, mit Heiner Garg, mit Volker Wissing und Daniela Schmitt und mit Lydia Hüskens? Die FDP hat indirekt immer an den Bund-Länder-, den Ministerpräsidentenkonferenzen teilgenommen. Sie hat deren Empfehlungen in den Ländern, in denen sie an der Regierung beteiligt war, mit umgesetzt. Das wird verdrängt, verschwiegen.

 

Es geht nach wie vor darum, Wähler und Mitglieder der Freien Wähler, der AfD und der LKR zu gewinnen und zu halten, am rechten Rand mit "Reichsbürgern" und "Querdenkern" zu fischen.

 

Das machen keine Liberalen. Das machen "bürgerlich-liberale" Freiheitliche Demokraten!

 

Die FDP wollte sich mal ein Vorbild an der österreichischen Partei "NEOS - Das Neue Österreich und Liberales Forum " nehmen, die Farbe magenta erinnert noch daran, ist dann aber doch vor allem verbal eher in Richtung Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) vom Weg abgekommen.

 

"Bürgerlich-liberal" soll wahrscheinlich die etwas gemäßigtere Form von "konservativ-liberal" oder "liberal-konservativ" sein. Leider konnte man mir bis heute nicht für mich nachvollziehbar erklären, wie man politisch gleichzeitig konservativ und liberal sein kann. Für die FDP kann ich nur hoffen, daß sich diese "bürgerlich-liberalen" Wähler und Mitglieder letztendlich für die neue Partei "Bündnis Deutschland" entscheiden werden und die FDP endlich den Liberalen überlassen.

"... Ich habe dieser Tage in den Medien, wie Sie vielleicht auch, gelesen, dass das Wort Freiheit angeblich die Floskel des vergangenen Jahres gewesen sei. Gerade die Erfahrungen der Corona-Pandemie und das Ringen um die richtigen, angemessenen, verhältnismäßigen Maßnahmen sollte doch eigentlich eine andere Lehre für dieses Land bringen. Freiheit ist zumindest für uns keine Floskel. Freiheit ist der grundlegende Wert unseres Zusammenlebens und im Übrigen auch ein Gebot unserer Verfassung. Keine Floskel! ... eins bleibt in Deutschland leider seit Jahrzehnten gleich: eine Werteauseinandersetzung zwischen dem Wert der Freiheit und dem Wert der Gleichheit, zwischen der Bedeutung des Individuums und dem Zug hin zum Kollektivismus, dem Vorrang vor Privatverantwortung, oder einer gewissen Staatsfixiertheit. ..."

 

Daran, daß der Begriff Freiheit zu einer Floskel verkommen ist, haben die "Freiheitlichen Demokraten" in der FDP leider einen hohen Anteil, nachdem sie bereits den Begriff liberal verbrannt haben.

 

Der liberale Grundwert Freiheit ist keine Floskel. Das ist richtig. Es heißt im Zweifel für die Freiheit, aber nicht ausschließlich für die Freiheit. Freiheitsfanatiker, "Querdenker" sind keine Liberalen. Es geht Liberalen nicht um Freiheit um jeden Preis, nicht um Freiheit zu Lasten Dritter.

 

Die Idee der Freiheit im liberalen Sinne hat nichts mit Anarchie oder Anomie zu tun und bedeutet auch nicht Laissez-faire. Die Freiheit jedes Menschen findet in der Freiheit jedes anderen Menschen ihre natürliche Grenze. Man sollte Liberalismus nicht mit Libertarismus verwechseln.

 

Liberalen geht es auch immer um Gleichheit und Brüderlichkeit, um Verantwortung für sich und seine Mitmenschen. Es geht um die Freiheit aller Menschen, um die Freiheit des einzelnen, des Individuums, auch als Teil einer Gemeinschaft, der Gesellschaft, des Staates, ohne in einem Kollektiv auf- und unterzugehen. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.

 

Es ist ein Geben und Nehmen, ein Gleichgewicht von Rechten und Pflichten. Aus Rechten erwachsen auch immer Pflichten. Deshalb kennen Liberale durchaus auch Pflichten und Verbote, auch wenn sie für sie nicht immer das Mittel der Wahl sind. Einigkeit und Recht und Freiheit.

 

Es geht um liberale Lösungen in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft, freiheitlich im liberalen, nicht im völkischen, nicht im libertären Sinne und gleichzeitg sozial. Nicht rechts, nicht links, nicht libertär, nicht kapitalistisch, nicht nationalistisch, auch nicht Mitte, sondern liberal.

"... Wir haben ja als Freie Demokraten großen Respekt vor den Menschen, die es im Leben schon zu etwas gebracht haben. Die durch ihre Leistung sich etwas aufgebaut haben. Aber unser Herz und unsere Leidenschaft, die gehören ja denjenigen, die überhaupt noch erst etwas erreichen wollen, die sich auf den Weg gemacht haben. Unser Herz und unsere Leidenschaft gehört ja den Einstiegs- und Aufstiegswilligen in unserem Land, denn diejenigen, die es schon geschafft haben, die brauchen im Zweifel nicht die FDP als Lobby. Die anderen, die brauchen uns. ..."

 

Lobby? Mövenpick-Partei? Bleibt die FDP die Partei der Aufsteiger, Besserverdiener, Draufgänger, Glücksritter, Karrieristen und Überflieger?

 

Was ist mit den Menschen, die nicht oder nicht mehr zu den Leistungsträgern gehören?

 

Liberale sind auch für diese Menschen da - und wählbar.

 

Die FDP hatte die Chance, die Liberale Partei Deutschlands zu werden, eine liberale Volkspartei, die überzeugend deutlich machen kann, daß der Liberalismus per se sozial ist und sich an alle Menschen richtet, denen größtmögliche Freiheit wichtig ist - und zwar unabhängig von Herkunft, Einkommen und Vermögen und in liberalem Sinne, im Kontext mit Gleichheit und Brüderlichkeit sowie Verantwortung für sich und alle anderen Menschen.

 

Sie hat sie vertan, Liberale in die Fänge der Partei "Bündnis 90/Die Grünen" und der SPD, auch in die der Union getrieben oder zu Nichtwählern werden lassen, um lieber am rechten Rand zu fischen und sich "Querdenkern" anzubiedern.

 

Die Partei "Bündnis 90/Die Grünen" könnte eine liberale Partei sein, wenn sie auf Paternalismus, Etatismus und Kollektivismus sowie auf Bevormundung, Gängelung und Verbote als Mittel der Wahl verzichten würde. Dies dürfte allerdings das Selbstverständnis vieler Grüner ziemlich erschüttern.

 

Die SPD wird als Partei des (demokratischen) Sozialismus und damit des Kollektivismus nie eine liberale Partei werden, und auch die Union kann und wird niemals die politische Heimat von Liberalen sein, auch wenn sie es seit ihrer Gründung immer wieder versucht und Liberale wie zum Beispiel Prof. Dr. Ludwig Erhard, Dr. Dr. Gustav Heinemann und Dr. Richard (Karl Freiherr von) Weizsäcker Mitglieder waren.

"... Nun ändert sich etwas. Es kommt das Bürgergeld. Es stellt die Qualifikation ins Zentrum. ... Hartz IV wird nicht ersetzt durch eine Art bedingungsloses Grundeinkommen, sondern mit mehr Anerkennung für das Leistungsprinzip. Und das ist unser Anteil. ... Die Menschen, die bedürftig sind, die erhalten Unterstützung durch das Wohngeld plus das Bürgergeld oder zahlreiche Einmalzahlungen zum Beispiel für Studierende. ... Wie viele gute Projekte können nicht umgesetzt werden, weil Fachkräfte, auch teilweise Hilfskräfte, fehlen. Deshalb muss unser Arbeitsmarkt flexibler werden. ... Und wir müssen darauf achten, dass es weiter starke Anreize gibt, eine Arbeit aufzunehmen. Bei all dem, was ansteht, auch an neuen sozialen Leistungen, zum Beispiel bei der auch von uns befürworteten Kindergrundsicherung, müssen wir darauf achten, dass es weiter einen Anreiz gibt, zu arbeiten. Die Kassiererin im Supermarkt darf niemals den Eindruck gewinnen, dass sie arbeitet, und andere dasselbe oder gar mehr erhalten, wenn sie nicht arbeiten. ..."

 

Und wieder wird ein Begriff verbrannt. Auch wenn es Bürgergeld genannt wird und sicher auch einige Verbesserungen gegenüber dem Ist-Zustand bringt, ist es kein (liberales) Bürgergeld. Es ist lediglich eine Schönheitskorrektur, eine Umbenennung.

 

Hartz IV heißt daher also nun offiziell nicht mehr Arbeitslosengeld II, sondern Bürgergeld. Trotzdem bleibt es Hartz IV, eine Sozialhilfe.

 

Ich hatte nach dem Abschluß des Koalitionsvertrags wirklich gedacht und gehofft, daß man das Bürgergeld verwirklichen will, daß die seinerzeit noch weitgehend liberale FDP seit dem Jahr 1994 fordert. Das haben die "Freiheitlichen Demokraten" erfolgreich - mit Hilfe der Union - verhindert.

 

Zum einen ersetzt ein liberales Bürgergeld alle Sozial- und Transferleistungen und weitestgehend die gesamte Sozialbürokratie und zum anderen geht es bei ihm nicht primär um die Finanzierung der Arbeitslosigkeit oder der Arbeitssuche, sondern um Menschenwürde und die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Armut verhindern, nicht Reichtum.

 

Das ist mit der neuen Kombination aus Bürger- und Wohngeld nicht der Fall - ganz im Gegenteil. Die Sozialbürokratie wird nicht ab-, sondern eher noch weiter aufgebaut.

 

Subjektförderung z. B. durch ein (liberales) Bürgergeld wäre besser als die Objektförderung durch diverse Preisbremsen, die Eingriffe in den Markt darstellen und wahrscheinlich steigende Preise eher begünstigen als verhindern werden.

 

Leider entfernen wir uns immer weiter von einer liberalen und damit sozialen und ökologischen Marktwirtschaft ("Konkurrenzkapitalismus") im Sinne des Ordoliberalismus, im Sinne der Freiburger Schule der Nationalökonomie.

 

Dirigismus und Interventionismus nehmen immer mehr zu. Einem Eingriff in den Markt folgt der nächste. Hier wäre eine liberale FDP gefragt. Die "Freiheitlichen Demokraten" sind hierbei leider keine Hilfe.

 

Liberale, denen die Würde des Menschen und die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit wichtig ist und die die Idee der liberalen Marktwirtschaft ernst nehmen, werden immer für die liberale Forderung nach einer negativen Einkommensteuer, eines liberalen Bürgergelds, eines (bedingungslosen) Grundeinkommens (Juliet Rhys-Williams, Milton Friedman, Joachim Mitschke) eintreten.

 

Wohnungslosigkeit und die Notwendigkeit sogenannter Tafeln sind für Liberale unerträglich.

 

Der Grundsatz des Förderns und Forderns widerspricht in keinster Weise dieser liberalen Forderung.

 

Warum sollte jemand, der arbeitet, nur geringfügig mehr und in manchen Fällen sogar weniger Geld zur Verfügung haben, als jemand, der nicht arbeitet?

 

Der Weg in den Arbeitsmarkt lohnt sich für alle. Einer Erwerbsarbeit nachzugehen, liegt im Interesse jedes einzelnen; dazu muß niemand genötigt werden.

 

Dafür sorgen die menschliche Natur einerseits und die Tarifvertragsparteien und für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge andererseits. Das nennt man liberale Marktwirtschaft.

 

Übrigens gibt es auch Arbeit, die zwar nicht als Erwerbsarbeit gilt und anerkannt wird, aber durchaus auch nicht unwichtig für die Gesellschaft ist.

 

Das liberale Menschenbild spricht dafür, daß Menschen grundsätzlich arbeiten, Leistungen erbringen und damit auch Anerkennung bekommen wollen. Menschen mögen bequem sein; sie sind aber von Natur aus nicht faul.

 

Nicht erwerbstätig zu sein, bedeutet nicht, daß man nicht arbeitet. Sind Haus-, Erziehungs-, Pflege- und ähnliche Arbeit keine Arbeit, sondern reines Vergnügen?

 

So würde auch ehrenamtliche und gesellschaftliche Arbeit, die unbezahlbar ist - wie z. B. die Erziehung von Kindern, die Pflege von Angehörigen oder auch das Engagement bei der freiwilligen Feuerwehr, bei Sportvereinen oder anderweitig im sozialen Bereich und für das Gemeinwesen -, mehr Anerkennung erfahren.

 

Hinzu muß eine privatwirtschaftlich organisierte Arbeitsvermittlung mit Erfolgshonoraren (Agenturen!) kommen, die Antragsteller nicht nur als Kunden bezeichnet, sondern auch als Kunden sieht und behandelt.

"... Hier vorne sind ja diejenigen, die an die Zukunft glauben. Viele jüngere Menschen haben ja die Freien Demokraten gewählt. Sie haben uns bei der letzten Bundestagswahl nicht unterstützt, weil wir für den Status quo stehen würden. Diese junge Generation hat uns nicht unterstützt, weil wir für illusionäre politische Konzepte eintreten würden. Das ist eine junge Generation, die an die Zukunft glaubt und sie gestalten will. Die sind gewissermaßen das Gegenteil der pessimistischen „Letzten Generation“. ... Die wollten keine Politik der Bevormundung und des Verbots, sondern eine Politik von Freiheit und Fortschritt und das ist der Grund, warum wir jeden Tag für euch, warum wir jeden Tag für dieses Land gestalten. Das ist in einer Koalition fraglos nicht einfach. Kompromisse sind nötig. ... Allerdings fand ich eines doch bemerkenswert, als ich heute in die Presseschau hineingeschaut habe. Da gab es einen Leitartikel ... da sagte der Autor ... viel besser wäre es doch, die FDP würde zukünftig nur Vorschläge machen, die zu den Grünen passen. ... Die FDP sollte keine Vorschläge unterbreiten, die zu den Grünen passen, die FDP sollte weiter Vorschläge unterbreiten, die zur Realität passen. Und daran werden wir weiter festhalten, in fröhlicher Penetranz. ... Wir sind als Freie Demokraten immer eine Gestaltungspartei gewesen. ... Unsere Aufgabe ist es nun, diese Gestaltungsrolle in diesem Jahr 2023 einzunehmen und nach dem Krisenjahr 2022 dieses Jahr zum Gestaltungsjahr zu machen. ..."

 

Warum haben viele jüngere Menschen der FDP am 26. September 2021 ihre Stimme gegeben?

 

Zunächst einmal ist es sehr gut, daß es Junge Liberale geblieben und keine Jungen Freien Demokraten geworden sind. Hoffentlich ändert sich das nicht.

 

Mich hatte die Tatsache, daß so viele Erstwähler die FDP gewählt haben, zunächst sehr erstaunt. Ich habe aber den Eindruck, daß sie die Stimmen aufgrund ihres nach wie vor weitgehend liberalen Programms und wegen der Jungen Liberalen bekommen hat und nicht wegen der eindeutig zweideutigen Aussagen ihrer Repräsentanten insbesondere seit dem Herbst 2015, mit denen die "Freiheitlichen Demokraten" aus der FDP eine "AfD light" machen wollten und wollen.

 

Eine gemäßigte AfD oder eine zweite LKR braucht niemand. Dafür gibt es nun auch noch das Bündnis Deutschland. Eine liberale Partei wird gebraucht.

 

In der Ampelkoalition zeigt sich, daß die FDP sich entscheiden muß, um nicht alle Wähler zu verprellen. Man kann nicht gleichzeitig Liberale und Anhänger einer "AfD light" umwerben, Regierung und Opposition sein, auf allen Hochzeiten tanzen wollen.

 

Deshalb sollte die FDP in einer Koalition auch keine Vorschläge machen, die zu einer anderen an dieser Koalition beteiligten Partei passen, sondern die zur FDP passen, die zu der Partei passen, denen gerade junge Menschen, die an die Zukunft glauben, ihre Stimmen gegeben haben.

 

In den vergangenen sieben Jahren hat die FDP vor allem die "falschen" Wähler und Mitglieder umworben. Eine liberale FDP braucht keine (ehemaligen) Wähler und Mitglieder der AfD und der LKR sowie "Querdenker", keine Anhänger des Libertarismus, des Kapitalismus, des Konservativismus und des Nationalismus. Sie braucht Liberale.

 

Die anderen Wählergruppen wählen nämlich im Zweifelsfall das Original und nicht eine "schlechte Kopie". Das hat man im Saarland, in Schleswig-Holstein, in Nordrhein-Westfalen und in Niedersachsen gesehen.

 

Gestaltungspartei? Gestalten um des Gestaltens willen? Aktionismus? Populismus?

 

Die Freie und nicht Freiheitliche Demokratische Partei, wie sie von Stefan Birkner in seiner Rede nach der Wahl genannt worden ist, wohl ein Freudscher Versprecher, hat nur eine Existenzberechtigung in unserem Parteiengefüge als liberale Partei, als Partei eines ganzheitlichen Liberalismus und als eine Partei, die konstruktiv an Lösungen für die Menschen arbeitet und nicht versucht, sich ständig durch Nörgelei und Störfeuer zu Lasten ihrer Koalitionspartner zu profilieren, freiheitlich und gleichzeitig sozial, freiheitlich klar und eindeutig im liberalen und nicht im völkischen oder libertären Sinne.

 

Noch ist es nicht zu spät.

"... Es kommt zur richtigen Zeit, wahrlich nicht zu früh, dass wir auch das Freihandelsabkommen CETA mit Kanada endlich ratifiziert haben. Das ist nicht das Ende, sondern das sollte der Beginn einer Initiative für mehr freien Handel sein. ..."

 

Mehr Freihandel ist gut, wenn er nicht zu Lasten von Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz sowie Rechtssicherheit geht und auch den Gesetzgeber nicht in seinen Entscheidungen unangemessen einschränkt (Investitionsschutz).

 

Leider habe ich den Eindruck, daß das Freihandelsabkommen CETA mit Kanada nicht entsprechend überarbeitet worden ist. Man wird sehen, wie es sich auswirken wird.

"...  Wie viele Menschen hatten Sorgen, das eigene Leben nicht mehr bezahlen zu können aufgrund der Inflation und der ruinös steigenden Energiepreise, wie viele Existenzen waren bedroht, welche Strukturbrüche haben wir in unserem Land befürchten müssen. Diese Entwicklungen und diese Sorgen muss man außerordentlich ernst nehmen ... Deshalb haben wir gehandelt. Die Menschen, die bedürftig sind, die erhalten Unterstützung ... Wer aber denkt in diesen Zeiten auch an die anderen, die auch unter der Inflation leiden, aber vielleicht nicht bedürftig sind, sondern im Gegenteil, die ihre Miete und ihre Gasrechnung selbst bezahlen und diesen Staat darüber hinaus auch noch mit Steuern und Sozialabgaben tragen? Wer denkt an die? Wer hat an die gedacht im vergangenen Jahr? Das waren wir. Wir haben an die Bedeutung der arbeitenden Mitte in unserem Land erinnert. ... wer den Zusammenhalt in dieser Gesellschaft erhalten will, der muss auf der einen Seite solidarisch sein gegenüber den Menschen, die Hilfe brauchen. Aber er muss den Menschen, die hart arbeiten und viel abgeben ebenfalls Fairness zuteilwerden lassen. Das haben wir getan. ..."

 

Ist das so? Warum wurde die Gasumlage nicht viel früher gekippt, warum wurde sie überhaupt beschlossen? Warum brauchte Christian Lindner anscheinend einen Arbeitsstab Gaspreisbremse, um zu erkennen, daß diese Umlage ein Irrweg ist?

 

Es zeugt übrigens auch nicht von Professionalität, den Schwarzen Peter an ein anderes Mitglied der Bundesregierung zu schieben. Es war eine Entscheidung der Ampelkoalition.

 

Wer läßt den Mittelstand im Regen stehen? Wem war die sogenannte Schuldenbremse wichtiger als ein Schutzschirm für die kleinen und mittleren Betriebe? Wem war die Schuldenbremse wichtiger als der Wirtschaftsstandort Deutschland? Ist es wirklich besser, später Schulden zu machen, um Arbeitslosigkeit und die Bekämpfung sozialer Unruhen zu finanzieren, als jetzt Schulden zu machen, um Arbeitsplätze zu erhalten und die Menschen vor Überschuldung zu bewahren? Es stimmt, daß staatliche Konsumausgaben in der Regel Inflationstreiber sind und zwingend auf ein Mindestmaß reduziert werden müssen. In der Regel ... Es gibt aber keine Regel ohne Ausnahmen.

 

Das Vermeiden und der Abbau von Schulden sind kein Selbstzweck. Es geht genau darum, dafür zu sorgen, daß es auch künftig noch eine Privatwirtschaft und Steuerzahler gibt, die Investitionen tätigen und Steuermittel bereitstellen können!

 

Und mit dem "schönen" Begriff des Sondervermögens betrügt Lindner als Bundesminister der Finanzen sich selbst, seine Parteifreunde und die Wähler.

 

Schulden sind und bleiben Schulden. Sie sind kein Vermögen, auch kein Sondervermögen. Man sollte sie auch so nennen.

 

Außerdem wäre meines Erachtens Subjektförderung z. B. durch ein Bürgergeld, das nicht nur so genannt wird, sondern auch ein liberales Bürgergeld ist, besser als die Objektförderung durch diverse Preisbremsen.

 

Ein liberales Bürgergeld ist zielgerichtet, weil es bei allen Bürgern für die notwendige finanzielle Basis sorgt, die für ein Leben in Deutschland erforderlich ist, ohne auf zusätzliche Hilfe, auf Almosen und milde Gaben angewiesen zu sein. Für Einkommensbezieher bzw. Steuerzahler haben wir es ansatzweise bereits in Form des Grundfreibetrags.

"... unverändert halte ich diese liberale Grundüberzeugung für richtig, mit den Lebenschancen des Einzelnen zu beginnen. ... wenn wir in Bildung investieren, ist das die beste Vorsorge dagegen, dass Menschen ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit verlieren. In Bildung zu investieren bedeutet, dass auch die Notwendigkeit sozialen Ausgleichs und Umverteilung sich reduziert, da Menschen eben selbst in die Lage versetzt werden, sich etwas aufzubauen. ... Ich denke gerade an die immer wieder von links ins Gespräch gebrachte Idee eines staatlichen Grunderbes. ... da plädierte jemand für ein Grunderbe, 20.000 Euro vom Staat für jeden, der volljährig wird. 20.000 Euro für jede und jeden 18-Jährigen vom Staat als Beitrag dazu, dass unsere Gesellschaft gerechter wird. Jetzt sind 20.000 Euro fraglos sehr viel Geld, zumal für jemanden am Beginn auch seines weiteren, insbesondere beruflichen Lebens. Aber auf der anderen Seite: Der Lottomillionär Chico hat gezeigt, dass man auch wesentlich größere Summen durchbringen kann, wenn man keine Bildung hat. Und deshalb ist mein Vorschlag: Kein 20.000 Euro Grunderbe am 18. Geburtstag, sondern lieber staatliche Investitionen in die Bildung bis zum 18. Geburtstag! ... brauchen wir in jedem der nächsten Jahre, in jedem Jahr eine zusätzliche Bildungsmilliarde, die wir in die Zukunftschancen der jungen Generation investieren. Eine Bildungsmilliarde! ... An allem kann gespart werden, überall kann konsolidiert werden. Aber dieses Land sollte niemals sparen an den Bildungschancen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. ..."

 

Von links? Sozialisten und Kommunisten sind in der Regel keine Befürworter eines liberalen Bürgergelds, einer negativen Einkommensteuer, eines (bedingungslosen) Grundeinkommens oder eines Grunderbes, eines Startkapitals.

 

Sie sind eher Anhänger eines Rechts auf Arbeit und eines Mindestlohns oder des Prinzips Marx "Jedem nach seinen Bedürfnissen, jeder nach seinen Fähigkeiten." Dies bedeutet eine Zuteilung von Sach- und Dienstleistungen durch das Kollektiv und eine Pflicht zur Arbeit für das Kollektiv. Da paßt ein Bürgergeld nicht. Das ist eine liberale Idee.

 

Ein Grunderbe, ein Startkapital als Basis zum 18. Geburtstag halte ich allerdings auch nicht für sinnvoll, sehe ich skeptisch.

 

Der Hinweis auf den 43jährigen Dortmunder Kürsat "Chico" Yildirim, der fast zehn Millionen Euro im Lotto gewonnen hat, ist zwar sehr peinlich und einem Bundesvorsitzenden der FDP nicht würdig. Man muß sich mal wieder für ihn schämen.

 

Trotzdem ist die Gefahr nicht zu unterschätzen, daß ein solches Grunderbe zum 18. Geburtstag möglicherweise nicht ganz so zielführend und zukunftsorientiert investiert wird.

 

Deshalb bin und bleibe ich ein Anhänger und Verfechter der liberalen Idee eines (bedingungslosen) Grundeinkommens (Bürgergeld/negative Einkommensteuer).

 

Es geht nicht um die Umverteilung von Einkommen und Vermögen und auch nicht um Almosen, es geht um Menschenwürde und das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Man kann es nicht oft genug wiederholen.

 

Es ist sehr schade und äußerst bedauerlich, daß es dieser FDP nicht gelungen ist, zwischen dem 30. Juni 2017 und dem zum 29. Juni 2022 in Nordrhein-Westfalen zu zeigen und zu beweisen, wie ernst es ihr mit dem Thema Bildung wirklich ist.

 

Wieder wurde eine Chance vertan, noch nicht einmal die Weichen wurden in Richtung "bessere Lebenschancen" und "weltbeste Bildung" gestellt, die man sich so groß auf die Fahnen geschrieben hatte.

 

Das macht auch ein zufälliges Wortspiel nicht besser: "... Gerade als Wissensnation muss unser Anspruch sein, dass die nächste Generation immer mehr kann, dass die nächste Generation immer mehr weiß, als die letzte Generation. Da ist mir übrigens gerade ein zufälliges Wortspiel gelungen. ..."

 

Humor ist, wenn man trotzdem lacht, auch wenn es eher zum Heulen ist ... Arme FDP!

 

Sehr bezeichnend: Inzwischen sprechen "Freiheitliche Demokraten" nicht mehr von Chancengleichheit, sondern von Chancengerechtigkeit.

Chancengerechtigkeit war immer eine Forderung der Union, die als ihre Grundwerte Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit benennt, und keine Forderung einer liberalen FDP.

 

Was sollen gerechte Bildungschancen sein? Es muß um gleiche Startchancen gehen - für alle!

 

Die Forderung nach Chancengleichheit ergibt sich aus den liberalen Grundwerten Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Leider haben Gleichheit und Brüderlichkeit keine Bedeutung mehr für "Freiheitliche Demokraten".

 

Leuchtturmschulen? Talentschulen? Exzellenzinitiative? Marketing statt Politik. Populismus statt Liberalismus.

 

Man sollte sich endlich intensiv Gedanken über Lehrmethoden, Lerninhalte und Lernziele, um Lehr- und Lernmittel und deren Finanzierung ("Lernmittelfreiheit"), die Ausstattung und Gestaltung der Schulen und die Anzahl, die Qualifikation und die Motivation der Lehrer machen - statt über neue Begriffe.

 

Es darf nicht sein, daß der Bildungserfolg davon abhängt, ob man die "richtige" Schule ausgewählt, den "richtigen" Lehrer erwischt und/oder die "richtigen" Eltern hat. Bildung darf nicht länger vom Glück und von Zufällen abhängen.

 

Die Bildungsarbeit wird immer mehr aus den Schulen in die immer spärlichere Freizeit der Schüler und die Elternhäuser ausgelagert ... Glück für die, die Eltern haben, die die Lehrer ersetzen oder sich professionelle Hilfe leisten können ... Und dann wundern sich alle, wenn die soziale Herkunft zu Bildungsunterschieden führt ...

 

Gerade in der jüngsten Vergangenheit "dank" der Folgen der COVID-19-Pandemie ist dies mehr als deutlich geworden. Bekannt ist es aber schon sehr lange. "Schüler von heute werden in Schulen von gestern mit den Methoden von vorgestern auf Probleme von übermorgen vorbereitet!"

 

Wo sind die Sozialarbeiter, Schulpsychologen, IT-Fachleute und anderen Berufsgruppen, um die Lehrer zu unterstützen und von allem zu entlasten, das nicht zu ihren Kernaufgaben gehört?

 

Nach meinem Eindruck kommen in der Lehrerausbildung die wesentlichen Kompetenzen nach wie vor viel zu kurz. Es gibt gute Lehrer, keine Frage, aber es ist eher Glückssache für Schüler, solche Lehrer zu erwischen.

 

In den Mittelpunkt der Aus- und Weiterbildung gehören die neuesten Erkenntnisse der Pädagogik, der Psychologie und inzwischen wohl auch der Neurowissenschaften. Sie müssen lernen, sich selbst und ihre Schüler zu motivieren, auch auf sich selbst zu achten und sich zu schützen, Kenntnisse und Fertigkeiten engagiert und altersgerecht zu vermitteln, die Stärken und Schwächen ihrer Schüler zu erkennen und in ihrem Unterricht zu berücksichtigen und aktiv und konstruktiv mit ihren Schülern und deren Erziehungsberechtigten zu kommunizieren.

 

Ich muß gestehen, daß ich die pädagogischen und psychologischen Qualifikationen und auch die eigene Motivation der Lehrer für deutlich wichtiger halte, als Experte in ihrem Unterrichtsfach zu sein. Pädagogische Freiheit ist gut und richtig, solange sie positiv für die Schüler und damit für unsere Gesellschaft ist. Sie darf aber nicht dazu führen, daß der eine oder andere Lehrer sich auf dem ausruht, was er vor 20, 30 oder 40 Jahren mal gelernt und für gut und richtig befunden hat, vielleicht auch mal funktioniert und gepaßt hat.

 

Wir müssen dafür sorgen, daß die guten Ideen, Konzepte, Lehr- und Lernmethoden sowie -mittel bei allen Schulen und Lehrern bekannt sind und genutzt und umgesetzt werden - und zwar bundesweit und auch mit dem Blick über die Grenzen Deutschlands. Dafür braucht es eine Stelle, die für diese Transparenz und Information sorgt, und deutlich mehr Fort- und Weiterbildung, aber auch die nötige Fachaufsicht.

 

Wir brauchen mehr Wettbewerb zwischen den Schulen um Schüler, um qualifizierte und motivierte Lehrer, um erfolgversprechende Lehrmethoden und um geeignete Lernmittel. Wir brauchen Schulen, die sich als Dienstleister für ihre Schüler und deren Erziehungsberechtigten und damit letztlich für unsere Gesellschaft verstehen.

 

Daher bin ich für größtmögliche Autonomie der Schulen, allerdings auch für Mindeststandards und zentrale Prüfungen durch externe Prüfer, und die Idee der Bildungsgutscheine von Milton Friedman, um die Schulen zu finanzieren. Damit entscheiden die Schüler bzw. deren Eltern, welcher Schule das Geld zukommt - aufgrund von regelmäßigen Bewertungen der Schulen durch eine unabhängige Stelle ("Ratingagentur").

 

Unsere Schulen - und auch die "Kultusbürokratie" - müssen endlich im 21. Jahrhundert ankommen! Das halte ich für liberal!

 

Und noch ein Aspekt:

 

Kinder müssen sehr frühzeitig mit der Demokratie vertraut gemacht werden. Sich für die Gemeinschaft, für das Gemeinwesen zu engagieren und einen Gemeinsinn zu entwickeln, sollte ein Ziel unseres Bildungssystems sein. Es hat unter anderem die Aufgabe, aus Kindern demokratische Staatsbürger und Mitglieder der Gesellschaft zu machen.

 

Politische Bildung und Geschichte finden in den Schulen kaum noch statt, und alle wundern sich dann über die politische Einstellung oder die Politik-, Parteien- und Demokratieverdrossenheit vieler Menschen.

 

So brauchen wir nach meiner Überzeugung in den Schulen viel mehr politische Bildung ("Staatsbürgerkunde") und auch viel mehr gelebte Demokratie, "politischere" Schulen, die sich durchaus auch für ihr Umfeld, für ihre Nachbarschaft engagieren dürfen.

 

Vor einiger Zeit habe ich einen sehr interessanten Fernsehbeitrag gesehen, in dem eine Kindertagesstätte vorgestellt wurde, in der bereits Demokratie gelehrt, gelernt, gelebt wird. Vorbildlich.

"... Wir haben eine Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages eingesetzt, Expertinnen und Experten, die 2021 gesagt haben, die Förderung von Schiefergas in Deutschland durch die Frackingmethode ist verantwortbar. ... Deshalb braucht dieses Land der Ingenieure und Techniker jetzt ein Technologiefreiheitsgesetz, damit all das, was möglich ist, auch bei uns entwickelt werden kann. ..."

 

Was bedeutet verantwortbar? Stehen Risiko und Nutzen tatsächlich in einem angemessenen Verhältnis zueinander? Ist es wirklich richtig, all das, was möglich ist, zu entwickeln? Gibt es überhaupt keine Grenzen?

 

Liberale sind für Technologiefreiheit und -offenheit. Das ist so. Trotzdem bleibt die Politik in der Pflicht, die Rahmenbedingungen zu setzen. Noch einmal: Freiheit und Verantwortung gehören zusammen. Es kann und darf keine Freiheit ohne Verantwortung geben. Freiheit ohne Verantwortung führt nämlich zu Unfreiheit. Liberale wissen das.

"... Die weiteren Wachstumsprognosen unserer Volkswirtschaft sind beklagenswerterweise eher ernüchternd. Für die nächsten Jahre kein dynamisches Wachstum, sondern eher bescheidene Wachstumsraten, immer noch steigende Preise, zugleich hohe Kosten auch für die alte Staatsverschuldung. ... Die frühere CDU-geführte-Bundesregierung hat sich doch auch darauf verlassen, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft von alleine einstellt und die letzte verbliebene Aufgabe der Politik die Verteilung von Wachstumsdividenden ist. Deshalb muss nach der Zäsur in der Außen- und Sicherheitspolitik in diesem Jahr die Zäsur in der Wirtschafts- und Finanzpolitik folgen ... Dennoch sprechen manche unverändert lieber über das Verteilen. ... Wir müssen die Frage danach stellen: Wo und wie wird eigentlich der notwendige soziale Ausgleich finanziert, wenn dieses Land - wir teilen das Ziel - klimafreundlich sein will? ... Aber man darf die Bedeutung der Steuerpolitik nicht unterschätzen. ... ein Land, das im Standortwettbewerb wieder in die Offensive finden will, ein solches Land erhöht nicht die Steuerlast. Ein solches Land reduziert die Steuerlast! ... Gerade vor dem Hintergrund der genannten Veränderungen in den USA und in Frankreich. ... Wenn die Koalition aus SPD, Grünen und FDP eine Wiederwahlchance haben will, dann wird das nur gelingen, indem wir unser Land auf die wirtschaftliche Erfolgsspur zurückführen. ... Sie wissen es noch nicht, aber SPD und Grüne müssen geradezu ein Eigeninteresse daran haben, dass zumindest die FDP in der Steuerpolitik das Denken nicht eingestellt hat. ... vor uns liegt auch als Partei ein Jahr, in dem wir gemeinsam in vier Wahlen gehen werden. Wir werden unterstützen Sebastian Czaja ... bei der Abgeordnetenhauswahl von Berlin. Wir kommen dann nach Bremen zu Thore Schäck und wollen dort in die Bürgerschaft wieder einziehen und auch Verantwortung übernehmen. Und dann mit Martin Hagen und Stefan Naas in Bayern und in Hessen geht es ebenfalls darum, dem Land eine neue Richtung zu geben. ... Eines aber bleibt gleich und darauf können die Menschen sich verlassen, egal in welchem Land oder im Bund, egal ob in Regierungsverantwortung oder in der notwendigen Oppositionsrolle: Die Freien Demokraten, sie sind die Kraft der Freiheit und des Fortschritts. ..."

 

Man will dem Land eine neue Richtung geben. Das befürchte ich auch. Wo soll die Reise hinführen? Sind Sebastian Czaja, Martin Hagen, Stefan Naas und Thore Schäck Liberale oder "Freiheitliche Demokraten"?

 

Martin Hagen hat sich in jüngster Zeit sehr weit aus dem Fenster gelehnt, um sich den "Querdenkern" und deren Umfeld anzubiedern. Das hat mich sehr überrascht und irritiert. Ich hätte das nicht von ihm gedacht. Er spricht von "bürgerlich-liberal". Was soll das sein? Noch ein Bindestrich-Liberalismus?

 

Und dann hat er auch noch an der Beisetzung des emeritierten Papstes Benedikt XVI. in Rom teilgenommen. Auf Kosten der Steuerzahler?

Freiheit und Fortschritt? Geht es nicht eher in Richtung Libertarismus, Kapitalismus, Konservativismus und Nationalismus?

 

Einer liberalen FDP würde es gut zu Gesicht stehen, wenn sie im Rahmen der Ampelkoalition, der sogenannten Fortschrittskoalition nun endlich eine grundlegende Steuer- und Sozialreform erreichen könnte, die sich an dem Kirchhof-Modell (niedrig, einfach und "gerecht") orientiert, die unsozialen indirekten Steuern beseitigt, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht berücksichtigen, und ein liberales Bürgergeld (negative Einkommensteuer/(bedingungsloses) Grundeinkommen) einführt, mit dem alle Sozial- und Transferleistungen und die gesamte Sozialbürokratie abgeschafft werden.

 

Dazu würde dann auch eine Gesundheitsreform passen, eine Reform der Finanzierung unseres Gesundheitswesens, die diesen Namen wirklich verdient und die zu einem freiheitlichen und nachhaltigen (generationengerechten und weitestgehend demographiefesten) und gleichzeitig sozialen und solidarischen Krankenversicherungssystem führt, die längst überholte Aufteilung in Privat- und Kassenpatienten beseitigt, größtmögliche Wahlfreiheit mit der medizinisch notwendigen Vorsorge, Untersuchung und Behandlung verbindet und für angemessene Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen sorgt. Dabei wird der Sozialausgleich nicht über die Versicherungen, in denen es nur um den Risikoausgleich geht, sondern über das liberale Bürgergeld geregelt.

 

Ich lehne Bindestrich-Liberalismen ab. Für mich gibt es nur einen Liberalismus und der ist ganzheitlich und immer zugleich freiheitlich und sozial. Dieser Liberalismus setzt sich für die größtmögliche Freiheit aller Menschen in allen Lebensbereichen und auf allen Politikfeldern ein - und zwar unabhängig von sozialer und ethnischer Herkunft, Einkommen und Vermögen.

 

Und Liberale sind per se grün. Für Liberale sind Klima-, Umwelt- und Natur- sowie Tier- und Artenschutz kein Selbstzweck. Sie dienen letztlich den Menschen und dem Erhalt ihrer natürlichen Lebensgrundlagen. Das entspricht dem Kategorischen Imperativ. Es hatte schon seinen Grund, warum ein Liberaler quasi der erste Bundesumweltminister (Hans-Dietrich Genscher) und ein Liberaler der erste Präsident des Umweltbundesamtes (Heinrich von Lersner) gewesen sind.

 

Liberale lehnen die Kernspaltung ab, weil sie - wie man auch aktuell im Russisch-Ukrainischen Krieg leider sieht - mit nicht beherrschbaren Risiken für unsere Lebensgrundlagen verbunden und der Umgang mit den radioaktiven Abfällen nach wie vor ungeklärt ist. Das mag in der Zukunft mit neuen Technologien anders werden, aber bis dahin halte ich eine weitere Nutzung der Kernenergie grundsätzlich mit den Grundwerten und -sätzen des Liberalismus nicht für vereinbar.

 

Wenn meine politischen Positionen von rechts als links oder linksliberal und von links als rechts oder rechtsliberal eingeordnet werden, dann fühle ich mich sehr wohl und weiß, daß ich richtig liege.

 

Nicht links, nicht rechts und auch nicht die Mitte, sondern liberal. Das sollte die Devise der FDP werden.

 

Eine liberale, die Liberale Partei Deutschlands wird gebraucht, eine politische Heimat für alle Liberalen.

 

So erschließt man sich das liberale Wählerpotential zwischen 20 und 30 Prozent und nimmt den Platz in unserem Parteienspektrum ein, den sich die Partei "Bündnis 90/Die Grünen" quasi erschlichen hat.